Spruch:
Der Unternehmer haftet nicht für Mängel des Werkes, wenn der vom Besteller beigestellte Stoff für eine von mehreren gleich zweckmäßig erscheinenden Bearbeitungsmethoden ungeeignet war, ohne daß er dies nach seinem Fachwissen erkennen konnte
OGH 17. September 1981, 7 Ob 596/81 (OLG Linz 4 R 182/80; LG Linz 11 a Cg 42/77)
Text
Der Kläger begehrt wegen Mängeln der von der erstbeklagten Partei hergestellten Dachhaut einer Industriehalle in W von der erstbeklagten Partei und deren persönlich haftenden Gesellschaftern, den Zweit- und Drittbeklagten, einerseits den Ersatz aufgewendeter Verbesserungskosten und andererseits die Feststellung der Haftung für künftige Schäden.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurden die Vertragsgespräche zwischen dem vom Kläger bevollmächtigten Angestellten Johann P der J E Z BaugesmbH und Ing. Alfred B für die erstbeklagte Partei geführt. Die erstbeklagte Partei erstellte zwei Anbote und wies den Kläger darauf hin, daß die teurere Dachhaut qualitativ besser wäre. Der Kläger entschied sich aber für das billigere Anbot. Ungeachtet der Formulierung des Bestätigungsschreibens vom 13. Juli 1971 war zwischen den Parteien klar, daß nicht die Firma Z, sondern der Kläger Auftragsgeber war. Die Arbeiten wurden im Laufe des Jahres 1971 ausgeführt und Ende 1971/Anfang 1972 beendet. Schon in der Auftragsbestätigung wurde angeführt, daß der Auftragnehmer nach Fertigstellung der Arbeiten eine Haftung von fünf Jahren vom Tage der Übernahme an übernehme. Auf eine Aufforderung vom 9. Juni 1972, eine Haftzeit im Sinne der Ö-Norm B 2220/2221 mit mindestens fünf Jahren festzulegen, gab die erstbeklagte Partei noch die Erklärung ab: "Für die von uns ausgeführten Schwarzdeckerarbeiten übernehmen wir laut Auftrag vom 13. Juli 1971 eine Gewährleistung in der Dauer von fünf Jahren in der Form, daß wir Schäden an unserem Werk, die durch fehlerhaftes Material oder unsachgemäße Arbeit entstanden sind, für Sie prompt und kostenlos beheben. Ablauf der Gewährleistung: Am 17. Dezember 1976". Bereits zweieinhalb Monate nach Fertigstellung der Arbeiten traten erstmals Undichtheiten auf dem Dach der vom Kläger vermieteten Halle auf. Auch in den folgenden Jahren entstanden nach Niederschlägen zahlreiche Wassereinbrüche und immer wieder Risse in der Dachhaut. Durch wiederholte unentgeltliche Abdichtungsarbeiten konnte keine dauernde Dichtheit des Daches erzielt werden. Eine Generalsanierung auf seine Kosten lehnte der Kläger ab, er ließ diese Sanierung später durch einen anderen Unternehmer durchführen. Die Risse in der Dachhaut wurden durch die gewählte Dachkonstruktion verursacht; unerwartete Bewegungen des Gebäudes führten nämlich zur Durchbiegung der Gasbetonplatten und damit zur Öffnung der Stoßfugen des Daches, die von der Dachhaut nicht aufgefangen werden konnten. Die dadurch verursachten Wassereintritte hätten durch besondere technische Vorkehrungen verhindert werden können. Die Notwendigkeit solcher konstruktiver Maßnahmen war jedoch im Zeitpunkt der Dacherrichtung noch keineswegs bekannt; der von der Erstbeklagten aufgebrachte Belag entsprach voll dem damaligen Stand der Technik. Andere Dachundichtheiten sind nicht auf eine mangelhafte Arbeit der erstbeklagten Partei zurückzuführen, sondern auf die Arbeit anderer Professionisten.
Nach der Rechtsansicht des Erstrichters war zwar der Kläger Vertragspartner der erstbeklagten Partei. Die ausgeführte Dacheindeckung habe aber dem Stande der Technik entsprochen, sodaß eine Verletzung der Warnpflicht nicht in Betracht komme; die erstbeklagte Partei habe auch keine über die unmittelbare Vertragserfüllung hinausreichende Erfolgsgarantie abgegeben und sei deswegen nicht zu einer Generalsanierung verpflichtet.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung Folge. Es änderte das Ersturteil als Teilzwischenurteil dahin ab, daß das Leistungsbegehren dem Gründe nach zu Recht bestehe, und hob es hinsichtlich des Feststellungsbegehrens mit Rechtskraftvorbehalt auf. Nach der Rechtsansicht der zweiten Instanz haben die beklagten Parteien unabhängig von einem Verschulden und damit unabhängig von einer allfälligen Warnpflicht selbst für solche Mängel des Werks zu haften, die sie weder erkannt haben noch erkennen konnten; der Unternehmer trage das Risiko, daß er mit den von ihm eingesetzten Mitteln den vorgegebenen Erfolg herbeiführe. Die beklagten Parteien wären deshalb zur dauernden Sanierung des Daches verpflichtet gewesen. Wohl trage der Besteller die Gefahr, daß das Werk wegen der vom Unternehmer trotz aller Sachkenntnis nicht zu erkennenden Mangelhaftigkeit der zu bearbeitenden Sache mißlinge; die zur Ausbildung von weiten Dehnfugen führende Konstruktion des Gebäudes stelle aber keine Unbrauchbarkeit des Stoffes in dem Sinne dar, daß die in Auftrag gegebene Anbringung einer dichten Dachhaut überhaupt unmöglich gewesen wäre. Nur das Feststellungsbegehren bedürfe einer Konkretisierung und Prüfung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision und dem Rekurs der beklagten Parteien Folge, hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Revisionswerber lassen die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichtes unbekämpft, daß grundsätzlich ein Werk im Sinne des § 1167 ABGB die ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäftes stillschweigend bedungenden Eigenschaften haben muß, sodaß der Hersteller des Werkes für dessen Brauchbarkeit Gewähr zu leisten hat. Entgegen der Meinung der Beklagten kann im vorliegenden Fall nicht bezweifelt werden, daß die von ihnen hergestellte Dachhaut die als selbstverständlich vorauszusetzende Dichtheit nicht aufwies und wiederholte Wassereinbrüche von den Revisionswerbern nicht verhindert werden konnten. Ihr Hinweis, daß nicht die Dachkonstruktion, sondern die Gebäudekonstruktion für den eingetretenen Schaden kausal gewesen sei, ist insofern nur ein Spiel mit Worten, als trotz der durch Gebäudebewegungen verursachten Öffnung der Stoßfugen der Gasbetonplatten auch eine andere Konstruktion der Dachhaut den Schaden hätte abwenden können. Den Revisionswerbern kann dabei im Grundsätzlichen auch nicht zugute kommen, daß der Kläger die billigste der angebotenen Ausführungen gewählt hat, weil jedes angebotene Dach nach der Natur des Geschäftes das Erfordernis der Dichtheit erfüllen mußte. Schließlich trifft auch die Ansicht des Berufungsgerichtes zu, daß der Unternehmer im Rahmen der Gewährleistung unabhängig von einem Verschulden für Mängel seines Werks auch dann einzustehen hat, wenn er sie weder erkannt hat noch erkennen konnte, schon weil die erbrachte Leistung nicht den erwarteten, der Gegenleistung entsprechenden Wert hat.
Eine Ausnahme von dieser Gewährleistungspflicht ergibt sich, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, aus der Gefahrtragungsregel des § 1168a ABGB. Danach ist der Unternehmer, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes (oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers) mißlingt, für den Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat. Trifft den Unternehmer in diesem - noch näher zu erörternden - Fall nicht einmal die Gefahr bis zur Übernahme des Werkes, sodaß er den Anspruch auf das volle Entgelt behält, mag auch das Werk aus diesem Gründe mangelhaft oder überhaupt nicht zustande gekommen oder zugrunde gegangen sein (Adler - Höller in Klang[2] V, 409), so scheidet im gleichen Umfang auch jede Gewährleistungspflicht des Werkunternehmers aus. Wenn nämlich der Besteller selbst dadurch, daß er einen ungeeigneten oder leicht verderblichen Stoff lieferte (oder durch die von ihm beigestellten Arbeitsmittel oder Arbeitsräume oder durch seine Anweisungen über die Ausführung des Werkes), den Erfolg vereitelt oder den mangelhaften Erfolg herbeigeführt hat, kann er dafür den Unternehmer nicht verantwortlich machen, es hätte denn der Unternehmer die offenbare Untauglichkeit des Stoffes (oder der Gerätschaften oder die offenbare Unrichtigkeit der Anweisungen) nicht erkannt oder sie zwar erkannt, aber trotzdem den Besteller nicht gewarnt. Diese Warnpflicht besteht allerdings nicht nur, wenn der Mangel jedermann sogleich erkennbar ist, sondern auch dann, wenn er vom Unternehmer bei der auf seiner Seite vorausgesetzten Fachkenntnis (§ 1299 ABGB) bei sachgemäßer Behandlung des Stoffes und Ausführung der Arbeit hätte erkannt werden müssen (Adler - Höller a.a.O., 392, 408; 4 Ob 510/73 u. a.; vgl. JBl. 1966, 562). In diesem eingeschränkten Umfang hat die III. Teilnovelle aus Rücksichten der Billigkeit der "Sphärentheorie" teilweise entsprochen (vgl. 78 BlgHH, 21. Session, 366). Der Besteller kann sich also, wenn er einen zur zweckmäßigen Bearbeitung offenbar untauglichen Stoff liefert oder offenbar unzweckmäßige Weisungen erteilt hat, auf den Mangel nur dann berufen, wenn ihn der Unternehmer, den das Gesetz allerdings als Sachverständigen ansieht, nicht gewarnt hat (Ehrenzweig II/1, 519). Nach der wieder zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes ist unter "Stoff" dabei alles zu verstehen, aus dem oder mit dem das Werk herzustellen ist, somit auch ein Gebäude, an oder in dem der Unternehmer die in Auftrag gegebenen Arbeiten auszuführen hat (SZ 45/75; JBl 1973, 151 u. a.). Es kommt demnach darauf an, ob das Werk infolge der Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes mißlungen ist und ob die Untauglichkeit des Stoffes offenbar war, sodaß der Unternehmer den Besteller hätte warnen müssen.
Zu Unrecht stellt die zweite Instanz bei dieser Rechtslage aber darauf ab, daß die Anbringung einer dichten Dachhaut trotz der Öffnung der Stoßfugen der Gasbetonplatten in der Dachkonstruktion nicht "überhaupt unmöglich" gewesen wäre. Wenn der Unternehmer nach dem Gesagten für eine absolute, aber selbst mit dem Fachwissen eines Sachverständigen für ihn nicht erkennbare Untauglichkeit des vom Besteller gelieferten Stoffes nicht einzustehen hat, dann muß wegen gleicher Interessenlage (Sphärentheorie; siehe oben) dasselbe auch für den Fall gelten, daß der vom Besteller gelieferte Stoff für eine von mehreren gleich zweckmäßig erscheinenden Bearbeitungen ungeeignet war, ohne daß dies dem Unternehmer, der diese Bearbeitung gewählt hat, selbst mit dem Fachwissen eines Sachverständigen erkennbar war. Der Unternehmer durfte jede für einen tauglichen Stoff geeignete Bearbeitung wählen und konnte den Besteller ebensowenig wie bei absoluter Untauglichkeit warnen. In einem solchen Fall hat der Unternehmer seine Pflicht, mit dem "natürlichen Verstand des gewissenhaften Geschäftsmannes" (Mat. a.a.O.) den in einer gewissen Richtung untauglichen Stoff zweckmäßig (vgl. Ehrenzweig a.a.O.) zu bearbeiten, erfüllt. Wenn er also von mehreren, nach dem damaligen Fachwissen eines Sachverständigen scheinbar gleichwertigen Möglichkeiten gerade die gewählt hat, die bloß wegen des für diese Bearbeitung ungeeigneten Stoffes zum Mißlingen des Werkes führte, liegt ebenso wie bei absoluter Untauglichkeit des Stoffes die Ursache des Mißlingens nicht an der Arbeit des Unternehmers, sondern am beigestellten Stoff. Gerade der Vorwurf des Revisionsgegners, die Beklagten hätten ihm mehrere Varianten angeboten und die billigste Ausführung hergestellt, fällt in einem solchem Fall auf den Besteller selbst zurück. Konnte der Unternehmer trotz besten Fachwissens nicht erkennen, daß der vom Besteller gelieferte Stoff für eine der mehreren Bearbeitungsmethoden ungeeignet war, dann konnte er den Besteller vor keiner der Möglichkeiten warnen, sondern mußte dem Besteller die Wahl überlassen. Auch wenn diese Wahl nun auf die billigere Methode fiel, hatte der Unternehmer seine Pflicht erfüllt, und bloß der nicht erkennbar untaugliche Stoff des Bestellers, nicht aber die für jeden tauglichen Stoff geeignete Arbeit des Unternehmers war Ursache des späteren Mangels des Werkes.
Nach den Feststellungen des Erstrichters läge der dargestellte Ausnahmsfall hier vor. Der vom Besteller beigestellte Stoff, nämlich das mit der Dachhaut zu versehende Gebäude, hätte danach Eigenschaften aufgewiesen, die eine außergewöhnliche Herstellung des Werkes erforderlich machten, aber selbst für den Fachmann nicht erkennbar waren, sodaß nach dem damaligen Stand der Technik die im folgenden aufgetretenen Mängel ("das Mißlingen") des Werkes bei der von den Beklagten zweckmäßig gewählten Bearbeitungsmethode nicht vermeidbar waren. Mangels jeder Erkennbarkeit der Gefahr hätten die Beklagten auch nicht eine Warnpflicht gegenüber dem Besteller verletzt. Dieser müßte den eingetretenen Schaden selbst tragen, eine Gewährleistung der Beklagten wäre wegen der bloß auf die Untauglichkeit des beigestellten Stoffes zurückzuführenden Mängel ausgeschlossen. Entgegen der Meinung der Revisionsgegnerin wären dann die Beklagten zu der erforderlichen Generalsanierung nicht verpflichtet gewesen. Da der Erstrichter auch eine Zusage in dieser Richtung nicht festgestellt hat, bestunde noch weniger ein Schadenersatzanspruch.
Die Rechtssache ist jedoch noch nicht spruchreif, weil der Kläger in seiner Berufung eine Mängel- und Beweisrüge erhoben hat, auf die das Berufungsgericht infolge seiner vom OGH nicht gebilligten Rechtsansicht nicht eingegangen ist. Das gleiche gilt subsidiär für die Bekämpfung der Feststellungen zur Aktivlegitimation durch die in erster Instanz obsiegenden Beklagten in der Revision (SZ 28/262 u. v. a.). Auf die Frage einer Verjährung ist hingegen nicht mehr einzugehen, weil die Beklagten diese Einwendung in der Revision nicht mehr vorgetragen haben (SZ 37/184 u. a.). Andererseits hat nicht einmal der Kläger behauptet, daß anläßlich der vereinbarten Verlängerung der Gewährleistungsfrist geradezu eine Garantieleistung der Beklagten über den Inhalt ihrer gesetzlichen Mängelhaftung hinaus zugesagt worden ware.
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