OGH 7Ob573/93

OGH7Ob573/936.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma "F***** Aktiengesellschaft, ***** Mazedonien, vertreten durch Dr.Wolf Günther Auer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Firma G***** Agency, ***** vertreten durch Dr.Helmut Köllensperger, Rechtsanwalt in Wels, wegen DM 718.873,72 s.A., infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 9.Juni 1993, GZ 4 R 77/93-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 9.März 1993, GZ 1 Cg 35/93d-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung über den Antrag auf Auferlegung einer aktorischen Kaution zu treffen.

Die Rekurskosten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin, ein Unternehmen mit dem Sitz in Skopje/Mazedonien, begehrt von der beklagten Österreicherin die Bezahlung von DM 718.873,72 s.A. zum Tageskurs der Wiener Börse am Zahlungstag für auftrags- und ordnungsgemäße Lieferung von verschiedenen Handelswaren.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, sämtliche Lieferungen der Klägerin bezahlt zu haben, ihr stehe sogar ein Guthaben gegenüber der Klägerin zu. Die Beklagte beantragte, der Klägerin eine aktorische Auktion in Höhe von zumindestens S 200.000,-- aufzuerlegen, weil nicht gewährleistet sei, daß ein allenfalls von der Beklagten ersiegter Prozeßkostentitel gegen die Klägerin in Mazedonien einbringlich gemacht werden könne.

Das Erstgericht legte der Klägerin antragsgemäß eine Prozeßkostensicherheitsleistung von S 250.000,-- auf. Zwischen Österreich und Mazedonien bestünde keine Vereinbarung, die vom Erlag einer Prozeßkostensicherheit befreie. Der zwischen Österreich und der SFR Jugoslawien geschlossene Rechtshilfevertrag sei auf Mazedonien nicht weiter anwendbar.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs der Klägerin diese Entscheidung im Sinne einer Antragsabweisung ab. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Das Rekursgericht teilte aufgrund einer Anfrage an das Bundesministerium für Justiz mit, daß die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Mazedonien von Österreich durch die Zustimmung zur Aufnahme in die Vereinten Nationen de facto anerkannt worden ist.

Rechtlich folgerte das Rekursgericht, daß nach der Wiener Konvention über die Staatennachfolge mit dem Vorläuferstaat geschlossene völkerrechtliche Verträge aufgrund des "Konzeptes der automatischen Nachfolge" während einer Übergangszeit bis zu einem Jahr pragmatisch weiter anzuwenden sind. Es sei daher davon auszugehen, daß eine Entscheidung eines österreichischen Gerichtes, die der Klägerin eine Prozeßkostenersatzpflicht auferlege, in Mazedonien von der Beklagten vollstreckt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung von der Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Gemäß § 57 ZPO hat ein Ausländer, wenn er vor einem österreichischen Gericht als Kläger auftritt, dem Beklagten auf dessen Verlangen für die Prozeßkosten Sicherheit zu leisten, soferne durch Staatsverträge nicht etwas anderes festgesetzt ist. Eine solche Verpflichtung zur Sicherheitsleistung tritt nicht ein, wenn eine gerichtliche Entscheidung, die dem Kläger den Ersatz der Prozeßkosten an den Beklagten auferlegte, in dem Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers vollstreckt wurde. Die Auferlegung einer aktorischen Kaution dient dem Schutz der vor inländischen Gerichten von Ausländern belangten Österreichern vor mißbräuchlicher oder kostenverursachender Rechtsanmaßung. Von der Sicherheitsleistungspflicht sind ausländische Kläger dann nach Abs.1 leg.cit. befreit, wenn durch Staatsverträge eine Prozeßkostenbefreiung vereinbart wurde - diese Staatsverträge stellen zwingendes Recht dar - oder wenn Gegenseitigkeit besteht. Ob ein österreichisches Urteil im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Klägers vollstreckt werden kann, hat das Gericht von Amts wegen gemäß § 4 Abs.1 IPRG zu ermitteln; es kann dazu auch Sachverständige bestellen oder das Bundesministerium für Justiz um eine - das Gericht nicht bindende - Auskunft ersuchen (vgl. Fasching LB2 Rz 476). Daß die Gegenseitigkeit vertraglich verbürgt ist, wird daher nicht gefordert, über das Bestehen der Gegenseitigkeit muß aber Gewißheit herrschen, bloße Vermutungen reichen für die Befreiung vom Erlag der aktorischen Kaution nicht aus. Ergibt eine Auskunft des Bundesministeriums für Justiz, daß es nicht in der Lage sei, Wahrnehmungen über die Beachtung der Gegenseitigkeit durch die Gerichte des Heimatstaates der Klägerin mitzuteilen, dann ist die Prozeßkostensicherheit aufzuerlegen (vgl. Fasching, Kommentar Bd.II, 392). Die Zustimmung Österreichs zur Aufnahme Mazedoniens, einem ehemaligen Teilstaat Jugoslawiens, als selbständiger Staat in die Vereinten Nationen stellt eine konkludente Anerkennung der Selbständigkeit dieses Staates dar (vgl. Neuhold, Hummer, Schreuer, Handbuch des Völkerrechtes2 Bd.I Rz 740). Daraus ergibt sich, daß die von Österreich mit der früheren SFR Jugoslawien abgeschlossenen Rechtshilfeverträge gegenüber der Republik Mazedonien nicht mehr Staatsverträge im Sinne des § 57 Abs.1 ZPO darstellen. Neu entstandene Staaten wollen mit einem "clean slate" starten oder selbst bestimmen, welche früheren Verträge aufrecht bleiben sollen ("pick and shoose"). Diese Regelung für "newly independent States" findet sich auch in der Wiener Konvention vom 23.8.1978, die aber entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes mangels Beitritt von mindestens 15 Staaten noch nicht Bestandteil des Völkerrechtes geworden ist. Nach verbreiteter Ansicht und Praxis bleiben aber nicht nur Grenzverträge, sondern auch andere territoriale Regime-(sogenannte "radizierte" Verträge) von der Staatensukzession unberührt. Die Republik Österreich hat sich, wie aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage über den Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien betreffend die Weiteranwendung bestimmter österreichisch-jugoslawischer Staatsverträge (734 BlgNR XVIII.GP) ersichtlich ist, gegenüber diesem Nachfolgestaat der ehemaligen SFR Jugoslawien zu einer "pragmatischen Weiteranwendung" solcher bestehender Verträge entschlossen. Allerdings wird in der Regierungsvorlage zum Notenwechsel mit Slowenien anerkannt, daß dieser Staat nicht automatisch in alle völkerrechtlichen Verträge zwischen Österreich und dem Gebietsvorgänger der SFR Jugoslawien eintritt. Nach einer vom Bundeministerium für Justiz eingeholten Auskunft wird der Rechtshilfeverkehr mit der Republik Mazedonien in der bisher mit der SFR Jugoslawien gepflogenen Form weiterhin ausgeübt. Ob gegenüber der während des Bestehens der SFR Jugoslawien bestehenden Gesetzeslage im Bereich des Zivilrechtes von der Republik Mazedonien zwischenzeitige Änderungen vorgenommen worden sind, war auch vom Obersten Gerichtshof nicht zu erheben. Mazedonien ist bisher auch noch nicht dem Haager Prozeßübereinkommen beigetreten. Die dem Völkerrecht bislang nur bei "radizierten Verträgen" bekannte "pragmatische Weiteranwendung" von Staatsverträgen, signalisiert aber nur dem Nachfolgestaat, bisher mit der SFR Jugoslawien abgeschlossenen Verträge auch weiterhin für verbindlich anzusehen. Gerade der Notenwechsel der Republik Österreich mit Slowenien zeigt aber auf, daß eine solche Geste bis zur rechtsverbindlichen Vereinbarung den damit angesprochenen Nachfolgestaat in keiner Weise binden kann. Im Gegensatz zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16.12.1992 zu 2 Ob 69/92 fehlt im vorliegenden Fall das dort entscheidende Erhebungsergebnis, daß der dortige Nachfolgestaat Kroatien rechtsverbindlich erklärt hat, in die von der SFR Jugoslawien geschlossenen Staatsverträge einzutreten. Bei der Republik Mazedonien fehlt sohin ein Nachweis, daß dieser Staat sich gegenüber Österreich rechtsverbindlich an die früher von der SFR Jugoslawien geschlossenen Verträge weiterhin einhalten wird. Die Wahrnehmungen des Bundesministeriums für Justiz, daß die bisher gepflogene Praxis bei Rechtshilfeersuchen weiterhin von Mazedonien eingehalten wird, beziehen sich auf Rechtshilfeersuchen und sagen nichts über die Vollstreckbarkeit oder Nichtvollstreckbarkeit österreichischer Exekutionsitel in Mazedonien aus. Da nach § 57 Abs.2 Z 4 ZPO das Verhalten des Staates, in dem der ausländische Kläger seinen Sitz hat, gemäß § 4 Abs.1 IPRG amtswegig zu ermitteln ist, ist es geboten, daß das Erstgericht beim Justizministerium der Republik Mazedonien anfragt, ob und inwieweit die vollstreckbarkeit eines österreichischen Titels in Mazedonien gewährleistet ist, wobei um die Darlegung der entsprechenen interstaatlichen Normen, die diese Vollstreckbarkeit österreichischer Titel garantieren sollen, ersucht werden soll. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die Einholung einer derartigen Anfrage aufzutragen. Sollte diese Anfrage nicht binnen angemessener Frist oder nur ungenügend beantwortet einlangen, so müßte davon ausgegangen werden, daß die Gegenseitigkeit mit Mazedonien nicht bescheinigt ist und der klagenden Partei eine aktorische Kaution aufzuerlegen ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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