Spruch:
Die auf einem Bestellschein festgehaltene Verpflichtung des Verkäufers, eine gekaufte Waschmaschine kostenlos vorzuführen, kann nach den Regeln des redlichen Verkehrs nur so verstanden werden, daß dem Käufer das Recht eingeräumt wird, bei Hervorkommen eines Gewährleistungsmangels anläßlich der Vorführung vom Kauf abzustehen.
Entscheidung vom 19. April 1967, 7 Ob 56/67.
I. Instanz: Bezirksgericht Ottenschlag; II. Instanz: Kreisgericht Krems.
Text
Der Beklagte hat am 27. Dezember 1965 bei dem für die Klägerin arbeitenden selbständigen Handelsvertreter Walter N. einen Waschvollautomaten Marke X. um den vereinbarten Kaufpreis von 13.980 S bestellt. Es wurde bei der Bestellung vereinbart, daß der Beklagte eine ihm gehörige Waschmaschine Marke Y. mit Zentrifuge zurückgebe, wofür ihm 5000 S gutzuschreiben waren. Außerdem wurde dem Beklagten ein Kassaskonto von 580 S gewährt, sodaß er für die bestellte Maschine 8400 S zu bezahlen und die Maschine Marke Y. samt Zentrifuge auszufolgen hatte. Der Bestellschein enthält auch folgende Vermerke: "WM (Waschmaschine) wird kostenlos vorgeführt" und "Kassa bei Zustellung". Während der Verkaufsverhandlungen hatte der Vertreter der Klägerin die Wasser- und Elektroanschlüsse im Haus des Beklagten besichtigt und erklärt, daß alle Anschlüsse auch für den zu liefernden Waschautomaten passen. Bei der Lieferung der Maschine am 23. Mai 1966 stellte der Monteur der Klägerin fest, daß ein für den Anschluß der Maschine notwendiger 3/4 Zoll-Wasserhahn fehlte, sodaß es nicht möglich war, die Maschine anzuschließen. Der Monteur schlug dem Beklagten vor, er möge einstweilen sowohl den Automaten X. als auch seine bisherige Waschmaschine Y. behalten. Der Beklagte war anfänglich mit diesem Vorschlag einverstanden, weigerte sich jedoch dann, als von ihm die Bezahlung der Rechnung begehrt wurde, den Waschautomaten zu übernehmen. Der Monteur der Klägerin nahm daraufhin den Waschautomaten wieder mit sich. In der folgenden Korrespondenz forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 27. Mai 1966 auf, bis 3. Juni 1966 seine Übernahmsbereitschaft nach Fertigstellung der Elektrizitäts- und Wasseranschlüsse darzutun, und berechnete zusätzlich für An- und Abfahrt anläßlich der neuerlichen Lieferung und für das Einwaschen 552 S. Mit Schreiben vom 1. Juni 1966 ersuchte der Beklagte die Klägerin, die Maschine ehestens vorzuführen, teilte der Klägerin mit, daß nach seiner Ansicht die Anschlußarbeiten von der Klägerin zu tragen seien und daß er eine Stellungnahme bis 10. Juni 1966 erwarte. In Erwiderung dieses Schreibens gab die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 3. Juni 1966 bekannt, daß sie ihren im Schreiben vom 23. Mai 1966 zum Ausdruck gebrachten Standpunkt aufrecht erhalte. Der Beklagte beantwortete dieses Schreiben mit Schreiben vom 6. Juni 1966, in dem er den gegenständlichen Kaufvertrag als "gegenstandslos" erklärte und auf die Lieferung "verzichtete".
Daraufhin brachte die Klägerin die Klage auf Zahlung des Kaufpreises und Ausfolgung der Waschmaschine Y. Zug um Zug gegen Übergabe der Waschmaschine X. ein und begehrte weiters aus dem Titel des Schadenersatzes 978 S. Sie beantragte für den Fall, als die Ausfolgung der Waschmaschine Y. nicht möglich sein sollte, die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 13.400 S.
Der Erstrichter wies einen Teil des Schadenersatzbegehrens, nämlich 43.50 S s. A., ab und erkannte im übrigen im Sinne des Klagebegehrens.
Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung teilweise folge, wies in Abänderung des Ersturteils das restliche Schadenersatzbegehren von 934.50 S s. A. ab und bestätigte im übrigen das Ersturteil in der Hauptsache.
Es führte aus: Der Beklagte habe sich auf die Mitteilung des Vertreters der Klägerin verlassen können, daß die Elektro- und Wasseranschlüsse den Anschluß der Waschmaschine X. gestatteten, ihn treffe daher kein Verschulden daran, daß die Maschine anläßlich ihrer Lieferung vom 27. Mai 1966 nicht habe angeschlossen werden können. Der Beklagte sei daher nicht verpflichtet, der Klägerin Ersatz für die Kosten einer zweiten Zustellung zu bezahlen. Mit Schreiben vom 1. Juni 1966 habe der Beklagte auf Zuhaltung des Vertrages bestanden und der Klägerin eine Nachfrist bis 10. Juni 1966 gesetzt. Der Beklagte sei vor Ablauf dieser Frist vom Vertrag zurückgetreten, sodaß der Rücktritt vom Vertrag wirkungslos sei. Der Beklagte habe daher der Klägerin für den Fall einer Übergabe der Waschmaschine Y. samt Zentrifuge den Betrag von 8400 S zu bezahlen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und änderte die vorinstanzlichen Entscheidungen dahin ab, daß er das Klagebegehren zur Gänze kostenpflichtig abwies.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Für die Beurteilung der beiderseitigen Standpunkte ist entscheidend, ob die Voraussetzungen für einen Rücktritt des Beklagten von dem am 27. Dezember 1965 geschlossenen Vertrag gegeben waren und ob der Beklagte seinen Rücktritt wirksam erklärt hat.
Nach dem Bestellschein hatte die Klägerin die vom Beklagten gekaufte Waschmaschine kostenlos vorzuführen. Diese Verpflichtung zur Vorführung kann nach den Regeln des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB.) nur so verstanden werden, daß dem Beklagten das Recht eingeräumt wurde, zwar nicht nach subjektivem Belieben (wie dies bei einem Kauf auf Probe der Fall gewesen wäre), wohl aber bei Hervorkommen eines objektiven Gewährleistungsmangels anläßlich der Vorführung vom Kauf abzustehen (Erfüllungskauf, vgl. SZ. XXVII 72). Die Auslegung, daß die Klägerin durch diesen in den Bestellschein aufgenommenen Passus nur die Verpflichtung übernahm, den Beklagten im Gebrauch der Waschmaschine zu unterweisen, ist nicht vertretbar, weil es sich hiebei um eine selbstverständliche Nebenverpflichtung gehandelt hätte, deren Übernahme nicht gesondert auf dem Bestellschein nachzuweisen gewesen wäre.
Zur Vertragserfüllung durch die Klägerin war daher erforderlich, daß die Klägerin den Waschautomaten X. lieferte, im Haus des Beklagten anschloß, vorführte, und daß sich kein Funktionsmangel ergab. Diesen Verpflichtungen ist die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht nachgekommen. Sie hat wohl die Waschmaschine geliefert, jedoch nicht angeschlossen und daher auch nicht vorführen können. Daran, daß der Anschluß des Waschautomaten infolge Fehlens eines passenden Wasserzulaufes nicht möglich war, trifft den Beklagten kein Verschulden, da er sich auf die Zusicherung des Vertreters der Klägerin verlassen konnte, daß die Wasser- und Elektrizitätsanschlüsse passend seien.
Aus der Verpflichtung der Klägerin zur kostenlosen Vorführung der Maschine und dem sich daraus ergebenden Recht des Beklagten, die Annahme der Maschine im Falle eines Funktionsmangels zu verweigern, ergibt sich zwangsläufig, daß der Beklagte die bestellte Waschmaschine erst nach der anstandslosen Probevorführung zu bezahlen hatte. In diesem Sinn kann der Begriff "Zustellung" nur so aufgefaßt werden, daß die Zustellung, die Montage und die klagelose Vorführung eine Einheit bilden.
Der Beklagte war daher nicht zur Zahlung der Maschine vor deren Vorführung verpflichtet. Es kann ihm deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er das Ansinnen des Monteurs, die Maschine vor deren Montage und Vorführung zu bezahlen, abgelehnt hat. Das Berufungsgericht hat daraus zwar richtig abgeleitet, daß das Verhalten des Beklagten keinen Anspruch der Klägerin begrundet habe, die Kosten einer neuerlichen Zustellung zu verlangen. Es hat jedoch daraus unrichtigerweise nicht den Schluß gezogen, daß die Klägerin durch ihr Vorgehen in Leistungsverzug geraten ist. In dem Schreiben vom 1. Juni 1966 hat der Beklagte seine Ansicht dargelegt und der Klägerin eine Frist zur Stellungnahme bis 10. Juni 1966 gestellt. Dieses Schreiben enthält jedoch weder eine Rücktrittserklärung noch die Setzung einer Nachfrist zur Vertragserfüllung.
Mit ihrem Schreiben vom 3. Juni 1966 hat aber die Klägerin eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht gewillt ist, den Vertrag laut Vereinbarung vom 27. Dezember 1965 zu erfüllen, daß sie vielmehr zusätzlich den Ersatz der Kosten der zweiten Zustellung von 552 S begehre. Der Beklagte war auf Grund dieser Erklärung der Klägerin berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, ohne eine Nachfrist zu setzen. Die Nachfristgewährung würde zur nutzlosen Formalität herabsinken, wenn der säumige Vertragspartner, der die Erfüllung in einer Weise verweigert hat, daß es ausgeschlossen erscheint, daß er eine ihm gesetzte Nachfrist zur Nachholung der Erfüllung benützen werde, dennoch zur Erfüllung innerhalb einer Nachfrist aufgefordert werden müßte (Gschnitzer in Klang[2] IV 458; Ehrenzweig[2] II/1 S. 206; EvBl. 1958 Nr. 246; SZ. XXXII 118 u. a. m.).
Da die Klägerin sowohl in ihrem Schreiben vom 27. Mai 1966 als auch in ihrem Schreiben vom 3. Juni 1966 erklärt hatte, vom Beklagten eine weitere Zahlung von 552 S zu begehren, konnte der Beklagte nicht annehmen, daß eine Nachfristsetzung mit Rücktrittsandrohung sie zum Abgehen von diesem dem Vertrage widersprechenden Standpunkt bewogen hätte. Der vom Beklagten im Schreiben vom 6. Juni 1966 ausgesprochene Rücktritt vom Vertrag war daher gerechtfertigt, obgleich er keine Setzung einer Nachfrist enthielt.
Da sich sohin die Klägerin vertragswidrig verhalten hat, der Beklagte wegen dieses vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin vom Vertrag berechtigterweise zurückgetreten ist, ist das Begehren der Klägerin auf Vertragserfüllung nicht gerechtfertigt und die Revision des Beklagten zur Gänze begrundet.
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