OGH 7Ob552/91

OGH7Ob552/9113.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Egermann, Dr.Niederreiter Dr.Redl und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm.Fritz Sch*****, vertreten durch Dr.Theodor Strohal und Dr.Wolfgang G.Kretschmer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien

1. Ing.Wolfgang N*****, Schweiz, 2. Dipl.Ing.Harald N*****, Schweiz, beide vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 20.Dezember 1990, GZ 41 R 827/90-35, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25.Juli 1990, GZ 47 C 618/88m-26, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Wien 9., C*****gasse *****. Gerta N***** und deren Sohn Ing.Wolfgang N*****, der Zweitbeklagte, waren Mieter der Wohnung top.Nr.9/10 in diesem Haus. Der Zweitbeklagte und sein Bruder Dipl.Ing.Harald N*****, der nunmehrige Erstbeklagte, wohnten bereits im Jahre 1963, als der Kläger das Haus gekauft hatte, nicht mehr in der aufgekündigten Wohnung, sondern hatten ihren ordentlichen Wohnsitz in der Schweiz. Gerta N***** benützte diese Wohnung bis Weihnachten 1987 regelmäßig. Sie teilte damals dem Kläger mit, daß sie nunmehr zu ihren Söhnen in die Schweiz fahre und hielt sich in der Folge auch in der Schweiz auf, wo sie am 28.6.1988 starb. Im Juni 1988 wurde das Mobiliar aus der aufgekündigten Wohnung entfernt. Noch im August 1988 erklärten die Beklagten dem Kläger, daß ihre Mutter schwer krank und im Spital sei und die Wohnung gegen eine entsprechende Ablösezahlung aufgeben möchte. Seit Weihnachten 1987 wird die aufgekündigte Wohnung von niemandem bewohnt. Auch die Beklagten haben diese Wohnung nicht benützt und sind auch nicht auf sie angewiesen. Im Februar 1990 haben die Beklagten die Wohnung von den verbliebenen Fahrnissen geräumt und einen (weiteren) Wohnungsschlüssel dem Kläger übergeben.

Mit seiner am 30.8.1988 beim Erstgericht eingelangten, gegen Gerta N***** und Ing.Wolfgang N***** gerichteten Aufkündigung kündigt der Kläger die Wohnung unter Anführung des Kündigungsgrundes gemäß § 30 Abs 2 Z 6 MRG auf. Der Zweitbeklagte wohne schon seit mehr als 20 Jahren in der Schweiz. Auch Gerta N***** sei zu Beginn des Jahres 1988 in die Schweiz gezogen; im Juni 1988 sei das gesamte Inventar aus der Wohnung entfernt worden.

Nachdem der Beklagtenvertreter das Ableben Gerta N*****s (erst in der Verhandlungstagsatzung vom 12.6.1989) dem Gericht mitgeteilt hatte, berichtigte der Kläger die Parteienbezeichnung der Erstbeklagten auf die Verlassenschaft nach Gerta N*****. Am 23.8.1989 wurde der Nachlaß Gerta N*****s beiden erblasserischen Söhnen eingeantwortet. Danach stellte der Kläger die Bezeichnung der erstbeklagten Partei auf Dipl.Ing.Harald N***** um.

Die Beklagten beantragen die Aufhebung der Aufkündigung. Die aufgekündigte Wohnung werde nach wie vor regelmäßig zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnissen der gekündigten Parteien benützt. Da Gerta N***** jedoch bereits vor der Aufkündigung gestorben sei, sei die Geltendmachung des Kündigungsgrundes gemäß § 30 Abs 2 Z 6 MRG verfehlt. Wegen der Übergabe der Wohnung an den Kläger bestehe auch kein Rechtsschutzinteresse an der Räumung.

Im Hinblick auf die Räumung der Wohnung schränkte der Kläger das Räumungsbegehren auf Kosten ein.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als wirksam. Seit Dezember 1987 habe keiner der beiden Mieter in der aufgekündigten Wohnung gewohnt; daher bestehe an der Aufrechterhaltung des Mietvertrages auch kein schutzwürdiges Interesse mehr. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Kündigung sei der geltend gemachte Kündigungsgrund gegeben gewesen. Wenn dem Kläger schon damals der Tod der Gerta N***** bekannt gegeben worden wäre, hätte er die Aufkündigung gegen die Verlassenschaft richten können. Der Einwand, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund im Falle des Todes des Mieters verfehlt sei, sei daher nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Wegen des Todes eines Mitmieters könnte das Bestandverhältnis zwar nur dann gekündigt werden, wenn auch hinsichtlich der weiteren Mitmieter (andere) Kündigungsgründe vorliegen. Daraus lasse sich aber nicht schließen, daß ein Mietverhältnis nach dem Tode eines Mieters nicht auch aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG gekündigt werden könne, wenn die Wohnung weder von den Mitmietern noch von den Erben benützt werde. Daran, daß der Kläger nur diesen Kündigungsgrund angeführt habe, scheitere die Aufkündigung daher nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil von den Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung bilden Mitmieter im Kündigungsstreit eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO (MietSlg 35.749 uva). Benützt daher einer von mehreren Mitmietern das Bestandobjekt regelmäßig, dann kann das Bestandverhältnis gegenüber den anderen Mitmietern nicht gemäß § 30 Abs 2 Z 6 MRG aufgekündigt werden. Auch kann der Tod eines Mitmieters nur dann zur Kündigung gemäß § 30 Abs 2 Z 5 MRG führen, wenn gegenüber den anderen Mitmietern ebenfalls (wenn auch andere) Kündigungsgründe vorliegen (EvBl 1972/320). Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG gegenüber dem Zweitbeklagten im Zeitpunkt des Ausziehens Gerta N*****s aus der gemieteten Wohnung wegen seiner bereits jahrzehntelangen Abwesenheit vom Mietgegenstand gegeben war; seither wurde die aufgekündigte Wohnung auch von sonst niemandem mehr benützt. Gerta N***** hat den geltend gemachten Kündigungsgrund bereits vor ihrem Ableben gesetzt: Sie wohnte bereits ein halbes Jahr nicht mehr in der aufgekündigten Wohnung, hatte die Wohnungsschlüssel dem Kläger zurückgegeben und ließ später auch noch das wesentliche Mobiliar aus der Wohnung entfernen.

Gemäß § 30 Abs 2 Z 5 MRG bildet es einen Kündigungsgrund, wenn die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen (§ 14 Abs 3 MRG) dienen. Der Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 6 MRG liegt hingegen vor, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen (§ 14 Abs 3 MRG) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Zwecken abwesend ist. Diese beiden Kündigungstatbestände stehen nicht in dem Verhältnis, daß im Fall des Todes des Mieters nur § 30 Abs 2 Z 5 MRG als einziger (spezieller) Kündigungsgrund zur Verfügung steht. Der Tod des Mieters schließt die Geltendmachung anderer Kündigungsgründe gegen die Verlassenschaft nicht aus (vgl MietSlg 38.197/19; MietSlg 39.445). Steht fest, daß der verstorbene (Mit-)Mieter den Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 6 MRG bereits vor seinem Tod gesetzt hat, dann kann dieser auch anstelle des § 30 Abs 2 Z 5 MRG gegen die Verlassenschaft geltend gemacht werden; ein schutzwürdiges Interesse eintrittsberechtigter Personen an der Aufrechterhaltung des Bestandvertrages wird dadurch nicht verletzt, ist es doch nach beiden Gesetzesstellen zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung führt allerdings die Benützung der Wohnung durch einen nicht eintrittsberechtigten Dritten bereits zur Aufhebung einer auf § 30 Abs 2 Z 6 MRG gestützten Kündigung (SZ 23/214 uva). Insoweit ist dieser Kündigungsgrund schwächer. Ein derartiger Sachverhalt wurde hier jedoch nicht behauptet; er liegt auch nicht vor. Auch wurde nicht behauptet, daß eintrittsberechtigte Personen den Mietgegenstand in naher Zukunft benötigten.

Im vorliegenden Fall macht es auch keinen Unterschied, daß die Aufkündigung erst nach ihrem Ableben gegen Gerta N***** eingebracht wurde, weil die Parteienbezeichnung zunächst auf die Verlassenschaft und nach der Einantwortung auf den (bisher noch nicht am Verfahren beteiligten) Erben richtiggestellt wurde.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Da sich der siegreiche Kläger am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat, war lediglich auszusprechen, daß die Beklagten die Kosten dieses Verfahrens selbst zu tragen haben.

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