Spruch:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er insgesamt zu lauten hat:
"Es wird festgestellt, daß Dr. Bernhard K***, ordentlicher Universitätsprofessor in Innsbruck, im Fall der Erfüllung der Voraussetzungen für die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung nach den bisherigen Bestimmungen bis zum 1.7.1987 von der schriftlichen und mündlichen Prüfung aus dem Strafrecht und Strafprozeßrecht befreit wird.
Der weitere Antrag des Dr. Bernhard K***, festzustellen, daß er im Fall der Erfüllung der Voraussetzungen für die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung nach den bisherigen Bestimmungen bis zum 1.7.1987 auch von der schriftlichen und mündlichen Prüfung über die übrigen Gegenstände der Rechtsanwaltsprüfung gemäß den Verordnungen des Justizministeriums, RGBl. Nr.262/1854 und RGBl. Nr.264/1854 befreit sei, wird abgewiesen."
Text
Begründung
Der Antragsteller ist österreichischer Staatsbürger. Er wurde am 21.11.1970 an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck zum Doktor der Rechte promoviert und mit Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 13. Mai 1974 gemäß § 39 Abs.3 StPO in die Verteidigerliste des Oberlandesgerichtes Innsbruck eingetragen.
In der Zeit vom 19.6.1979 bis 31.1.1981 sowie seit dem 1.5.1981 war bzw. ist Dr. Bernhard K*** als Rechtsanwaltsanwärter bei Rechtsanwalt Dr. Gerald G***, Innsbruck, in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter der Tiroler Rechtsanwaltskammer eingetragen. Mit Erlaß des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 17.2.1985 wurde der Beschluß des Professorenkollegiums der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck vom 7.2.1975 auf Verleihung der Lehrbefugnis für zivilgerichtliches Verfahren an den Antragsteller genehmigt. Mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 24.11.1982 wurde Dr. K*** mit Wirkung vom 1.12.1982 zum ordentlichen Universitätsprofessor für zivilgerichtliches Verfahren an der Universität Innsbruck ernannt.
Mit Erlaß des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vom 15.7.1986 wurde der Beschluß der von der rechtswissenschaftlichen Fakultät eingesetzten Habilitationskommission vom 24.2.1986 auf Verleihung der Lehrbefugnis für österreichisches Zivilrecht genehmigt. Mit Dekret des Bundesministers für Justiz vom 5.12.1984 wurde Dr. Bernhard K*** gemäß § 17 RDG zum Prüfungskommissär der Richteramtsprüfungskommission beim Oberlandesgericht Innsbruck für die Jahre 1985 bis 1987 bestellt.
Die von Dr. K*** als Hochschulassistent bzw. Universitätsassistent am Institut für zivilgerichtliches Verfahren an der Universität Innsbruck in der Zeit vom 1.1.1970 bis 19.12.1975 absolvierte rechtsberufliche Tätigkeit wurde von der Tiroler Rechtsanwaltskammer gemäß § 2 Abs.1 RAO in der Dauer von 15 Monaten als für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich auf die gemäß § 1 Abs.1 lit.d RAO nachzuweisende praktische Verwendung angerechnet. Unter Hinweis auf seine Stellung als eingetragener Verteidiger gemäß § 39 Abs.3 StPO in der Liste der Verteidiger des Oberlandesgerichtes Innsbruck sowie seine Lehrbefugnis für zivilgerichtliches Verfahrensrecht und österreichisches Zivilrecht begehrt Univ.Prof.Dr. K*** die Feststellung, daß er im Falle der Erfüllung der Voraussetzungen für die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung nach den bisherigen Bestimmungen bis zum 1.7.1987
1.) von der schriftlichen und mündlichen Prüfung aus dem Strafrecht und dem Strafprozeßrecht, sowie
2.) von der schriftlichen und mündlichen Prüfung über die übrigen Gegenstände der Rechtsanwaltsprüfung gemäß den Verordnungen des Justizministeriums RGBl.262/1854 und RGBl.264/1854 befreit sei. Sein rechtliches Interesse an dieser Feststellung begründet Univ.Prof.Dr. K*** damit, daß er spätestens bis 1.Juli 1987 die Voraussetzungen für die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung nach den bisherigen Bestimmungen iS des § 3 RAO erfüllt haben wird. Das Oberlandesgericht Innsbruck wies den Antrag ab. Grundsätzlich sei die Feststellung von Rechten oder Rechtsverhältnissen im Verwaltungsverfahren auch dann zulässig, wenn sie nicht gesetzlich vorgesehen sei; sie müsse nur im öffentlichen Interesse liegen oder für die Partei ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung sein und insofern in ihrem Interesse liegen. Der Antragsteller habe jedoch im gegenständlichen Fall die Feststellung begehrt, daß er im Fall der Erfüllung der Voraussetzungen für die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung nach den bisherigen Bestimmungen bis 1.7.1987 von den zu Punkt 1. und 2. des Antrages beschriebenen Prüfungsgegenständen befreit sei. Damit aber werde das beantragte Feststellungsbegehren unzulässig. Bedingte Rechtsverhältnisse seien nur dann feststellungsfähig, wenn der gesamte andere rechtserzeugende Sachverhalt feststehe und nur die bereits genau und bestimmt festgesetzte Bedingung noch nicht eingetreten sei; auf hypothetische Tatsachen gestützte Rechtsverhältnisse seien nicht feststellbar. Im übrigen wäre Dr. K*** im Hinblick auf seine Eintragung in die Verteidigerliste des Oberlandesgerichtes Innsbruck zwar von der Rechtsanwaltsprüfung aus dem Straf- und Strafprozeßrecht zu befreien, nicht aber auch von den weiteren Prüfungen. Eine Bestimmung nach Art des § 26 Abs.2 RDG, wonach ordentliche Professoren der rechtswissenschaftlichen Fakultät einer inländischen Universität für bestimmte Fächer von der Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung befreit seien, bestehe nicht. Für eine analoge Anwendung des § 21 R*** sei schon deshalb kein Raum, weil Dr. K*** die Prüfung nach den früheren Bestimmungen ablegen wolle und auch nicht den Doktorgrad nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 2.3.1978, BGBl. Nr.140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Antragsteller erhobene Rekurs ist zwar zulässig (1 Ob 665/86, 7 Ob 519/87); er ist aber nur zum Teil berechtigt. Entgegen den Ausführungen des Erstgerichtes stützt Dr. K*** seinen Antrag nicht auf hypothetische Tatsachen; er hat vielmehr behauptet (S 6 seines Antrages), er werde spätestens bis zu dem in Art.VI Abs.4 RAPG genannten Zeitpunkt, das ist der 1.7.1987, die für die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung zu erfüllenden Voraussetzungen, insbesondere jene gemäß § 3 RAO, erfüllt haben. Die begehrte Feststellung ist daher zulässig.
Berechtigt ist jedoch nur der erste Punkt des Antrages. Wie bereits das Erstgericht dargelegt hat, wäre Dr. K*** im Falle der Erfüllung der in seinem Antrag angeführten Voraussetzungen im Hinblick auf seine Eintragung in die Verteidigerliste des Oberlandesgerichtes Innsbruck von der Rechtsanwaltsprüfung aus dem Straf- und dem Strafprozeßrecht zu befreien (SZ 8/331). Es fehlt dagegen ungeachtet der festgestellten Qualifikationen des Antragstellers jede rechtliche Grundlage für eine Befreiung auch von der schriftlichen und mündlichen Prüfung über die übrigen Gegenstände der Rechtsanwaltsprüfung. Eine Bestimmung wie jene des § 26 Abs.2 RDG, wonach die ordentlichen Professoren der rechtswissenschaftlichen Fakultät einer inländischen Universität, die für die im § 16 Abs.4 Z 1 bis 4 RDG angeführten Fächer ernannt sind, auch ohne die Erfordernisse nach § 26 Abs.1 RDG zu Richtern ernannt werden können, fehlt in der Rechtsanwaltsordnung und im Rechtsanwaltsprüfungsgesetz. Eine Prüfung nach dem RAPG strebt der Antragsteller nicht an, so daß sein Hinweis auf § 21 RAPG schon aus diesem Grund verfehlt ist. Es ist daher entbehrlich, Erwägungen darüber anzustellen, ob der Umstand, daß ein Prüfungswerber, der das Doktorat der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2.3.1978, BGBl. Nr.140, erlangt hat, über seinen Antrag von der Ablegung der mündlichen Rechtsanwaltsprüfung über diejenigen Gegenstände zu befreien ist, die Prüfungsfächer des Rigorosums gewesen sind, analog auch denjenigen zugute zu halten ist, die Prüfer bei jenen Rigorosen sind. Bemerkt sei jedoch, daß gegen eine solche Auslegung etwa der - mit dem Prüfer bei Rigorosen und dem Kandidaten vergleichbare - Umstand spricht, daß gemäß § 3 RAPG auch Richter bei der Rechtsanwaltsprüfung zu prüfen haben, obwohl sie hiedurch von der Rechtsanwaltsprüfung nicht befreit werden. Dem weiteren Argument, daß das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, wie der Antragsteller behauptet, nicht eine Erleichterung, sondern eine Erschwerung der Prüfungsbedingungen und -anforderungen schaffen sollte, so daß die Bestimmungen des § 21 RAPG "umsomehr für eine Prüfung nach den bisherigen Bestimmungen" gelten müßten, vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizupflichten. Es schafft einerseits § 21 RAPG ganz offensichlich eine Erleichterung für den Prüfungswerber. Darüber hinaus aber geht es wohl nicht an, bei der Beurteilung eines Sachverhalts, die nach "altem" Recht zu erfolgen hat, "neues" Recht mit der Begründung anzuwenden, das neue Recht stelle generell eine "Verschärfung" dar, so daß eine darin enthaltene Bestimmung, wiewohl sie dem alten Recht durchaus fremd war, im Falle eines entsprechenden Antrages auch bei Beurteilung nach altem Recht heranzuziehen sei, da die gewünschte Anwendung des "schärferen" Rechtes für denjenigen, der diese Anwendung wünsche, nicht nachteilig sein könne.
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