Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Unterinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Urteil einschließlich des unangefochtenen Teiles lautet:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 70.000,-- samt 4 % Zinsen seit 11.3.1991 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Das Mehrbegehren von S 125.896,40 samt 4 % Zinsen aus S 50.000,-- vom 11.3.1991 bis 25.6.1992 und aus S 125.896,40 seit 26.6.1992 wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei S 10.800,-- an Verfahrenskosten (Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 7.104,-- an Verfahrenskosten (Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die übrigen Verfahrenskosten werden in allen Instanzen gegeneinander aufgehoben."
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte, der damals in einem Gartenhaus wohnte, das sich im Hof des vom Kläger bewohnten Hauses befand, wollte in der Nacht vom 8. zum 9.5.1988 Kerzen gießen. Er stellte eine mit Wasser gefüllte Pfanne, in der eine Dose mit Wachs stand, auf den eingeschalteten Elektroherd und legte sich dann in ein im Nebenraum befindliches Bett, wo er einschlief. Das Wachs fing Feuer, das auf einen Vorhang übergriff. Der Kläger bemerkte den Brand, rief seinem im selben Haus wohnenden Vetter zu "Sebastian, es brennt" und lief zur Wohnung des Beklagten. Der Beklagte war inzwischen aufgewacht. Er versuchte, das Feuer zu löschen, indem er in die Pfanne blies. Dadurch fing er aber selbst Feuer. Der Kläger, der Hilfe leisten wollte, trat in den Raum, in dem sich der Beklagte befand, ein und blieb im Bereich der Eingangstür stehen. Von dort rief er dem Beklagten zu: "Schmeiß's hinaus". Der Beklagte warf die Pfanne jedoch nicht in Richtung des Fensters, sondern in Richtung der Tür, wo der Kläger stand. Die Pfanne traf den Kläger ins Gesicht. Dieser erlitt Verbrennungen zweiten und dritten Grades im Gesicht, im oberen Brustbereich und an den Armen. Der Kläger befand sich vom 9.5. bis 1.6.1988 in stationärer Behandlung im Krankenhaus. Er stand damals in keinem Beschäftigungsverhältnis und war nicht sozialversichert. Er wurde von der MA 17 der Stadt Wien aufgefordert, die Pflegegebühren von S 75.896,40 zu zahlen.
Der Kläger begehrte vom Beklagten die vorgeschriebenen Pflegegebühren und ein Schmerzengeld von S 120.000,--, somit insgesamt S 195.896,40 samt 4 % gestaffelter Zinsen.
Der Beklagte wendete ein, daß das Alleinverschulden den Kläger treffe, weil dieser bei seinem Zuruf in der offenen Tür stehen geblieben sei. Außerdem habe Sozialversicherungsschutz bestanden, weil der Kläger tatsächlich in einem Dienstverhältnis gestanden sei. Der Kläger habe seine Pflicht verletzt, das Dienstverhältnis und den Unfall bei der Sozialversicherungsanstalt zu melden. Ungeachtet dessen hätte er den Schaden bei der Sozialversicherungsanstalt geltend zu machen gehabt, weil er "Nothelfer" gewesen sei. Überdies fehle dem Kläger die aktive Klagslegitimation, weil er die Pflegegebühren noch nicht bezahlt habe.
Das Erstgericht erkannte dem Kläger die begehrten Pflegegebühren und ein Schmerzengeld von S 70.000,--, insgesamt somit S 145.896,40 sA zu. Das Mehrbegehren (an Schmerzengeld) von S 50.000,-- sA wies es rechtskräftig ab. Es vertrat die Ansicht, daß den Beklagten das Alleinverschulden an der Verletzung des Klägers treffe und der Beklagte auch die Pflegegebühren zu ersetzen habe, weil der Kläger mangels eines Arbeitsverhältnisses nicht sozialversichert gewesen sei. Der Umstand, daß der Kläger den Ersatz der Pflegegebühren in seiner Eigenschaft als Lebensretter nicht von der Krankenkasse begehrt habe, hindere den Zuspruch nicht, weil der betreffende Einwand des Beklagten im Hinblick auf das Regreßrecht der Krankenkasse schikanös sei.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat die Ansicht, daß dem Kläger zwar Versicherungsschutz nach § 176 Abs.1 Z 2 und Abs.3 ASVG zugutegekommen wäre. Der Beklagte habe aber weder behauptet noch unter Beweis gestellt, daß der Kläger die ihm im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbaren Maßnahmen nicht getroffen und die ihm zustehenden Leistungen aus der Unfallversicherung ohne triftigen Grund nicht in Anspruch genommen habe. Weiters sei zu erwägen, daß im Fall der Meldung des Unfalls bei der Sozialversicherung und entsprechender Leistung des Sozialversicherungsträgers aufgrund der allgemeinen Regreßmöglichkeit des § 332 Abs.1 ASVG keine Schadensverhinderung oder Schadensminderung eingetreten wäre. Die Bestimmung des § 334 Abs.1 ASVG, nach der ein Regreßrecht gegen den Arbeitgeber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bestehe, könne nicht auf Unfälle bei einer Hilfeleistung angewendet werden. Selbst bei Bestehen einer Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers und einer daraus resultierenden mangelnden Aktivlegitimation des Klägers wäre für den Beklagten unabhängig davon, daß dies nicht eingewendet worden sei, nichts gewonnen, weil durch die Leistungspflicht keinesfalls eine Entlastung des Schädigers bewirkt werden solle. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage des Regreßrechtes bei einem Unfall, der sich bei einer Hilfeleistung im Sinn des § 176 Abs.1 Z 2 ASVG ereigne, vorhanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Ergebnis teilweise berechtigt.
Schädigt jemand eine sozialversicherte Person und wird dadurch der Sozialversicherungsträger zu Leistungen an den Geschädigten verpflichtet, so gehen die (kongruenten) Ersatzforderungen des Geschädigten gegen den Schädiger gemäß § 332 ASVG schon im Schädigungszeitpunkt auf den Sozialversicherungsträger über, soweit dieser Leistungen zu erbringen hat, und zwar unabhängig davon, ob der Geschädigte diese Leistungen in Anspruch nimmt oder nicht (Gamerith in Rummel2 II, Rz 1a zu § 1358 ABGB; ZVR 1966/67; ZVR 1972/204). Der Geschädigte kann den Schaden nur insoweit noch selbst geltend machen, als der Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger nicht aufgrund der (zu erbringenden oder erbrachten) Leistungen des Sozialversicherungsträgers auf diesen übergegangen ist (Koziol, Haftpflichtrecht2 I, 212). Die Berücksichtigung dieser Leistungen hat nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsanrechnung zu erfolgen. Im Bereich der gesetzlichen Zessionen stellt sich das Problem der Vorteilsanrechnung nicht. Es liegt auch kein Problem der bloßen Schadensverlagerung vor. Vielmehr verliert der Geschädigte, insoweit sein Schaden durch die Leistungspflicht des Legalzessionars gedeckt und sein Ersatzanspruch kraft Gesetzes auf diesen übergegangen ist, die Aktivlegitimation gegenüber dem Schädiger (ZVR 1977/77; Reischauer in Rummel2 II, Rz 13 zu § 1312 ABGB).
Die Anwendung der Bestimmungen der §§ 333 und 334 ASVG (keine Legalzession - vgl. § 232 Abs.3 ASVG; originärer Regreß des Sozialversicherungsträgers) kommt hier nicht in Betracht, weil der Schädiger weder der Dienstgeber des Geschädigten noch eine diesem gleichgestellte Person (§ 333 Abs.1 und 4 ASVG) war.
Zu den vom Sozialversicherungsträger dem Kläger für den Fall, daß ein Versicherungsfall vorliegt, zu ersetzenden Leistungen zählen die Kosten der dem Kläger vorgeschriebenen Heilbehandlung, nicht jedoch dessen Schmerzengeldanspruch (§§ 173 ff ASVG).
Daraus folgt, daß der Kläger gegenüber dem Beklagten zur Geltendmachung des Schmerzengeldes jedenfalls legitimiert ist. Da der Beklagte in seiner Revision weder die Bestreitung seines Verschuldens noch den Mitverschuldenseinwand noch die Bekämpfung der Höhe des zuerkannten Schmerzengeldbetrages aufrecht hält, war der Revision insoweit ein Erfolg zu versagen.
Die Legitimation des Klägers zur Geltendmachung der Pflegegebühren gegenüber dem Beklagten hängt, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, allerdings davon ab, ob der mangels eines Dienstverhältnisses nicht sozialversicherte Kläger bei Ausübung einer dem § 176 Abs.1 Z 2 ASVG zu unterstellenden Tätigkeit verletzt wurde und daher gemäß § 176 Abs.1 und Abs.3 ASVG Anspruch auf diese Heilungskosten gegenüber dem Sozialversicherungsträger hat.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 10 ObS 207/89, veröffentlicht in SSV-NF 3/84 = SVSlg. 34.929 = JBl. 1989, 801 ein im wesentlichen gleichgelagertes Schadensereignis (der Kläger lief zur Brandstelle und blieb in der offenen Tür zur Küche stehen, in der bereits Einrichtungsgegenstände brannten; er rief der in der Küche befindlichen Frau zu, sie solle den am Herd stehenden Schmalztopf, aus dem Flammen schlugen, nicht anfassen; die Frau trug jedoch den Topf zur Tür, wo er ihr aus den Händen glitt; der Kläger erlitt durch das aus dem Topf herausspritzende Fett schwere Verbrennungen) als Unfall qualifiziert, der sich, wenn schon nicht bei der Rettung eines Menschen aus Lebensgefahr oder dem Versuch einer solchen Rettung, so doch bei der Hilfeleistung in einem sonstigen Unglücksfall, nämlich bei einem in einem von Menschen bewohnten Haus ausgebrochenen Brand ereignet hat. Im hier vorliegenden Fall haben nicht nur das in der Pfanne befindliche Schmelzgut und die Vorhänge gebrannt, sondern es hatten die Flammen auch bereits den Beklagten erfaßt. Es ist daher vom Vorliegen einer akuten Gefahrensituation auszugehen. Hier wie dort war der Kläger zwar noch nicht unmittelbar zur Beseitigung der Gefahr tätig. Der Kläger war aber nicht bloß passiver Zuseher, der keinerlei auf Hilfeleistung zweckbestimmt ausgerichtete Tätigkeit entfaltet hätte. Wie das Erstgericht unbekämpft feststellte, verständigte der Kläger eine weitere Person vom Brand, als er diesen bemerkte, und eilte dann sofort zur Wohnung des Beklagten, um Hilfe zu leisten. Daß er zunächst im Eingangsbereich der Wohnung des Beklagten stehen blieb und nicht sofort zum Brandherd vordrang, sondern zunächst versuchte, den Beklagten durch einen Zuruf zum Entfernen des Brandherdes aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zu veranlassen, machte ihn nicht zum untätigen Zuseher. Die Gefahr war noch keineswegs gebannt. Es bestand noch immer die Möglichkeit einer sinnvollen Hilfeleistung, wie insbesondere die auf den Beklagten übergegriffenen Flammen zu ersticken und den Beklagten aus dem Gefahrenbereich zu schaffen. Solange der Beklagte die brennende Pfanne in der Hand hielt, mußte der Kläger aber annehmen, sich nicht ohne eigene beträchtliche Gefährdung noch weiter zum Beklagten hinbegeben zu können, dem er sich - wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes im Zusammenhang mit den Einzeichnungen in der im Akt erliegenden Skizze ergibt - ohnehin bereits auf einige Meter genähert hatte. Daß der Kläger, der nach den Feststellungen der Untergerichte zur Brandstelle eilte, um zu helfen, nur deshalb im Bereich der Eingangstür stehenblieb, um von dort aus das weitere Geschehen inaktiv beobachten zu können, ist nach dem festgestellten Sachverhalt nicht zu unterstellen. Es haben daher auch im vorliegenden Fall die in der Entscheidung 10 ObS 207/89 unter ausführlichem Verweis auf Gesetzesmaterialien, Lehre und Vorjudikatur angestellten Erwägungen zu gelten, denen sich der erkennende Senat anschließt.
Daraus folgt, daß der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Heilungskosten auf den Sozialversicherungsträger übergegangen ist. Der Kläger ist daher zur Einklagung der (kongruenten) Pflegegebühren nicht legitimiert. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß sowohl seine diesbezüglichen Ansprüche gegenüber dem Sozialversicherungsträger als auch die Regreßansprüche des Sozialversicherungsträgers allenfalls verjährt sind.
Da die Rechtsrüge in der Revision zulässig ausgeführt ist und die Frage, ob die Forderung des Klägers auf den Sozialversicherungsträger übergegangen oder ob der Kläger selbst aktiv legitimiert ist, auch noch in der Revision durch die Behauptung releviert wurde, daß der Kläger Versicherungsschutz in Anspruch nehmen hätte müssen, anstatt den Beklagten zu klagen, fällt die Frage nach der Aktivlegitimation unter die von den Parteien aufrecht erhaltenen Rechtsgründe. Die rechtliche Beurteilung der zweiten Instanz war daher ohne Beschränkung auf die vom Rechtsmittelwerber in seiner vom Gericht zweiter Instanz für zulässig erklärten Revision geltend gemachten Gründe zu prüfen (vgl. Petrasch, ÖJZ 1989, 747). Diese Prüfung ergab, daß die Revision teilweise, nämlich im Hinblick auf die Pflegegebühren berechtigt ist. Die Entscheidungen der Untergerichte waren daher im Sinne einer diesbezüglichen Teilabweisung abzuändern.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf die §§ 43 Abs.1 und 50 ZPO, wobei hinsichtlich des auf das Schmerzengeld entfallenden Teilbetrages auf § 43 Abs.2 ZPO Bedacht zu nehmen war. Im Hinblick darauf, daß die Ausmittlung des Schmerzengeldes von einem Sachverständigengutachten und vom richterlichen Ermessen abhängig war und sich die Abweisung von S 50.000,-- daher kostenmäßig nicht zum Nachteil des Klägers auswirkt, war von einem etwa gleichteiligen Prozeßerfolg der Streitteile auszugehen. Gemäß § 43 Abs.1 letzter Satz ZPO haben daher die Streitteile einander jeweils die Hälfte der entrichteten Barauslagen zu ersetzen. Die übrigen Verfahrenskosten waren aber gegeneinander aufzuheben.
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