Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Gegen den vom Erstgericht antragsgemäß erlassenen Wechselzahlungsauftrag über S 20.000,-- s.A. wendete die beklagte Partei ein, daß ihrem Geschäftsführer nach dem Verlust seines Bargeldes beim Bakkarat in einem Marktcafe in Ottakring von einem Mitspieler Geld zum Weiterspielen angeboten worden sei. Nach dem Verlust dieses Betrages habe der Geschäftsführer der beklagten Partei einen Wechsel über S 20.000,-- unterschrieben, um das Lokal verlassen zu können.
Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag im Umfang von S 17.500,-- s.A. auf. Nach seinen Feststellungen machte Johann N***, der Geschäftsführer und Gesellschafter der beklagten Partei, in der Nacht vom 9.1. auf den 10.1.1985 in Begleitung eines Taxilenkers eine Gasthaustour durch Wien. Der Taxilenker brachte Johann N*** in den Morgenstunden in das Cafe des mehrfach vorbestraften Ferdinand M***. Im Extrazimmer des Lokals wurde Bakkarat gespielt. Johann N*** und der Taxilenker beteiligten sich an dem Spiel. Nach wechselndem Spielglück verlor Johann N*** seine ganze Barschaft. Er lieh sich von Ferdinand M*** S 10.000,-- aus, die er jedoch gleichfalls beim Spielen verlor. Daraufhin begaben sich der Taxilenker und Johann N*** in die Gaststube. An der Theke hielt sich der Kläger auf, der im Lokal Schankgehilfe war, jedoch damals dienstfrei hatte. Der Kläger wußte vom Glücksspiel im Extrazimmer. Es war ihm auch klar, daß Johann N***, der über Vermittlung des Taxilenkers vorstellig wurde, wegen des Spieles Geld brauchte. Der Kläger zählte dem Johann N*** S 20.000,-- zu und ließ sich von diesem den Wechsel unterfertigen. Der Kläger hielt es ernstlich für möglich, daß Johann N*** mit dem Geld spielen werde und billigte dies. Johann N*** begab sich mit dem Taxilenker wieder in das Extrazimmer, setzte das Spiel fort und verlor das vom Kläger erhaltene Darlehen bis auf S 2.500,--.
Nach der Meinung des Erstgerichtes liege ein Darlehen zum Zwecke eines verbotenen Spieles vor, das im Umfang des verlorenen Betrages nicht zurückgefordert werden könne.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es den Wechselzahlungsauftrag zur Gänze aufrecht erhielt. Es erklärte die Revision für zulässig. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes falle dem Kläger bei der Darlehensgewährung nur dolos eventualis zur Last, weil er nicht gewußt habe, daß Johann N*** mit dem Darlehen ein verbotenes Spiel spielen werde, sondern dies nur für möglich gehalten und gebilligt habe. Für den Tatbestand des § 1174 Abs.2 ABGB reiche jedoch dolos eventualis nicht aus. Aus dem Wortlaut "zum Zwecke eines verbotenen Spieles" ergebe sich, daß Absichtlichkeit im Sinne des § 5 Abs.2 StGB gefordert werde. Eine solche Schuldform könne dem Kläger nicht angelastet werden.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist berechtigt.
Nach § 1174 Abs.2 ABGB kann ein zum Zwecke eines verbotenen Spieles gegebenes Darlehen nicht zurückgefordert werden. Diese Bestimmung wurde durch die 3.TN zum ABGB eingefügt. Wie das Preußische Landrecht und das Westgallizische Gesetzbuch enthielt auch der sogenannte Urentwurf zum ABGB eine Bestimmung, daß demjenigen, der zu einer Wette oder zu einem Spiele oder zur Bezahlung eines durch eine Wette oder durch ein Spiel erlittenen Verlustes ein Darlehen gewährt, kein Klagerecht gegen den Darlehensnehmer zusteht. Diese Bestimmung wurde jedoch letztlich, ungeachtet der vorgesehenen Einfügung des Wortes "wissentlich" wieder gestrichen (Ofner, Prot. II 155 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte nicht in jedem einzelnen Fall untersucht werden, wozu der Darlehensnehmer das Geld verwenden will. Nach einhelliger Auffassung konnten Darlehen, die zu einem erlaubten Spiel gegeben wurden, zurückgefordert werden. Streit herrschte im Schrifttum aber darüber, was Rechtens ist, wenn das Darlehen zu einem verbotenen Spiel gegeben wurde. Nach der einen Auffassung stand dem Darlehensgeber auch in diesem Fall ein Rückforderungsrecht zu, die Vertreter der Gegenmeinung sprachen dem Darlehensgeber unter Berufung auf § 1174 ABGB aF das Rückforderungsrecht ab (Krasnopolski III 451 mwN). Ebenso uneinheitlich war auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes: In den Entscheidungen GlU 3.995, 5.764, 9.490 und GlUNF 1 wurde im wesentlichen unter Berufung auf § 1174 ABGB aF - zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung - die Unklagbarkeit eines wissentlich zu einem verbotenen Spiel gegebenen Darlehens bejaht; in den Entscheidungen GlU 4.021, 4.144, 4.426, 7.030 und 9.959 wurde die Klagbarkeit im wesentlichen aus der Erwägung zugestanden, daß die Verwendung der Darlehensvaluta für die Gültigkeit des Darlehensvertrages gleichgültig sei. Wie sich aus dem Schrifttum und der Rechtsprechung ergibt, beschränkte sich der Meinungsstreit auf jene Fallgruppe, bei der der Darlehensgeber positiv wußte, daß das Darlehen für ein verbotenes Spiel verwendet wird oder er diesen Verwendungszweck jedenfalls billigend in Kauf nahm. Die 3.TN zum ABGB nahm die Revision des § 879 ABGB zum Anlaß, die Streitfrage über die Klagbarkeit von Darlehen zu verbotenem Spiel in dem Sinne zu entscheiden, daß solche Darlehen nicht zurückgefordert werden können. Eine solche Bestimmung wurde zwar für entbehrlich erachtet und hervorgehoben, daß wohl nur die wissentliche Darlehensgewährung zu einem verbotenen Spiel betroffen sein soll (Till, Der Entwurf einer österreichischen Zivilgesetznovelle 30; Mayr in JBl.1908, 424). Der Gesetzgeber hielt jedoch aus der Erwägung an der Bestimmung fest, daß jedes Mittel zur Erschwerung des Hasardspieles versucht werden müsse (Schey, Materialien zur 3.TN 371 f). Die Entstehungsgeschichte und der Regelungszweck des § 1174 Abs.2 ABGB lassen somit deutlich erkennen, daß für den Ausschluß der Klagbarkeit eines Darlehens für ein verbotenes Spiel in subjektiver Hinsicht zwar die Kenntnis des Verwendungszweckes durch den Darlehensgeber erforderlich ist, es jedoch genügt, daß die Verwendung des Darlehens zu einem verbotenen Spiel ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird. Einer besonderen Absichtlichkeit des Darlehensgebers im Sinne des strafrechtlichen dolus directus specialis bedarf es nicht. Der Auffassung des Berufungsgerichtes kann daher nicht gefolgt werden. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wußte der Kläger, daß Johann N*** das Darlehen wegen des Glückspieles brauchte. Unklar war für ihn, wie sich aus der weiteren Urteilsbegründung zweifelsfrei ergibt, lediglich, ob Johann N*** das Darlehen zur Bezahlung von Spielschulden oder zum Weiterspielen verwenden werde. Dem kommt aber deshalb keine Bedeutung zu, weil der Kläger die Verwendung des Darlehens zum Weiterspielen ernsthaft für möglich hielt und diese Verwendung billigte und das Darlehen nach den weiteren Feststellungen des Erstgerichtes letztlich zu diesem Zwecke auch verwendet wurde. Daß es sich um ein verbotenes Spiel im Sinne des § 168 StGB und des § 1 Abs.1 GlückspielG handelte (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB Anm.5 zu § 168 Z 6; SZ 54/157) ist nicht zweifelhaft und zwischen den Parteien auch nicht strittig. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes könnte das Darlehen demnach nach § 1174 Abs.2 ABGB nicht zurückgefordert werden. Die tatsächlichen Schlußfolgerungen des Erstgerichtes wurden jedoch vom Kläger in seiner Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht hat, ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht, die Beweisrüge unerledigt gelassen.
Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.
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