European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00590.840.0913.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 15.662,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.200 S Barauslagen und 1.314,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der klagende Masseverwalter begehrt einerseits die Zahlung des Kaufpreises von Installationsmaterial, das die Gemeinschuldnerin im Zuge des dem Anschlusskonkurs vorangegangenen Ausgleichsverfahrens an die beklagte Partei geliefert hat, und andererseits den Werklohn für Arbeiten, die die Gemeinschuldnerin im Wesentlichen noch vor der Ausgleichseröffnung im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft mit der beklagten Partei erbracht hat.
Der Erstrichter sprach mit Teilurteil aus, dass die erste Klagsforderung sowie eine Gegenforderung zu Recht bestehen, und gab dem Klagebegehren im Umfang des Differenzbetrags statt. Im Revisionsverfahren ist nur noch die Zulässigkeit der Erlassung des Teilurteils strittig.
Die Revision der beklagten Partei ist zwar zulässig, weil die richtige Lösung der an sich zum Prozessrecht gehörigen Fragen von der materiell-rechtlichen Frage des rechtlichen Zusammenhangs von Forderung und Gegenforderung abhängt (SZ 42/162, SZ 52/90 ua). Sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 391 Abs 3 ZPO ist die Fällung eines Teilurteils zulässig, wenn die Gegenforderung mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht im rechtlichen Zusammenhang steht. Letzterer ist gegeben, wenn beide Ansprüche aus demselben Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis entspringen, einander bedingen oder wenn die Aufrechnung beider Forderungen vereinbart war ( Gschnitzer in Klang 2 VI 497, RZ 1960, 121 uva). Es genügt, wenn beiden Forderungen ein einheitliches Rechtsverhältnis oder ein einheitlicher, unter gleichen rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilender Lebenssachverhalt zugrunde liegt (SZ 42/162 ua), doch beseitigen später hinzutretende rechtserzeugende Tatsachen, die nur noch einen Anspruch betreffen, den rechtlichen Zusammenhang (RZ 1977/14 ua). Ein rechtlicher Zusammenhang in diesem engen Sinn ist hier unbestrittenermaßen nicht gegeben.
Nach dem zutreffenden Hinweis der Revisionswerberin hat die Rechtsprechung allerdings einen rechtlichen Zusammenhang auch dann anerkannt, wenn zwischen den beiden Ansprüchen ein inniger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, der die Durchsetzung des Anspruchs ohne Rücksicht auf den Gegenanspruch als Treu und Glauben widersprechend erscheinen ließe (SZ 35/11 = JBl 1962, 639, SZ 52/90 ua). Diese Meinung wurde mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte des § 391 Abs 3 ZPO damit begründet, dass auch Lehre und Rechtsprechung zu dem Vorbild des § 302 dZPO nicht unberücksichtigt bleiben dürften. Ob diese Ansicht einer genauen Nachprüfung standhielt, ist zu bezweifeln (weder Fasching , Komm III 582 f und Lehrbuch Rdz 1298, 1304, noch Holzhammer , Zivilprozessrecht 2 283 f zitieren diese Rechtsprechung oder treten ihr gar bei), kann aber hier unbeantwortet bleiben. Es wurde nämlich bisher nur ein einziger Fall nach dem dargestellten Rechtssatz positiv entschieden, nämlich der gegenseitiger Ansprüche aus einem Verkehrsunfall; in diesem Fall wurde aber ohnehin auch der rechtliche Zusammenhang der beiden Forderungen bejaht (SZ 35/11 ua). Ein ausreichend inniger wirtschaftlicher Zusammenhang wurde hingegen in allen anderen Fällen verneint, so bei der aufrechnungsweisen Einwendung von Lohnansprüchen durch einen wegen Veruntreuung zum Nachteil des Dienstgebers Verurteilten (5 Ob 139/73), bei bloßer ständiger Geschäftsbeziehung (5 Ob 682/77) oder mehreren, nur lose zusammenhängenden Kreditverträgen (SZ 52/90) oder Werkverträgen (JBl 1983, 438). Auch in der Lehre der Bundesrepublik Deutschland wird nur der besondere Fall der Verletzung von Warenzeichenrechten während der Geltung eines Abkommens über die Geschäftsbeziehungen im Sinn der Entscheidung BGHZ 25, 364 als ein Beispielsfall angeführt ( Hartmann in Baumbach‑Lauterbach , ZPO 41 I 766).
Auch der vorliegende Fall lässt entgegen der Meinung der Revisionswerberin nicht erkennen, dass die Durchsetzung des Klagsanspruchs ohne Rücksicht auf die eingewendete Gegenforderung Treu und Glauben geradezu widerspräche. Eine solche Qualifikation könnte zwar ohne Verletzung des Neuerungsverbots berücksichtigt werden, wenn sie sich aus dem sonstigen Sachvorbringen der beklagten Partei ergäbe. Aber die bloße Tatsache, dass die beklagte Partei Gegenforderungen aus einem früheren Rechtsverhältnis mit der klagenden Partei geltend macht (die möglicherweise bloß als Konkursforderungen zu berücksichtigen sein werden), verbietet keineswegs ihre Verurteilung zur Zahlung des nicht mehr strittigen Kaufpreises für Warenlieferungen während des Ausgleichs. Das wesentliche Argument der Revisionswerberin, ihr drohe die Exekution der Klagsforderung ohne Aussicht auf Befriedigung ihrer berechtigten Gegenforderungen, ist nämlich schon dadurch gegenstandslos, dass eine aufgrund des Teilurteils eingeleitete Exekution in sinngemäßer Anwendung des § 42 Abs 1 Z 1 EO aufgeschoben werden kann (JBl 1980, 548 mwN ua). Im vorliegenden Verfahren kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob diese Gegenforderungen wie behauptet Masseforderungen sind.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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