Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.117,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 720,-- Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 1. September 1969 geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Die Beklagte hat aus erster Ehe drei Kinder: den am 1. Dezember 1957 geborenen Manfred G***, den am 24. November 1958 geborenen Günter G*** und den am 10. März 1960 geborenen Wolfgang G***. Beide Parteien sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war Wien. Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Die Beklagte habe ihn in seinem Wunsch nach einem eigenen Kind so lange vertröstet, bis es für eine eigene Nachkommenschaft zu spät gewesen sei. Sie habe das Wirtschaftsgeld für ihre Kinder verwendet und diese nicht zur Beitragsleistung herangezogen. Sie habe ihn wiederholt beschimpft, ihm Briefe entwendet, ihre Freizeit allein verbracht und den ehelichen Verkehr verweigert. Seit Feber 1983 führe sie für ihn auch nicht mehr den Haushalt. Die Beklagte bestreitet die ihr angelasteten Eheverfehlungen, stellt jedoch einen Mitschuldantrag. Sie lastet dem Kläger die Delogierung ihrer beiden jüngeren Söhne an. Der Kläger habe sie beschimpft, sich um sie nicht gekümmert und seine Freizeit allein verbracht; er habe ungerechtfertigte Anzeigen gegen sie bei der Wiener Gebietskrankenkasse und gegen ihren ältesten Sohn bei der Staatsanwaltschaft Wien erstattet. Am 1. Februar 1984 habe er sie aus der Ehewohnung ausgesperrt, am 11. Februar 1984 habe er das Schlafzimmer versperrt, und am 18. September 1984 habe er sie mißhandelt.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Scheidung der Ehe aus beiderseitigem gleichteiligem Verschulden ab. Es führte eine teilweise Beweiswiederholung durch und legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:
Das Eheleben der Streitteile verlief zunächst harmonisch. Für den Unterhalt der drei Kinder der Beklagten aus erster Ehe kam deren Vater nur etwa 4 bis 5 Jahre unzureichend auf. Der Kläger arbeitete als Maurer, die Beklagte war hauptsächlich im Haushalt tätig, verdiente aber als Bedienerin etwas hinzu. Im wesentlichen erhielt der Kläger aber nicht nur die Beklagte, sondern auch deren Kinder aus erster Ehe, zumindest ab dem Zeitpunkt, als deren Vater seine Zahlungen eingestellt hatte. Der Kläger gab der Beklagten seinen ganzen Lohn als Wirtschaftsgeld. Auch die Kinderbeihilfe für die Kinder stellte er ihr zur Verfügung. Er arbeitete auch an Wochenenden; den hiebei erzielten Verdienst verwendete er aber zum Großteil für sich.
Günter und Wolfgang G*** besuchten je eine Lehre. Während ihrer Lehrzeit kam es zwischen den Parteien zu Diskussionen über einen allfälligen Kostenbeitrag zur Haushaltsführung. Die Beklagte stellte sich mit ihren Söhnen gegen den Kläger und war auch nicht einverstanden damit, daß ein Teil der Lehrlingsentschädigung auf ein Sparbuch für die Kinder eingezahlt werde. Die Lehrlingsentschädigung behielten daher die Kinder zur Gänze. Sie bestritten davon ihre Kleidungskosten. Der Kläger kam weiterhin für ihren Lebensunterhalt auf. Nachdem Günter und Wolfgang ihre Lehre beendet hatten, forderte der Kläger von ihnen zunächst einen Kostenbeitrag von je S 1.500, später von je S 2.000 monatlich als Beitrag zur Haushaltsführung. Damals verdienten Günter und Wolfgang monatlich netto etwa je S 6.000 bis 7.000. Der Kläger verdiente etwa S 8.000 monatlich netto. Er wollte die Kostenbeiträge von seinen Stiefsöhnen zu eigenen Handen. Die Beklagte behauptete, daß Günter und Wolfgang Beiträge zur Haushaltsführung leisteten, sie verweigerte dem Kläger jedoch jede Auskunft über die Höhe und die Verwendung dieser Beiträge. Der Kläger hatte den Eindruck, daß die Beklagte und seine beiden Stiefsöhne Günter und Wolfgang gegen ihn zusammenhielten und daß Günter und Wolfgang in Wirklichkeit keinen Beitrag für den gemeinsamen Haushalt leisteten. Durch dieses Verhalten der Beklagten kam es zu den ersten Differenzen zwischen den Ehegatten, womit die Zerrüttung der Ehe eingeleitet wurde. Der Kläger begann sich von der Familie abzuwenden. Da Günter und Wolfgang seiner Meinung nach zur Haushaltsführung nichts beitrugen, entschloß er sich im April 1982 zu einer Räumungsklage gegen die beiden und ließ sie schließlich delogieren. Die Delogierung regte die Beklagte so auf, daß sie immerfort weinen mußte und zweimal eine Psychologin aufsuchte, mit der sie ihre Ehesituation besprach. Nach der Delogierung von Günter und Wolfgang verweigerte die Beklagte dem Kläger den ehelichen Verkehr, obwohl er ihn haben wollte. Die Beklagte erklärte, daß er dies nicht brauche, wenn er schon ihre Kinder hinausgeworfen habe. Etwa ab diesem Zeitpunkt sprachen die Streitteile fast nichts mehr miteinander und es kam zu häufigen Streitigkeiten zwischen ihnen. Sie verbrachten ihre Freizeit zunehmend allein, wobei der Kläger auch weiterhin an Wochenenden häufig arbeitete. Die Beklagte verbrachte ihre Freizeit oft bei Bekannten. Die Ehegatten beschimpften sich in der Folge gegenseitig, wobei der Kläger Schimpfworte wie "Hure, Drecksau, Schlampe" und die Beklagte Schimpfworte wie "Hurenbock, Peitschenbua, Praterbua" gebrauchte. Ab Oktober 1982 hatte die Beklagte etwa alle 14 Tage Blutungen und ließ deshalb an sich eine Curretage vornehmen. Am 28. Dezember 1982 brachte der Kläger die Ehescheidungsklage ein. Im Feber 1983 lehnte es die Beklagte ab, für den Kläger die Wäsche zu waschen. Noch vor dem Mai 1983 verschlechterte sich die Ehesituation weiter, beide Streitteile kauften getrennt die von ihnen benötigten Lebensmittel ein, die Beklagte kochte für den Kläger nicht mehr. Daß der Kläger zu ihr gesagt hätte, sie brauche für ihn nicht mehr den Haushalt zu führen, konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger reduzierte daraufhin das Haushaltsgeld auf monatlich ca. 1.000 S, zahlte aber die Fixkosten für die Ehewohnung weiter. Die Beklagte verdiente durch Bedienungen ca. 3.000 S monatlich.
Im Mai 1983 mußte sich die Beklagte einer Operation unterziehen. Der Kläger besuchte sie während ihres Krankenhausaufenthaltes nicht. Die Beklagte rief ihn zweimal vom Krankenhaus an, weil sie auf einem Antragsformular der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien eine Unterschrift des Klägers für einen Erholungsaufenthalt benötigte. Der Kläger verweigerte diese Unterschrift mit den Worten: "Was gehst Du mich noch an". In der Folge erstattete er bei der Krankenkasse die Anzeige, daß die Beklagte aus ihrer Tätigkeit als Bedienerin Nebeneinkünfte erziele und stellte zur Diskussion, ob sie einen Anspruch auf Mitversicherung habe. Von der Krankenkasse wurde diese Mitteilung aber nicht berücksichtigt. Nach der Entlassung der Beklagten aus dem Krankenhaus pflegte sie der Kläger nicht. Sophie D***, die sich zur Betreuung der Beklagten angeboten hatte, wies der Kläger nach einigen Tagen wegen Differenzen über die Wohnmöglichkeiten aus der Ehewohnung.
Am 1. Februar 1984 kam es zwischen den Streitteilen zu Beschimpfungen und heftigen Streitigkeiten. Der Kläger hielt der Beklagten vor, daß ihre Söhne bei der Tagsatzung am 1. Februar 1984 im Ehescheidungsverfahren falsch ausgesagt hätten. Er versetzte der Beklagten auch einen heftigen Stoß gegen den linken Oberarm und wollte sie ins Gesicht schlagen. Die Beklagte flüchtete zur Nachbarin. Als sie um 23 Uhr wieder in die Ehewohnung zurückkehren wollte, fand sie die Wohnungstür versperrt vor. Der Schlüssel steckte innen, sodaß sie nicht aufsperren konnte. Nach mehrmaligem Läuten und Klopfen verständigte sie die Polizei. Aufgrund der Intervention von zwei Polizeibeamten öffnete der Kläger die Tür und ließ die Beklagte wieder in die Ehewohnung ein. Er wies sie jedoch in der Folge aus dem Schlafzimmer und hatte auch ihre Wäsche bereits in das Wohnzimmer geräumt. Am 11. Februar 1984 montierte der Kläger an der Schlafzimmertür ein zusätzliches Schloß und versperrte das Schlafzimmer. Die Beklagte brachte deshalb eine Besitzstörungsklage ein, auf die ein Versäumungsendbeschluß erging. Am 18. September 1984 kam es zu einem neuerlichen Streit, bei dem der Kläger die Beklagte mit der Faust auf den Hinterkopf schlug. Der Kläger erstattete auch einmal eine unberechtigte Strafanzeige gegen den Sohn der Beklagten Manfred wegen einer Unterschriftsfälschung. Dieses Verfahren wurde eingestellt.
Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sei der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines der Ehegatten nur dann gerechtfertigt, wenn der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortrete. Dies sei hier nicht der Fall. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten in bezug auf die Beitragsleistungen ihrer selbsterhaltungsfähigen Söhne zum gemeinsamen Haushalt die erste Ursache für die Zerrüttung der Ehe gesetzt. Die Räumungsklage des Klägers sei eine überschießende Reaktion gewesen, die Beklagte hätte aber darauf nicht mit der Verweigerung des ehelichen Verkehrs und mit dem Abbruch der Gespräche mit dem Kläger reagieren dürfen. Dies habe zusammen mit den Streitigkeiten zwischen den Parteien zur endgültigen Zerrüttung der Ehe geführt. Diese sei aber im Zeitpunkt des Krankenhausaufenthaltes der Beklagten bereits eingetreten gewesen, sodaß die weiteren Eheverfehlungen des Klägers nicht mehr ursächlich für die Zerrüttung der Ehe gewesen seien.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Mit den Revisionsausführungen zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wendet sich die Rechtsmittelwerberin nur gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes. Die Beweiswürdigung kann aber auch im Eheverfahren nicht mehr mit der Revision bekämpft werden (EFSlg. 6951).
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Schuld des einen Ehegatten erheblich schwerer ist und das Verschulden des anderen so in den Hintergrund tritt, daß der Unterschied offenkundig zutage tritt (EFSlg. 48.833 f mwN), ist zutreffend und wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen. Richtig hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß Eheverfehlungen, die nach der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen wurden, bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle spielen, weil im allgemeinen ein Zusammenhang zwischen den neuen Eheverfehlungen und der Zerrüttung der Ehe fehlt (EFSlg. 48.829, 48.769 ua). Von diesen Grundsätzen ausgehend ist aber der Schuldausspruch des Berufungsgerichtes zu billigen. Abzulehnen ist der Standpunkt der Beklagten, daß ihr Verhalten in bezug auf die Beitragsleistungen ihrer selbsterhaltungsfähigen Söhne zum gemeinsamen Haushalt keine schwere Eheverfehlung darstellt. Der Kläger war für die Kinder der Beklagten, die im gemeinsamen Haushalt lebten und dort auch verpflegt wurden, nicht unterhaltspflichtig. Wenn er dennoch für den Unterhalt der Kinder aufkam, konnte er jedenfalls nach Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit der Kinder einen angemessenen Beitrag zu den Kosten der gemeinsamen Haushaltsführung verlangen; dies umso mehr, als er bisher seinen gesamten Verdienst der Beklagten für die Haushaltsführung zur Verfügung gestellt hatte und das Nettoeinkommen der beiden jüngeren Söhne der Beklagten nicht wesentlich unter dem Einkommen des Klägers lag. Daß die Beklagte dem Kläger keine Auskunft über die Beiträge ihrer Kinder gab, stellt eine schwere Eheverfehlung dar, mußte dies zusammen mit dem vorangegangenen Verhalten der Beklagten bei der Frage der Ansparung eines Teiles der Lehrlingsentschädigung beim Kläger doch den berechtigten Eindruck erwecken, daß die selbsterhaltungsfähigen Söhne der Beklagten keine oder keine ausreichenden Beiträge zur gemeinsamen Haushaltsführung leisten. Dieses Verhalten der Beklagten war mit einer umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar und stellt daher eine schwere Eheverfehlung dar. Nach Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit der Söhne der Beklagten konnte der Kläger von ihnen aber auch die Räumung der Ehewohnung verlangen, ohne damit schon eine eheliche Pflicht zu verletzen. Keinesfalls rechtfertigte aber die Delogierung ihrer beiden jüngeren Söhne die gänzliche Verweigerung des ehelichen Verkehrs durch die Beklagte. Zu den dann folgenden Streitigkeiten und Beschimpfungen trugen beide Ehegatten in gleichem Maße bei. Beizupflichten ist dem Berufungsgericht auch darin, daß noch vor dem Mai 1983 nach Einbringung der Scheidungsklage und nach Einstellung der gemeinsamen Haushaltsführung die Ehe unheilbar zerrüttet war, weil keinerlei Gemeinschaft mehr zwischen den Ehegatten bestand. Eine unheilbare Zerrüttung ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem der beiden Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (EFSlg. 46.178 ua). Den nach dem Mai 1983 begangenen Verfehlungen des Klägers kommt daher im Sinne der obigen Darlegungen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Nach dem Gesamtverhalten der Ehegatten vor diesem Zeitpunkt kann aber nicht gefunden werden, daß die Eheverfehlungen der Beklagten derart in den Hintergrund treten, daß der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers gerechtfertigt wäre. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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