Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien je S 8.979,44, insgesamt somit S 17.958,88 (darin enthalten S 2.993,14 USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien je S 3.848,33, insgesamt somit S 7.696,66 (darin enthalten S 1.282,78 USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Georg W***** ist am 26.11.191 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben. Da kein Vermögen vorhanden war, wurde gemäß § 72 Abs 3 AußStrG keine Verlassenschaftsabhandlung durchgeführt.
Die beiden Kläger sind die unehelichen Kinder des Georg W*****. Der Erstkläger ist am 7.4.1956, die Zweitklägerin am 23.7.1957 geboren.
Die Erstbeklagte ist die Witwe des Georg W*****, die Zweitbeklagte seine am 19.4.1978 geborene eheliche Tochter.
Mit Vertrag vom 8.6.1976 schenkte Georg W***** der Erstbeklagten, die er am 28.5.1976 geheiratet hatte, die Liegenschaft EZ 264 KG N*****. Mit Notariatsakten vom 25.2.1985 schenkte er der Erstbeklagten weiters die Liegenschaft EZ 942 KG L***** und der Zweitbeklagten die Liegenschaft EZ 969 KG L*****. Die Eltern des Georg W***** waren im Zeitpunkt dieser Schenkungen bereits verstorben. Es lebten aber als Verwandte der zweiten Linie seine beiden Geschwister Elfriede B***** und Gerhard W*****.
Mit Notariatsakten je vom 11.5.1987 schenkte die Zweitbeklagte die Liegenschaft EZ 969 KG L***** der Erstbeklagten und die Erstbeklagte ihrerseits der Zweitbeklagten als Ausgleich hiefür die Liegenschaft EZ 264 KG N*****. Die Erstbeklagte verkaufte die Liegenschaften EZ 942 und 969 je KG L***** um S 6,500.000,--. Mit diesem Kaufpreis erwarb die Erstbeklagte die Liegenschaften EZ 534 KG E***** und EZ 1630 KG L***** sowie ein Zwölftel der Liegenschaft EZ 669 KG L***** (Weg), deren Eigentümerin sie nach wie vor ist.
Die Kläger behaupteten, durch die Schenkungen des Georg W***** in ihrem Pflichtteilsanspruch als Noterben auf je ein Neuntel des Nachlasses verletzt worden zu sein und begehrten von der Erstbeklagten die Zahlung von je S 594.622,21 und von der Zweitbeklagten die Zahlung von je S 255.377,77.
Die Höhe dieser Beträge und der hiezu führende Berechnungvorgang sind nicht strittig.
Die Beklagten beantragten Klagsabsweisung, weil das ErbRÄG 1989 erst am 1.1.1991 in Kraft getreten sei und das uneheliche Kind einen Schenkungspflichtteil nur dann in Anspruch nehmen könne, wenn das Vermögen des unehelichen Vaters nach dem 1.1.1991 transferiert worden sei. Da im ErbRÄG jegliche Übergangsbestimmungen fehlten, sei es auf die Vergangenheit nicht anwendbar. Die Schenkungen seien keineswegs in Schädigungsabsicht erfolgt, weil damals mit einer Änderung der Gesetzeslage nicht zu rechnen gewesen sei. Zudem habe der Erblasser im Zeitpunkt der Schenkung der Liegenschaft EZ 264 KG N***** kein pflichtteilsberechtigtes Kind gehabt, sodaß gemäß § 785 Abs 2 ABGB keine Schenkungsanrechnung stattzufinden habe.
Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich der Zweitbeklagten zur Gänze und hinsichtlich der Erstbeklagten teilweise statt. Es verpflichte die Erstbeklagte zur Zahlung von jeweils S 500.177,80 und wies das Mehrgehren hinsichtlich der Erstbeklagten von je S 94.444,40 ab. Die Kläger seien aufgrund des ErbRÄG 1989 nach ihrem nach Inkrafttreten dieses Gesetzes verstorbenen Vater erb- und pflichtteilsberechtigt und könnten daher die Anrechnung jener Schenkungen begehren, die nach der Geburt des ehelichen Kindes des Erblassers erfolgt seien. Die Schenkungsanrechnung setze nämlich voraus, daß der Verstorbene zum Schenkungszeitpunkt mindestens ein pflichtteilsberechtigten Kind gehabt habe. Dies sei im Zeitpunkt der Schenkung der Liegenschaft EZ 264 KG N***** (im Jahr 1976) nicht der Fall gewesen, sodaß diese Liegenschaft nicht in die Pflichteilsberechnung einzubeziehen sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, der Berufung der Kläger aber Folge und änderte das Urteil im Sinn einer gänzlichen Klagsstattgebung auch hinsichtlich der Erstbeklagten ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Das ErbRÄG, das eine vollkommene Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder im gesetzlichen Erbrecht bewirkt habe, finde nach dessen in Art III enthaltener Übergangsbestimmung Anwendung, wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten des Gesetzes verstorben sei. Das Noterbrecht des unehelichen Kindes sei im übrigen nichts Neues, sondern gelte, wenn auch mit Einschränkungen, bereits seit dem UeKindG 1970. Da die Kläger demnach im Zeitpunkt der im Jahr 1976 erfolgten Schenkung pflichtteilsberechtigt gewesen seien, seien bei sämtlichen Schenkungen jeweils pflichtteilsberechtigte Kinder iSd § 785 Abs 2 ABGB vorhanden gewesen. § 785 Abs 3 ABGB idF des seit 1.7.1978 in Kraft stehenden EheRÄG sei nach der Absicht des Gesetzgebers dahin auszulegen, daß die Anrechnung von Schenkungen an einen Ehegatten, dessen Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch aufrecht gewesen sei, auch dann ohne Befristung zuzulassen sei, wenn die Schenkung vor dem EheRÄG erfolgt sei. Es seien somit die Voraussetzungen der Anrechnung hinsichtlich sämtlicher Liegenschaftsschenkungen des Erblassers erfüllt. Da die beschenkten Beklagten zwar nicht mehr die geschenkten Liegenschaften, aber noch deren Wert besäßen, sei auf Zahlung des Fehlbetrages ohne Beschränkung auf die Exekution in die geschenkte Sache zu erkennen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Ob unehelichen Kindern ein von den bisher einschränkenden Voraussetzungen des UeKindG 1970 unabhängiges gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zusteht, hängt nach der unmißverständlichen Bestimmung des Art III des ErbRÄG 1989 davon ab, ob der Erblasser vor oder nach dem 1.1.1991 gestorben ist. Ist letzteres der Fall, treten mangels gegenteiliger Übergangsbestimmungen alle daraus resultierenden Konsequenzen wie insbesondere auch die Möglichkeit, den Pflichtteilsanspruch durchzusetzen, ein, wobei es entgegen der Ansicht der Revisionswerber keinen Unterschied machen kann, ob der Erblasser die nunmehr pflichtteilsberechtigten unehelichen Kinder durch Schenkungen, die vor oder nach dem 1.1.1991 getätigt wurden, oder etwa auch durch vor oder nach dem 1.1.1991 errichtete letztwillige Verfügungen verkürzt hat (vgl Liebmann-Wenger in NZ 1991, 28 ff; Umlauft, Pflichtteilsminderung nach § 773 a ABGB, in NZ 1990, 143 ff, insbesondere 147). Hinsichtlich der Berichtigung des Pflichtteils, der Anrechnung von Vorausempfängen und der Pflichtteilsergänzungsansprüche trat durch das ErbRÄG keine Änderung der bisherigen Rechtslage ein (vgl S. Paliege, Neues im österreichischen Erbrecht, in ZfRV 1991, 169 ff).
Es ist zwar richtig, daß sich die erbrechtliche Gleichstellung des unehelichen Kindes auch rückwirkend zum Nachteil von in letztwilligen Verfügungen Bedachten oder von Personen, die vom Erblasser bereits lange vor der Gesetzesänderung beschenkt wurden, wie überhaupt von anderen aufgrund ihrer verwandtschaftlichen Beziehung zum Erblasser Pflichtteilsberechtigten auswirken kann. Es ist vor allem den vom Erblasser beschenkten Pflichtteilberechtigten, die ehedem nicht durch die konkurrenzierenden Pflichtteilsansprüche unehelicher Kinder beeinträchtigt waren, zuzugestehen, daß sie sich durch die Neuregelung in ihren "wohlerworbenen Rechten" geschmälert fühlen.
Da der für die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes maßgebende Sachverhalt der Tod des Erblassers ist, der zugleich wesentliche Voraussetzung des Erbanfalles und des Entstehens des Pflichtteilsanspruches ist, liegt keine echte Rückwirkung des Gesetzes, dh dessen Anwendung auf Sachverhalte, die vor seinem Inkrafttreten verwirklicht werden, vor. Bei Dauersachverhalten (Ehe, Kindschaft usw) können den Erwartungen der Beteiligten widersprechende spätere Rechtsänderungen - wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist - freilich ebenso bedenklich sein wie echte Rückwirkungen (vgl Bydlinski in Rummel2 I, Rz 1 zu § 5 ABGB).
Das Rückwirkungsverbot des § 5 ABGB ist allerdings nur eine im Zweifel geltende Regelung, die durch jede Rückwirkungsanordnung als lex spezialis durchbrochen werden kann. Denn nach herrschender Ansicht fehlt es an einem höherrangigen, verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot (Bydlinski aaO, Rz 2 zu § 5 ABGB mwN). Diese Ansicht entspricht auch der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der gesetzliche Rückwirkungsanordnungen als grundsätzlich zulässig ansieht, sie allerdings am Gleichheitsgebot mißt (VerfGHSlg 5.411; 8.421; 9.483; 10.402). Genauso unbedenklich sind daher auch Gesetzesänderungen, die von Sachverhalten abhängen, die nach deren Inkrafttreten verwirklicht werden, aber auf frühere Rechtsgeschäfte nachteilige Auswirkungen für bestimmte Personen haben. Von einer gleichheitswidrigen Anordnung kann hier keine Rede sein, zumal es gerade der Zweck der Regelung war, bestehende Ungleichheiten zu beseitigen. Demgemäß begründen die Gesetzesmaterialien zum ErbRÄG 1989 (1158 BlgNR XVII. GP, 1 ff) die Gleichstellung des unehelichen mit dem ehelichen Kind insbesondere mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bisherige Rechtslage und verweisen insoweit auf zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.
Wie das Gericht zweiter Instanz ebenfalls bereits zutreffend ausführte, haftet der Beschenkte dem verkürzten Noterben grundsätzlich mit der Geschenkte Sache. Besitzt der Beschenkte die geschenkte Sache nicht mehr, so haftet er gemäß § 952 ABGB nur insofern, als der Wert des Geschenkes noch in seinem Vermögen vorhanden ist oder als der Beschenkte die geschenkte Sache unredlicherweise aus dem Besitz gelassen hat (vgl zu letzterem Fall JBl 1989, 377). Die in der Revision vorgebrachten Bedenken dagegen, daß die Witwe oder die ehelichen Kinder auch dann den Pflichtteil unehelicher Kinder auszahlen müßten, wenn das an sie vor Jahrzehnten abgegebene Vermögen des Erblassers verloren gegangen oder verwirtschaftet worden sei, entbehren daher jeder Grundlage. Unredlichkeit bei der Besitzübergabe wird insbesondere nicht zu unterstellen sein, solange mit der Gesetzesänderung nicht gerechnet werden mußte. Abgesehen vom Fall der Unredlichkeit beschränkt § 952 ABGB die Haftung ohnehin auf die vorhandene Bereicherung (JBl 1954, 489). Daß die Beklagten durch die Zuwendungen des Erblassers noch bereichert sind, ergibt sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen (vgl EvBl 1973/143) und wurde von den für das Gegenteil beweispflichtigen Beklagten (JBl 1954, 489) auch nicht in Abrede gestellt.
Die zutreffende, mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes übereinstimmende und in der bekämpften Berufungsentscheidung ausführlich dargelegte Rechtsansicht, daß auch zum Zeitpunkt der Schenkung im Jahr 1976 pflichtteilsberechtigte Personen, nämlich damals die beiden Kläger (JBl 1982, 646), vorhanden waren und daher bei jeder der Schenkungen dem Erfordernis des § 785 Abs 2 ABGB - nämlich daß zum Schenkungszeitpunkt (irgend) ein pflichtteilsberechtigtes Kind vorhanden sein muß, damit auf Schenkungsanrechnung gedrungen werden kann (vgl Welser in Rummel2 I, Anm 5 zu § 785 ABGB) - Rechnung getragen war, wird in der Revision zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogen. Ebenso unbekämpft blieb die auf 2 Ob 575/82, veröffentlicht in NZ 1984, 7 gegründete Ansicht der zweiten Instanz, daß Schenkungen an einen Ehegatten, dessen Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch aufrecht ist, auch dann ohne Befristung anzurechnen sind, wenn sie vor dem EheRÄG erfolgt sind, der Erblasser aber nach dessen Inkrafttreten gestorben ist. Insoweit ist auf die ausführlich begründete Vorentscheidung 2 Ob 575/82, die im Urteil der zweiten Instanz im wesentlichen wiedergegeben wird, zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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