Spruch:
Da das dingliche Recht des Vorbehaltsverkäufers nur bis zur Vollzahlung des Kaufpreises durch den Käufer besteht, kann sich dieser auch darauf berufen, die berechtigten Ansprüche des Verkäufers durch Zahlung eines geringeren Betrages dann voll befriedigt zu haben, wenn ein entsprechender Anspruch auf Preisminderung besteht
OGH 1. Juli 1976, 7 Ob 578/76 (OLG Wien 2 R 18/76; HG Wien 10 Cg 166/75)
Text
Der Klage des Bankhauses, das den Ankauf eines PKW durch den Beklagten finanziert hat, auf Herausgabe des Fahrzeuges auf Grund des vereinbarten Eigentumsvorbehaltes, liegt folgender unbestrittener Sachverhalt zu Gründe: Der Beklagte kaufte am 30. Juli 1973 von der F K G.m.b.H. einen gebrauchten Maserati Ghibli mit dem angeblichen Baujahr 1971/72 zum Preis von 220 000 S gegen Eigentumsvorbehalt. Die Klägerin finanzierte den Kauf im Wege unmittelbarer Überweisung des Kaufpreises an die Verkäuferin durch einen Kredit von brutto 277 560 S, der in 36 Monatsraten von 7710 S zu bezahlen war. Die Verkäuferin zedierte an die Klägerin ihre Kaufpreisforderung und den Eigentumsvorbehalt am Kaufgegenstand. Im Kreditvertrag zwischen den Streitteilen, der durch Annahme eines im Wege der Verkäuferin gestellten Kreditansuchens zustande kam, unterwarf sich der Beklagte den Allgemeinen Bedingungen der Klägerin für die Finanzierung von Kaufpreisrestforderungen, nach deren Punkt III die Klägerin keine wie auch immer geartete Gewährleistung für Mängel des Kaufgegenstandes trifft, so daß der Teilzahlungskreditnehmer sämtliche Ansprüche aus diesem Titel ausschließlich an den Verkäufer zu stellen und kein Recht hat, bei Nichtfunktionieren oder Nichtbetrieb des Kaufgegenstandes seine Zahlungen an die Klägerin einzustellen oder zu unterbrechen. Bis 21. November 1974 zahlte der Beklagte einen Teilbetrag von 115 805.70 S, so daß rechnungsmäßig der Klagsbetrag von 161 754.30 S aushaftet. Der Beklagte verweigert die Zahlung des restlichen Kaufpreises bzw. Darlehens mit der Begründung, von der Verkäuferin des Fahrzeuges über dessen Baujahr listig in Irrtum geführt worden zu sein. Der in Wahrheit schon im Jahre 1968 hergestellte PKW habe im Kaufzeitpunkt nur einen angemessenen Preis von 81 200 S gehabt, der zuzüglich der anteiligen Kreditspesen längst bezahlt sei. Die Klägerin hat an der behaupteten Irreführung nicht mitgewirkt.
Das Erstgericht gab der Klage mit der Begründung statt, daß im Verhältnis zwischen den Streitteilen auf die Geltendmachung von Preisminderungsansprüchen ausdrücklich verzichtet worden sei,weshalb der Beklagte diesen Einwand trotz einer allfälligen listigen Irreführung durch die Verkäuferin dem Anspruch der Klägerin nicht entgegenhalten könne.
Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten erhobenen Berufung Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes besteht infolge der unmittelbaren Finanzierung des Kaufes eine solche Einheit zwischen Verkäufer und Kreditgeber, daß der Käufer die Einwendung einer Irreführung im finanzierten Geschäft auch gegenüber dem Kreditgeber erheben könne. Allerdings werde beim Vorliegen eines wesentlichen Irrtums eine Korrektur des Kaufvertrages im Sinne einer Minderung des Kaufpreises, die dem Beklagten auch gegen die finanzierende Klägerin zugute komme, nur dann in Betracht kommen, wenn auch die Verkäuferin im Zeitpunkte des Vertragsabschlusses hypothetisch den Willen gehabt hätte, gegebenenfalls zu den Bedingungen, die der Beklagte nun durchsetzen wolle, abzuschließen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Rekurswerberin wendet sich beim Versuch darzulegen, daß ihr als Kreditgeberin, die von dem angeblichen Betrug des Verkäufers nichts wußte, der Willensmangel des Beklagten nicht entgegengehalten werden könne, zunächst gegen eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 RatG 1961 auf den von ihr kreditierten Kauf, weil der Kaufpreis 50 000 S überstiegen habe und der Beklagte Kaufmann sei (§ 1 Abs. 1 und 2 RatG), sodann gegen eine Übernahme der zum überholten § 9 RatG 1896 entwickelten Lehre und Rechtsprechung und schließlich gegen die Meinung Bydlinskis in Klang[2], daß bei der unmittelbaren Finanzierung eines Kaufes derart, daß der Schuldner nicht willkürlich über den gewährten Betrag verfügen könne, wegen des Fehlens eines echten Vermögensvorteils weder ein Darlehen nach § 983 ABGB noch die Anerkennung eines gleichartigen besonderen Vertrages neben dem finanzierten Kaufvertrag in Betracht kämen. Wie die Rekurswerberin später selbst erkennt, geht dieser Teil ihrer Ausführungen zwar auf die Argumentation des Berufungsgerichtes ein, aber so, wie diese an der wesentlichen Tatsache vorbei, daß die Klägerin nicht einen Restkaufpreis oder das restliche Darlehen einklagt, sondern die Herausgabe des verkauften PKWs auf Grund des ihr übertragenen Eigentumsvorbehalts begehrt. In diesem besonderen Fall bedarf es keiner Prüfung der grundsätzlichen Problematik von Einreden aus dem Kaufvertrag gegen den Kreditgeber:
Die Herausgabeklage kann mit Rücksicht auf den allein behaupteten Rechtstitel des fortbestehenden Eigentums nur dann Erfolg haben, wenn das vom Verkäufer an die Klägerin übertragene Eigentum noch nicht auf den Beklagten übergegangen ist. Dies hängt wieder davon ab, ob der Kaufpreis voll bezahlt ist, weil mit der Vollzahlung das Eigentum ohne jeden weiteren Übertragungsakt auf den Käufer übergeht (Bydlinski in Klang[2] IV/2, 454, JB 246; SZ 45/18; EvBl. 1976/91 u. v. a.) Entgegen der Meinung der Rekurswerberin folgt umgekehrt nicht schon aus der sachenrechtlichen Komponente des Eigentumsvorbehaltes, daß obligatorische Einwendungen welcher Art immer dem auflösend bedingten Eigentumsrecht nicht entgegegehalten werden könnten. Da das dingliche Recht des Verkäufers nur bis zur Vollzahlung des Kaufpreises durch den Käufer besteht und in diesem Sinn mit letzterer verknüpft ist, kann sich der Käufer auch darauf berufen, die berechtigten Ansprüche des Verkäufers durch Zahlung eines geringeren Betrages als des Kaufpreises dann voll befriedigt zu haben, wenn ein entsprechender Anspruch auf Preisminderung besteht. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht zutreffend und unwidersprochen erkannt, daß der Käufer ausnahmsweise auch bei einem wesentlichen Irrtum die Vertragskorrektur im Sinne einer Minderung des Kaufpreises nach § 872 ABGB begehren kann, wenn nämlich sein Gegner im Zeitpunkt des Kontrahierens hypothetisch den Willen gehabt hätte, zu den nun vom Käufer begehrten Bedingungen abzuschließen (SZ 45/38; EvBl. 1976/125 u. a.). Hinsichtlich des vom fortbestehenden Eigentumsvorbehalt abgeleiteten Herausgabebegehrens ist daher tatsächlich zu prüfen, ob der Verkäuferin eine listige Irreführung des Beklagten zur Last fällt, die die von ihm begehrte Preisminderung dem Gründe nach (im eben genannten Sinn) und in der vom Beklagten begehrten Höhe rechtfertigt. Mangels Möglichkeit einer derartigen Korrektur des Kaufvertrages wäre allerdings das Klagebegehren berechtigt, weil der Beklagte das Erlöschen der aus dem Eigentumsvorbehalt abgeleiteten Rechte der Klägerin nur aus der behaupteten vollständigen Erfüllung des angemessenen korrigierten Vertrages ableitet.
Die weiteren Ausführungen der Rekurswerberin vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Ob die Geldforderung der Klägerin auf Rückzahlung des restlichen Darlehens zu Recht besteht, ist im vorliegenden Herausgabeprozeß nicht zu prüfen. Eine Ausdehnung des Eigentumsvorbehaltes über die zedierte Kaufpreisforderung (abzüglich einer im obigen Sinn allenfalls gerechtfertigten Preisminderung) hinaus auf die gesamte Darlehensforderung käme, wenn letztere entgegen der Meinung Bydlinskis (421 ff.) überhaupt als selbständig anzusehen wäre, einer Erweiterung des dinglichen Rechtes gleich, die nach herrschender österreichischer Rechtsansicht im Gesetz nicht gedeckt ist. Eine auch als horizontale Fortentwicklung des Eigentumsvorbehaltes bezeichnete Ausdehnung desselben auf andere Forderungen als jene, die der Verkäufer aus dem besonderen Kaufvertrag über die unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Sache besitzt, ist wegen des sonst allzu leicht umgehbaren Grundsatzes der Spezialität eines Pfandrechtes demnach nicht zulässig und unwirksam (Bydlinski, 426 und 678; SZ 44/64; SZ 46/38 unter Hinweis auf Frotz, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechtes, 197 und Koziol, JBl. 1969, 392 ff. und andere Entscheidungen).
Die Behauptung der Rekurswerberin, daß der Preisminderungsausspruch mit Rücksicht auf ein Anerkenntnis der zedierten Kaufpreisforderung nicht mehr eingewendet werden könnte (vgl. hiezu jedoch Bydlinski, 398 ff., und die Entscheidung ZAS 1975/11), ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich. Die Rekurswerberin hat nämlich im erstinstanzlichen Verfahren keineswegs ein Anerkenntnis der zedierten Kaufpreisforderung durch den Beklagten behauptet, sondern den Klagsanspruch aus dem Kreditvertrag abgeleitet. Sie kann sich aber auch nicht auf den Ausschluß von Einreden aus der Gewährleistung im Punkte III ihrer allgemeinen Finanzierungsbedingungen berufen. Abgesehen davon, daß sich dieser vereinbarte Ausschluß von Einwendungen bloß auf Gewährleistungsansprüche bezieht, hier aber eine Vertragsanfechtung wegen Irreführung vorliegt, wäre ein Verzicht auf eine Einrede letzterer Art als sittenwidrig unwirksam (SZ 41/33 u. a.).
Der Rekurswerberin mangelt hinsichtlich der auf das Verhalten des Verkäufers gestützten Arglisteinrede auch nicht die Passivlegitimation. Die Klägerin ist ja infolge Zession dieser ganzen Kaufpreisforderung die einzige Gläubigerin des Beklagten geworden und sie kann nach dem oben Gesagten den Klagsanspruch auf Herausgabe des Kaufgegenstandes nur auf einen solchen Eigentumsvorbehalt stützen, der nicht schon durch Vollzahlung erloschen ist. Dem Beklagten bleibt deshalb nach § 1396 ABGB das Recht, seine Einwendungen gegen die Forderung gegen den ihm bekannt gegebenen Übernehmer anzubringen. Dazu zählt so wie etwa die Einrede des nichterfüllten Vertrages (Entscheidung 13 zu § 1396 in Manz, ABGB[29]) auch die Geltendmachung eines Anspruches auf Vertragskorrektur im Sinne des § 872 ABGB (vgl. Wolff in Klang[2] VI, 316). Die Entscheidung GlU 14 842 betraf einen anders gelagerten Fall, weil dort nicht der Zessionar des Verkäufers, sondern ein zufällig befriedigter Gläubiger desselben auf Rückzahlung geklagt wurde.
Im Ergebnis hat daher das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß die vom Beklagten behauptete listige Irreführung durch die Verkäuferin des PKWs und weiters die Frage geprüft werden muß, ob diese den Vertrag bei irrtumsfreiem Handeln gerade in der Weise geschlossen hätte, die der Beklagte nun seiner Behauptung, den angemessen korrigierten Vertrag erfüllt zu haben, zu Gründe legt. Die Rekursbehauptung, daß dies zweifelsfrei nicht der Fall gewesen wäre, entbehrt einer entsprechenden Feststellung der Untergerichte und ist auch deshalb unbeachtlich, weil der OGH Erhebungsaufträgen des Berufungsgerichtes, die nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhen, nicht entgegentreten kann.
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