OGH 7Ob587/92(7Ob588/92)

OGH7Ob587/92(7Ob588/92)3.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Egermann, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dkfm.Dr.Josef M*****, 2. Anna G*****, beide vertreten durch Dr.Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Wilfried Haslauer und Dr.Reinfried Eberl, Rechtsanwälte in Salzburg , wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 23.März 1992, GZ 21 R 312/91, 22 R 96/92-37 , womit infolge Revision der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 9.Jänner 1991, GZ 11 C 520/89-24 , bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig,

1.1. die im Parterre des Hauses ***** befindlichen zwei Gastzimmer mit Schank, Küche, Speisekammer, Abwasch, Kühlraum, Bier- und Weinkeller, Holzlager, Toilettanlagen, Heizraum und Garten;

1.2. die im ersten, zweiten und dritten Stock des Hauses ***** gelegenen 26 Fremdenzimmer, den darüberliegenden Dachboden und die im ersten Stock links vom Stiegenaufgang gelegenen zwei Personalzimmer;

1.3. die im ersten Stock des Hauses ***** gelegenen vier Fremdenzimmer;

1.4. die im ersten Stock des Hauses ***** rechts vom Stiegenaufgang gelegenen zwei Wohnräume

mit Ausnahme des mitverpachteten Inventars laut der einen integrierenden Bestandteil dieser Entscheidung bildenden Inventarliste vom 8.8.1977 binnen 14 Tagen bei Exekution zu räumen und den klagenden Parteien geräumt zu übergeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 78.628,32 (darin enthalten S 13.029,72 Umsatzsteuer und S 450 Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 31.128,80 (darin enthalten S 4.804,80 Umsatzsteuer und S 2.300 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die seit dem Jahr 1959 mit einer fideikommissarischen Substution zugunsten der Kläger belasteten Liegenschaften EZ ***** KG ***** und EZ ***** derselben KG ***** wurden mit Vertrag vom 9.8.1977 ab 1.10.1977 - von der damals 76 Jahre alten Vorerbin - mit dem darauf befindlichen Gasthaus- und Fremdenbeherbungsbetrieb der Beklagten auf unbestimmte Zeit in Bestand gegeben. Nachträglich vereinbarten die Parteien dieses Bestandvertrages, daß die Bestandgeberin ab 1.10.1977 für mindestens 25 Jahre auf eine ordentliche Kündigung verzichtet. Die Vorerbin starb am 31.7.1987. Am 24.11.1987 wurde den Klägern als Nacherben das Substitutionsgut eingeantwortet. In dem Testament der Erblasserin, der Mutter der Vorerbin und Adoptivmutter beider Kläger, war verfügt, daß die Liegenschaften samt Inventar von der Vorerbin so zu erhalten seien, daß der Gasthaus- und Fremdenbeherbungsbetrieb von den Nacherben ungestört weitergeführt werden kann.

Mit der Behauptung, das Pachtverhältnis zum 31.3.1989 aufgekündigt zu haben, beantragen die Kläger die Erlassung des aus dem Spruch ersichtlichen Räumungsauftrages. Der Bestandvertrag sei als Pachtvertrag zu qualifizieren und umfasse als solcher - trotz der unrichtigen Bezeichnung im Vertrag als Miete die zwei zum Unternehmen gehörenden Wohnräume. Mit dem Tod der Vorerbin sei der Bestandvertrag erloschen. Vorsichtshalber hätten die Kläger den Vertrag aber auch aufgekündigt. Der von der Vorerbin abgegebene Kündigungsverzicht sprenge den Rahmen der einem Vorerben zustehenden Rechte und sei sittenwidrig. Der Beklagten sei die Beschränkung der Vorerbin durch die fideikommissarische Substituion bekannt gewesen. Eine Umwandlung des Pachtvertrages in einen Mietvertrag habe nie stattgefunden.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Die Berechtigung der Vorerbin zum Abschluß des Bestandvertrages sei nicht zweifelhaft gewesen. Der Kündigungsverzicht sei abgegeben geworden, weil das Bestandobjekt in einem völlig devastierten Zustand gewesen sei und die Beklagte enorme Investitionen habe tätigen müssen. Die Beklagte sei bei Abschluß des Bestandvertrages daher nicht "schlechtgläubig" gewesen. Ein Handeln zum Nachteil der Nacherben sei nicht beabsichtigt gewesen. Durch die Entgegennahme von Bestandzinszahlungen der Beklagten hätten die Kläger deren Rechtsposition anerkannt. Die im Bestandvertrag bezeichneten zwei Wohnräume seien vermietet worden. Auf sie seien jedenfalls die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG anzuwenden. Falls der Kündigungsverzicht für die Kläger aber nicht bindend sei, werde vorgetragen, daß das Bestandverhältnis von Anfang an ein Mietverhältnis gewesen sei. Einziger Zweck des Vertrages sei die Raummiete gewesen. Das mitvermietete Inventar habe keinen Wert gehabt. Der Geschäftsbetrieb sei - vom Heurigenbetrieb des Vorgängers der Beklagten - in ein Chinarestaurant umgeändert worden. Die Beklagte habe ihren Betrieb aufgrund einer eigenen Konzession geführt. Betriebsmittel oder ein Warenlager seien nicht zur Verfügung gestellt worden. Es sei daher kein lebendes Unternehmen Gegenstand des Vertrages gewesen. Die Bezeichnung "Pachtvertrag" sei durch den Vertragsverfasser nur deshalb in den Vertrag aufgenommen worden, um die gesetzlichen Kündigungsbestimmungen zu umgehen. Die Vorerbin habe im Jahr 1984 ausdrücklich anerkannt, daß Geschäftsraummiete vorliege. Auch der Erstkläger habe im Jahr 1988 das Bestehen eines Mietverhältnisses anerkannt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Neben dem eingangs bereits wiedergegebenen Sachverhalt traf es noch folgende Feststellungen:

Die Parteien des Bestandvertrages haben die Bestandgabe des in beiden Häusern gelegenen Restaurant- und Fremdenbeherbergungsbetriebes als Unternehmenspacht, die weitere Inbestandgabe zweier Wohnräume aber als Miete bezeichnet und als Bestandzins eine monatliche Pacht von S 15.000 und eine monatlich Miete von S 3.000 (jeweils wertgesichert) vereinbart. Der (ehemalige) Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten Dr.H***** hätte den Bestandvertrag zwar lieber als Mietvertrag bezeichnet gehabt, konnte sich jedoch gegenüber der Bestandgeberin nicht durchsetzen. Die Beklagte führte den Restaurationsbetrieb in Form eines China-Restaurants fort; die Fremdenzimmer wurden bis vor etwa drei Jahren zumindest teilweise vermietet. Das zum Betrieb des Unternehmens bestimmte Inventar wurde von der Beklagten übernommen. Mit Punkt IV des Bestandvertrages übernahm die Beklagte die Pflicht, die beiden gepachteten Unternehmen ohne Unterbrechung zu führen. Dr.H***** hat für die Beklagte eine eigene Konzession zum Betrieb einer Gastwirtschaft erlangt.

Dr.H***** setzte am 30.7.1984 eine Erklärung auf, wonach die Beklagte das Inventar um S 50.000 gekauft habe und nunmehr Raummiete vorliege; weiters sei das Recht zur Weiter- und Untervermietung eingeräumt worden. Die Vorerbin unterfertigte dieses Schreiben zwar, "zog" mit Schreiben vom 31.10.1986 "ihre Unterschrift" aber mit der Begründung "zurück", daß das Inventar nie abgelöst worden sei. Die Zahlung des Betrages von S 50.000 durch die Beklagte konnte nicht festgestellt werden.

Mit Schreiben vom 24.2.1988 forderte der Erstkläger die Beklagte auf, ab März 1988 sämtliche "Mieten" auf ein bestimmtes Konto einzuzahlen.

Mit Schreiben vom 11.3.1988 kündigten die Kläger der Beklagten "allenfalls bestehende Bestandrechte an den Räumlichkeiten ... zum nächsten möglichen Termin" auf. Mit weiterem Schreiben vom 23.12.1988 kündigten die Kläger der Beklagten "das sich aus dem Bestandvertrag vom 9.8.1977 ergebende Bestandverhältnis" unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten (kürzeren) 3-monatigen Kündigungsfrist zum 31.3.1989 neuerlich auf.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß überwiegend Pacht vorliege. Die Vorerbin habe wirksam einen solchen Pachtvertrag abschließen können. Die von einem Vorerben über Substitutionsgut abgeschlossenen Bestandverträge wirkten über die Beendigung dessen Rechtes hinaus. Der Nacherbe trete in solche Verträge ein. Der Vorerbe sei auch berechtigt, einen Kündigungsverzicht für die Dauer von 25 Jahren abzugeben.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat gleich dem Erstgericht die Auffassung, daß der Vorerbe berechtigt sei, über das Substitutionsgut durch längerfristige Bestandverträge zu verfügen; derartige Verträge endeten nicht mit dem Tod des Vorerben. Eine Entwertung des Substituionsgutes durch einen solchen Bestandvertrag zum Nachteil der Nacherben sei im vorliegenden Fall von den vertragschließenden Parteien nicht beabsichtigt gewesen. Die Kläger seien aber auch an den Kündigungsverzicht gebunden. Ein Bestandvertrag sei mit sonstigen längeren Vertragsverbindungen, etwa einem Bierbezugsvertrag, nicht vergleichbar. Aber auch für derartige Verträge anerkenne die Rechtsprechung die Zulässigkeit von Vertragsbindungen von 15 bis 20 Jahren. Grundsätzlich seien auch auf immerwährende Zeiten oder auf extrem lange Dauer geschlossene Verträge im allgemeinen zulässig und wirksam, weil sie durch die Regel von der Auflösbarkeit aller Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen im nötigen Mindestausmaß begrenzt würden. Im vorliegenden Fall lägen aber auch die durch das besondere Interesse der Pächterin, das mit entsprechendem Einsatz und "allenfalls auch Investitionen" neugestaltete Unternehmen nutzen zu können, begründeten besondere Umstände vor, die eine Mindestdauer eines Pachtverhältnisses von 25 Jahren rechtfertigten. Eine unzulässige Veränderung am Wesen des Substitutionsgutes oder eine wesentliche Änderung dessen Zweckbestimmung liege darin nicht. Außerdem begründe eine unzulässig lange Vertragsdauer nur Teilnichtigkeit hinsichtlich des eine angemessene Dauer übersteigenden Zeitraumes. Bis zur Kündigung durch die Kläger seien aber noch nicht 12 Jahre der vorgesehzenen Bestandzeit abgelaufen. Ein Pachtvertrag über einen solchen Zeitraum sei keinesfalls ungewöhnlich.

Die Revision der Kläger ist - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - zulässig, weil zu der entscheidungswesentlichen Frage, ob der Nacherbe nach Eintritt des Substitutionsfalls an einen vom Vorerben gegenüber einem Bestandnehmer des Substitutionsgutes abgegebenen Kündigungsverzicht gebunden ist, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht; sie ist auch berechtigt.

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Die von den Vorinstanzen nur unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit behandelte Frage der Zulässigkeit eines Kündigungsverzichtes im Rahmen eines Bestandvertrages für den Zeitraum von 25 Jahren ist im vorliegenden Fall nicht streitentscheidend. Hier geht es nicht darum, wie weit sich die Parteien eines Vertrages binden können, sondern darum, ob und wie weit ein Nacherbe an die vom Vorerben mit Dritten getroffenen vertraglichen Vereinbarungen über das Substitutionsgut, insbesondere über einen im Rahmen eines Bestandvertrages abgegebenen Kündigungsverzicht, gebunden ist.

Nach herrschender Auffassung ist der Vorerbe zum Abschluß auch langfristiger Bestandverträge über das Substitutionsgut - auch gegen den Willen des Nacherben (NZ 1930, 142) - berechtigt; diese erlöschen nicht ipso iure mit dem Recht des Vorerben (JBl 1928, 392; MietSlg 3738, 7101, 8683; Klang in Klang2 II 588; Welser in Rummel, ABGB2 Rz 9 zu § 613; Eccher in Schwimann, ABGB Rz 10 zu § 613),. Das wird im wesentlichen mit der gesetzlichen Stellung des Vorerben als Fruchtnießer begründet, welchem derartige Befugnisse nach einhelliger Auffassung zugebilligt werden. Die gegenteilige Ansicht Schellanders (JBl 1956, 487 ff), wonach mit dem Recht des Fruchtnießers (Vorerben) auch das Recht seines Bestandgebers erlischt, hat der Oberste Gerichtshof nie geteilt (MietSlg 5626, 8683, 15.122; EvBl 1963/373; vgl auch WoBl 1991, 73). Der Übergang der Bestandsache vom Nutznießer auf den Eigentümer wird als Fall der Einzelrechtsnachfolge angesehen (MietSlg 30.235; Würth in Rummel aaO Rz 3 zu § 1120), sodaß § 1120 ABGB analog zur Anwendung kommt. Aber auch der Übergang der Bestandsache vom Vorerben auf den Nacherben ist einer solchen Einzelrechtsnachfolge gleichzuhalten. Der Nacherbe ist - wie der Vorerbe - Erbe und damit Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers (Welser in Rummel aaO Rz 23 zu § 613), nicht aber des Vorerben. Der Vorerbe erlangt mit der Einantwortung die Stellung eines zeitlich beschränkten Eigentümers; sein Recht endet mit dem Nacherbfall (Welser aaO Rz 1 zu § 613). § 1120 ABGB ist daher im Substitutionsfall auch analog auf den Übergang der Bestandsache vom Vorerben auf den Nacherben anzuwenden.

Gemäß § 1120 ABGB tritt der "Erwerber" der Bestandsache mit deren Übergabe in das an ihr bestehende, durch Rechtsbesitz geschützte Bestandverhältnis ein; dieses wird jedoch insoweit verändert, als es sich mangels Verbücherung oder besonderer Vereinbarung (Volleintritt des Erwerbers) in ein solches auf unbestimmte Dauer mit gesetzlichen Kündigungsfristen zu den gesetzlichen Kündigungsterminen verwandelt. Wie weit das Kündigungsrecht allerdings ausgeübt werden kann, hängt von den gesetzlichen Kündigungsbestimmungen ab. Außerhalb des Geltungsbereiches des MRG oder sonstiger Kündigungsschutzbestimmungen kann der Erwerber das Bestandverhältnis daher unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen zu den gesetzlichen Kündigungsterminen aufkündigen. An längere Kündigungsfristen als die gesetzlichen ist er dabei nicht gebunden; kürzere vertragliche Fristen kommen ihm aber zustatten (Klang aaO V 129; MietSlg 21.236, 39.172). Ob Nebenabreden Teil des Bestandvertrages sind, in den der Erwerber eintritt, hängt - im Gegensatz zu der Regelung des § 2 Abs 1 Satz 3 MRG - nicht von ihrer Üblichkeit bei Bestandverhältnissen ab (SZ 58/145 ua). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Einzelrechtsnachfolger an einen Kündigungsverzicht, den sein Vorgänger gegenüber dem Bestandnehmer ausgesprochen hat, nicht gebunden (SZ 32/89; SZ 56/72; MietSlg 20.193 f, 21.236, 33.211, 37.240, 38.216/22, 39.172, 40.180; Würth aaO Rz 6 zu § 1120; Binder in Schwimann aaO Rz 27 zu § 1120). Ein Volleintritt des Erwerbers ist aber nicht schon dann anzunehmen, wenn der Erwerber nicht zum nächsten Termin aufkündigt. Es bedarf auch keiner besonderen Äußerung des Erwerbers, einen bestehenden Kündigungsverzicht nicht anzuerkennen; schon gar nicht ist bloße Kenntnis des Kündigungsverzichts von Bedeutung (Würth aaO Rz 8 zu § 1120 mit Judikaturhinweisen).

Im vorliegenden Fall haben die Kläger den Kündigungsverzicht nicht ausdrücklich übernommen. In der Forderung zur Zahlung des Bestandzinses liegt aber - selbst unter der weiteren, hier gar nicht feststehenden Voraussetzung der Kenntnis vom Kündigungsverzicht - keine schlüssige Übernahme desselben. Die (spätere) bloße Kenntnisnahme des Kündigungsverzichts reicht für eine schlüssige Vollübernahme ebenfalls nicht aus. Die Kläger haben daher den von der Vorerbin ausgesprochenen Kündigungsverzicht auch nicht schlüssig übernommen.

Ob die Kläger das Bestandverhältnis mit außergerichtlicher Aufkündigung auflösen konnten, hängt daher in erster Linie davon ab, ob der Bestandvertrag als Pachtverhältnis oder als kündigungsgeschütztes Mietverhältnis zu beurteilen ist (vgl zur Wirksamkeit außergerichtlicher Kündigungen von Pachtverhältnissen Würth aaO Rz 13 zu § 1116). Bei der Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht lassen sich keine festen, allgemein anwendbare Regeln aufstellen. Es kommt vielmehr auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles an (SZ 58/8 mwN; JBl 1989, 312). Eine Unternehmenspacht liegt im allgemeinen dann vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allen, was zum Begriff des "Good will" gehört (MietSlg 38.457, 38.135; SZ 58/8; JBl 1989, 312 uva), übergeben wird. Neben den Räumen muß dem Bestandnehmer auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und seinem wirtschaftlichen Fortbestand gehört, also Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeutet allerdings nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müssen. Weder die Beibringung der Gewerbeberechtigung durch den Bestandnehmer noch das gänzliche oder teilweise Fehlen von Einrichtungsgeenständen oder daß der Bestandnehmer solche direkt von dem früheren Pächter erwerben mußte, muß gegen die Annahme eines Pachtvertrages sprechen; die Ersetzung veralteter Betriebsmittel durch den neuen Pächter ändert ebenfalls nichts am Charakter des Vertrages als Pachtvertrag (SZ 58/8 mwN). Fehlt es an einzelnen für die Unternehmensüberlassung charakteristischen Mekrmalen, so kommt es darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (SZ 58/8 mwN; JBl 1989, 312). Eines der wichtigsten Kriterien des Pachtvertrages ist aber die Vereinbarung der Betriebspflicht. Es muß ein wirtschaftliches Interesse des Bestandgebers an der kontinuierlichen Weiterführung des übergebenen Unternehmens bestehen (SZ 58/8 mwN; JBl 1989, 312 uva).

Nach den maßgebenden Feststellungen hat die Beklagte den Gasthausbetrieb der Vorerbin, der vor ihr auch noch von einem anderen Pächter geführt worden war, in der Form eines China-Restaurants weitergeführt und auch die Zimmervermietung im Rahmen eines Fremdenbeherbungsbetriebes vorgenommen. Auszugehen ist daher von der Übernahme eines lebenden Unternehmens, wobei auch wesentliche Betriebsmittel und ein Kundenstock vorhanden waren. Daß das Inventar erneuerungsbedürftig war, ändert darans nichts. Aber auch der Betrieb eines "China-Restaurants" durch die Beklagte hat den bisherigen Unternehmensgegenstand (Restaurantbetrieb) nicht wesentlich verändert (vgl MietSlg 41.087). Die von der Beklagten vorgenommen Änderung der Etablissementbezeichnung und der Erwerb einer eigenen Gasthauskonzession haben am Charakter des Pachtvertrages ebenfalls nichts ändern können. Die Inbestandgabe des Restaurant- und Fremdenverkehrsbetriebes ist daher im vorliegenden Fall schon wegen der Übernahme eines lebenden Unternehmens bei vereinbarter Betriebspflicht als Unternehmenspacht zu beurteilen.

Die Inbestandgabe zweier weiterer Wohnräume im Hause *****, also in jenem Haus, in dem sich der Gasthof und wesentliche Teile des Fremdenbeherbergungsbetriebes befanden, wurden von den Parteien des Bestandvertrages zwar als "Miete" bezeichnet. Bei kombinierten Bestandverträgen ist jedoch die Hauptsache in wirtschaftlicher Hinsicht für die rechtliche Qualifikation maßgebend (Würth aaO Rz 4 zu § 1091; Binder in Schwimann aaO Rz 1 zu § 1091). Die Parteien können allerdings auch hier verschiedene Verträge abschließen. Dabei kommt es aber nicht auf die von ihnen gewählte Bezeichnung (SZ 44/18 uva), sondern vielmehr auf die wahre Absicht an (MietSlg 31.172). Umstände, worin die Parteien des Bestandvertrages einen Unterschied zwischen den dem Unternehmen gewidmeten Räumen und den Wohnräumen gemacht haben, hat die Beklagte gar nicht vorgertragen. Zwei im räumlichen Verband mit den dem Unternehmen gewidmeten Räumen liegende Wohnräume dienen aber zweifellos der besseren Bewirtschaftung des Unternehmens. Mangels sonstiger konkreter Umstände, aus denen der Wille der Parteien zur Raummiete hervorgeht, ist daher auch die Inbestandgabe dieser Wohnräume im Rahmen des einheitlichen, eine Unternehmenspacht begründenden Vertrages als Unternehmenspacht zu beurteilen.

Aber auch nachträglich wurde der Charakter des Bestandverhältnisses nicht verändert. Gewiß kann auch ein Pachtvertrag über ein Unternehmen - etwa durch Veräußerung des Unternehmens an den Pächter - in einen Mietvertrag über die dem Unternehmen dienenden Geschäftsräume umgeändert werden. Dazu ist es aber erforderlich, daß eine Übertragung aller wesentlichen Bestandteile des Unternehmens (ohne die Mietrechte an den Geschäftsräumen) an den Pächter erfolgt. Ob das im vorliegenden Fall schon durch die Ablöse des beim Vertragsabschluß übergebenen Inventars geschehen konnte, muß hier aber nicht näher geprüft werden, weil eine solche nach den weiteren unbekämpften Feststellungen gar nicht stattgefunden hat. Mit der bloßen Erklärung aber, daß die "bisherige Unternehmenspacht" nunmehr als "Raummiete festgestellt wird", ohne daß damit auch die für den Pachtvertrag wesentlichen Elemente, insbesondere die Betriebspflicht, abbedungen wurden, konnte eine Umänderung des Pachtvertrages in ein Mietverhältnis nicht bewirkt werden. Damit aber, daß der Erstkläger von der Beklagten mit Schreiben vom 24.2.1988 die Zahlung sämtlicher "Mieten" auf ein bestimmtes Konto forderte, konnte der Charakter des Bestandvertrages als Pachtverhältnis ebenfalls nicht verändert werden.

Ob das Kündigungsschreiben der Kläger vom 11.3.1988 aus formellen Gründen nicht geeignet war, das Pachtverhältnis aufzulösen, muß ebenfalls nicht geprüft werden. Die Kläger haben das sich aus dem Vertrag vom 9.8.1977 ergebende Bestandverhältnis mit ihrem Schreiben vom 23.12.1988 neuerlich zu einem im Vertrag genannten Termin unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten (kürzeren) Kündigungsfrist aufgekündigt. Die nur auf das Schreiben vom 11.3.1988 gegründeten Rechtsausführungen in der Revisionsbeantwortung gehen daher ins Leere.

Sohin war der Revision Folge zu geben und die Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Räumungsbegehren abzuändern.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO. Von den Kostenverzeichnissen der Kläger war nur insoweit abzugehen, als die Bemessungsgrundlage für die Pauschalgebühren in Bestandstreitigkeiten gemäß § 16 Z 2 lit c GGG vor dem 1.1.1992 S 6.000 betrug und seither S 7.200 beträgt.

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