Spruch:
Verpflichtung zur "Eröffnung einer Bürgschaft" als Zusage eines Dokumentenakkreditivs im internationalen Warenverkehr. Erfüllung dieser Verpflichtung über die eigene Hausbank an die ausländische Bestätigungsbank
OGH 7. November 1979, 7 Ob 549/79 (OLG Wien, 4 R 2002/78; HG Wien, 10 Cg 120/73)
Text
Die Kläger (in Italien ansässige Obst- und Gemüsehändler) schlossen mit der Beklagten (einem staatlichen Außenhandelsunternehmen der Volksrepublik Bulgarien mit eigener Rechtspersönlichkeit) die beiden Kaufverträge vom 28. August 1972 mit folgenden, für den vorliegenden Rechtsstreit wesentlichen Bestimmungen:
Der Verkäufer verkauft und der Käufer kauft bulgarische gesunde Kartoffel mit Querausmaß über 45 mm. Es werden 10% unter 45 mm zugelassen. Es muß keine unter 40 mm geben.
Es werden 3% mechanische oder Tierschäden an den Kartoffeln zugelassen. Verpackung: Jutesäcke mit je 25 kg Nettogewicht. Die Säcke müssen vernäht sein und neu.
Preis: 54/fünfzigvier/US-Dollar per Tonne Brutto/Nettogewicht franko bulgarisch/jugoslawische Grenze.
Versand: erfolgt mit bulgarischen Planen-LKW a 24 Tonnen, wobei der Käufer für die Strecke von Dragoman nach Pisa eine Fracht in Höhe von 665 US-Dollar zahlt und von Dragoman nach Triest eine Fracht in Höhe von 435 Dollar. Für die Strecke von Triest bis Pisa wird vereinbart, daß ein Teil der LKW in irgendeinem beliebigen Entladeort vor Pisa entladen werden kann, jedoch muß der betreffende Entladeort nicht mehr als 30 km von der Hauptstraße entfernt sein.
Die LKW gehen an die Adresse der Spedition Sch. oder eine andere für den Käufer genehme Speditionsfirma, zur Verfügung des Käufers.
Liefertermin: Verladung von 1. bis 15. September 1972, je 3 LKW am Tag. Auf Wunsch des Käufers wird der Verkäufer versuchen, den Liefertermin um 2-3 Tage zu verlängern.
Der Käufer verpflichtet sich die alltägliche und rechtzeitige Entladung innerhalb von 6 Stunden der bis 14 Uhr des jeweiligen Tages an den Entladeort eintreffenden LKW sicherzustellen .....
Zahlung: Der Käufer eröffnet eine Bürgschaft bei der Bulgarischen Außenhandelsbank, Sofia zugunsten der Firma "B", nicht später als am 1. September 1972 und hat Gültigkeit bis 30. Oktober 1972. Die Bürgschaft ist zahlbar gegen Vorlage einer Rechnung in vierfacher Ausfertigung und des Frachtbriefs, der die Übernahme der Ware durch den Käufer oder irgendeine andere, von ihm bevollmächtigte Firma, bescheinigt und von den italienischen Zollbehörden gestempelt ist. Der Käufer ist verpflichtet, die ihm vorgelegten Rechnungen prompt zu bezahlen, jedoch nicht später als 14 Tage nach deren Erhalt. Die Bürgschaft muß 30 000 US-Dollar betragen .....
Dieser Vertrag gilt als perfekt erst nach der Bürgschaftseröffnung.
Im Falle auftretender Schwierigkeiten verpflichten sich die Vertragsseiten, die Streitfragen im Rahmen der üblichen Handelsvorschriften zu regeln."
Die bestellten Kartoffel wurden von der Beklagten nicht geliefert. Auch die durch Eduardo B vertretene Firma B in T kaufte von der Beklagten 700 t Kartoffel.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger von der Beklagten die Zahlung von je 17 150 000 Lire samt Anhang. Die Beklagte habe die vorgenannten Kaufverträge nicht erfüllt, weshalb die Kläger vom Vertrag zurückgetreten und zur Erfüllung ihrer Lieferverpflichtungen gezwungen gewesen seien, die gekauften 700 t Kartoffel aus Holland zu importieren. Durch diesen Deckungskauf sei ihnen ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrages entstanden, den ihnen die Beklagte einschließlich der Verzugszinsen in der Höhe der bankmäßigen Zinsen in Italien zu ersetzen habe. Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, daß die Kläger die Bankbürgschaften nicht vereinbarungsgemäß erstellt hätten. Erst mit dem bei der Beklagten am 12. September 1972 eingelangten Schreiben der bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia sei die Beklagte von der Eröffnung der Bankbürgschaften verständigt worden. Die Kläger seien außerdem in Annahmeverzug geraten, weil sie zur Übernahme der Ware (Kartoffel) nichts unternommen hätten. Schließlich hätten häufige Regenfälle in der Zeit vom 12. September bis 10. Oktober 1972 die Einbringung der Kartoffelernte in Bulgarien und dadurch die Lieferung der Kartoffel unmöglich gemacht.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Nach seinen Feststellungen wurden die Kaufverträge auf Papier mit dem Briefkopf der Botschaft der Volksrepublik Bulgarien in Wien geschrieben, auf dem sich auch deren Telegrammadresse und deren Fernschreibernummer befanden. Dipl.-Kfm. Wassil I informierte die Kläger darüber, daß die Kaufverträge von Sofia aus erfüllt werden und die Firma Sch. in Österreich nur im Zusammenhang mit der Fracht eingeschaltet werde. Nach Unterfertigung der Verträge veranlaßten die Kläger über ihre Hausbanken in Italien die Erstellung der Bankbürgschaften von je 30 000 US-Dollar bei der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia. Diese nahm hinsichtlich der Erstklägerin am 6. September 1972 und hinsichtlich des Zweitklägers am 2. September 1972 die Eröffnung der Bankbürgschaften zur Kenntnis und verständigte hievon die Beklagte, bei der die Nachricht der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia am 7. September 1972 einlangte. Wegen des Wochenendes und des Nationalfeiertages in Bulgarien befaßte sich der bei der Beklagten in Sofia für die Kartoffelkäufe zuständige Dipl.-Vw. K mit der Angelegenheit erst am 11. September 1972. Da zu diesem Zeitpunkt in den bulgarischen Kartoffelanbaugebieten heftige Regenfälle einsetzten, richtete Dipl.-Vw. K ein Fernschreiben an Eduardo B mit dem Ersuchen, die Lieferfrist bis 30. September 1972 zu verlängern. Bereits vorher hatten die Kläger mit ihrem an die Bulgarische Botschaft in Wien gerichteten Fernschreiben vom 2. September 1972 die Benachrichtigung wegen der Verladung der Kartoffeln urgiert. Am 6. September 1972 telegraphierte die Erstklägerin ebenfalls an die Bulgarische Botschaft in Wien, daß Nachricht bezüglich der Kartoffeln fehle und die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen vorbehalten werde. Am 11. September 1972 richtete die Erstklägerin ein weiteres Fernschreiben an die Bulgarische Botschaft in Wien, in welchem auf das Fehlen aller Nachrichten, betreffend die Versendung, verwiesen und um Bekanntgabe der Absichten über die laufende Verladung ersucht wurde. Diese wie auch spätere an die Bulgarische Botschaft in Wien bzw. deren Handelsvertretung gerichtete Telegramme und fernschriftliche Mitteilungen wurden an die Beklagte in Sofia nicht weitergeleitet, die mit Fernschreiben vom 14. September 1972 Eduardo B ersuchte, mit einer Berichtigung der Kaufverträge dahin einverstanden zu sein, daß nicht Kartoffeln der Sorte "B", sondern längliche Kartoffeln mit gelbem Fruchtfleisch zu liefern sind. Eine Ablichtung dieses Schreibens übermittelte Eduardo B der Erstklägerin. Am 19. September 1972 richteten die Kläger ein Fernschreiben wieder an die Bulgarische Botschaft in Wien, in dem sie unter Anführung der Verträge über Speisekartoffel "B" vom 28. August 1972 darauf hinwiesen, daß die Liefertermine ohne Ankündigung einer Verladung verstrichen seien und die Geltendmachung der verursachten Schäden vorbehalten bleibe. Am 20. September 1972 telegraphierte die Firma B (offensichtlich ein anderes staatliches Außenhandelsunternehmen) der Erstklägerin, daß das an die Firma B übermittelte Fernschreiben, betreffend die Verlegung des Liefertermines auf den 5. bis 10. Oktober, unbeantwortet geblieben sei. Auch fehle eine Nachricht, betreffend die Sortenbezeichnung, weshalb um sofortige Antwort gebeten werde. Dieses Telegramm beantworteten die Kläger wieder mit dem an die Bulgarische Botschaft in Wien gerichteten Fernschreiben vom 22. September 1972, in dem sie mitteilten, an sich mit der Erstreckung des Liefertermines bis 15. Oktober 1972 einverstanden zu sein, und ersuchten, die Sortenbezeichnung "lange gelbe" zu bemustern und die bezüglichen Preise bekanntzugeben, um eine Zustimmung zu dieser Vertragsabänderung zu erwirken. Da auch dieses Fernschreiben die Beklagte nicht erreichte, sandte die Firma B an die Erstklägerin am 30. September 1972 folgendes Telegramm:
"1. Wir erhielten Bankgarantie am 12. September, das ist zu spät, um die Posten bis 15. September zu versenden.
2. Der noch immer anhaltende Regenfall gestattet nicht, die Kartoffeln herauszunehmen.
3. Unser Fernschreiben vom 13. September, gesandt durch B, und Telegramm vom 20. September. Wir benachrichtigten Sie über Möglichkeiten der Versendung. Es tut uns leid, aber wir haben keine Antwort erhalten, keine Zustimmung zur Verlängerung des Liefertermins und keine Bankgarantie. Mangels einer Nachricht von Ihnen bezüglich Kartoffel denken wir, daß in der Zwischenzeit Sie kein Interesse an dieser Ernte haben und betrachten den Vertrag als gestrichen. Bitte bestätigen."
Auch nach Erhalt dieses Telegramms fiel den Klägern noch immer nicht auf, daß ihre an die Bulgarische Botschaft in Wien gerichteten Telegramme und Fernschreiben die Beklagte nicht erreicht hatten. Sie richteten daher abermals an die Bulgarische Botschaft in Wien das Fernschreiben vom 4. Oktober 1972. In der zweiten Hälfte des Monates September 1972 wird in der Zeit vom 4. bis 12. Oktober 1972 war die Kartoffelernte in Bulgarien durch ungewöhnlich starke Regenfälle erheblich behindert. Der Marktpreis für die von den Klägern bei der Beklagten gekauften Kartoffeln betrug 60 Lire. Der Einstandspreis der von den Klägern erworbenen Kartoffeln der Sorte "B" betrug hingegen 70 Lire. Nach Ansicht des Erstgerichtes hätten die Kläger in den beiden Kaufverträgen vom 28. August 1972 die Verpflichtung übernommen, bei der Verladung der Kartoffeln an den Verladeorten mitzuwirken. Die Kläger hätten jedoch die Beklagten trotz wiederholter Anfragen hinsichtlich der Lieferung der Kartoffeln ohne Nachricht gelassen und seien daher in Annahmeverzug geraten. Der Umstand, daß die von den Klägern an die Bulgarische Handelsvertretung in Wien gerichteten Telegramme und Fernschreiben die Beklagten nicht erreicht haben, sei von den Klägern zu vertreten, die ihre Nachrichten an die Beklagte selbst, deren Anschrift und Fernsprechanschlüsse in den Kaufverträgen angegeben gewesen seien, zu richten gehabt hätten. Die unterbliebene Versendung der bestellten Ware durch die lieferbereite Beklagte sei auf das Schweigen der Kläger zurückzuführen. Aus deren Stillschweigen habe die Beklagte den berechtigten Schluß ziehen können, daß die Kläger von der Zuhaltung der Verträge Abstand nehmen wollten.
Das Berufungsgericht gab der von den Klägern erhobenen Berufung nur im Kostenpunkt Folge und traf nach Beweisergänzung noch folgende Feststellungen:
Die Erstklägerin ersuchte bei der Banca C, der Zweitkläger beim C um die Eröffnung von Akkreditiven zur Sicherung der Forderungen der Beklagten aus den Lieferungen auf Grund der beiden Kaufverträge vom 28. August 1972. Der C teilte hierauf mit dem an die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia gerichteten Fernschreiben vom 1. September 1972 mit, daß von ihr ein Garantiebrief zugunsten der Beklagten für einen Betrag von 30 000 US-Dollar, gültig bis zum 30. Oktober 1972, für die Lieferung von 700 t Konsumerdäpfel "B" zum Preis von 54 Dollar pro Tonne erstellt wird. Nach Anführung der näheren Vertragsbestimmungen für den Garantiebrief wird in diesem Fernschreiben dessen Bestätigung per Luftpost angekundigt. Das Bestätigungsschreiben langte bei der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia am 11. September 1972 ein. Mit Schreiben vom 2. September 1972 teilte die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia dem C unter Bezugnahme auf dessen Fernschreiben vom 1. September 1972 mit, daß der Empfang des Akkreditivs, von dem sie eine Kopie an den Begünstigten (Beklagte) weitergeleitet habe, bestätigt werde. Das Schreiben vom 2. September 1972 langte beim C in P am 5. September 1972 ein. Ob tatsächlich und an welchem Tag die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia die Beklagte von dem Fernschreiben des C vom 1. September 1972 durch Übersendung einer Kopie benachrichtigt hat, vermochte das Berufungsgericht nicht festzustellen. Mit Schreiben vom 30. August 1972 teilte die Banca C der Erstklägerin mit, daß sie "heute" der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia den Text folgenden Fernschreibens übermittelt habe: "Wir unterrichten Sie, daß wir unseren Haftungsbrief zugunsten der B (= Beklagte), als Durchführungssicherheit für Vertrag Import 700 t Kartoffeln "B" zum Preis von US-Dollar 30 000, Durchführung am oder vor 30. Oktober 1972 mit Luftpostbrief, abgeschickt haben. Weitere Einzelheiten wie in unserem oben erwähnten Brief." Den in diesem Schreiben erwähnten Luftpostbrief vom 30. August 1972 erhielt die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia am 6. September 1972, die mit Schreiben gleichen Datums der Banca C den Empfang des Akkreditivs vom 30. August bestätigte und ihr mitteilte, eine Kopie an die Beklagte weitergeleitet zu haben. Feststellungen, wonach dieses Akkreditiv der Beklagten bereits vor dem 6. September 1972 zugestellt und von der Erstklägerin über den 30. Oktober 1972 hinaus verlängert worden sei, die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia von der Beklagten zum Erfüllungsgehilfen bestellt und von den Streitteilen die einheitliche Erfüllung beider Kaufverträge vereinbart worden sei, vermochte das Berufungsgericht nicht zu treffen. Im Hinblick auf den in Wien gelegenen Abschlußort der beiden Kaufverträge sei österreichisches Recht anzuwenden. Nach dem Inhalt dieser Verträge sei bei der Bulgarischen Außenhandelsbank eine Bürgschaft zu eröffnen. Darunter sei die Eröffnung eines Dokumentenakkreditivs bei dieser Bank und nicht bei den italienischen Hausbanken der Kläger gemeint gewesen. Die Akkreditive seien außerdem nicht später als am 1. September 1972 zu eröffnen gewesen, und ihre Gültigkeit hätte sich bis zum 30. Oktober 1972 (zwei Monate) erstrecken sollen. Die Eröffnung der vereinbarten Akkreditive sei im Hinblick auf den Wortlaut der beiden Kaufverträge Bedingung für deren wirksames Zustandekommen gewesen. Von den Klägern seien jedoch nur bei ihren Hausbanken, nicht jedoch bei der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia Akkreditive zugunsten der Beklagten eröffnet worden. Die Bestätigung der Akkreditive ihrer Hausbanken durch die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia im Sinne des Art. 3 lit. b ERG (= Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive) sei von den Klägern nicht begehrt worden, weshalb denn auch die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia gegenüber der Beklagten keine Zahlungsverpflichtung eingegangen sei. Auch die Wirksamkeit der von den Klägern bei ihren Hausbanken eröffneten Akkreditive zugunsten der Beklagten sei nicht schon am 1. September 1972, sondern erst mit deren Verständigung am 2. September bzw. 6. September 1972 eingetreten. Selbst wenn man die Garantieerklärungen der Hausbanken der Kläger als Bürgschaftseröffnungen im Sinne der Kaufverträge vom 28. August 1972 gelten lassen wolle, wäre ihre Eröffnung verspätet erfolgt, wodurch die vereinbarte Gültigkeitsdauer von zwei Monaten verkürzt worden wäre. Auch wenn man trotz der verspäteten Akkreditiveröffnung das wirksame Zustandekommen der vorerwähnten Kaufverträge bejahen wollte, hätten die Akkreditive nur dann den Verträgen entsprochen, wenn sie eine vom Begünstigten noch nutzbare Gültigkeitsdauer von zwei Monaten gehabthätten. Dies sei jedoch bei dem mit 30. Oktober 1972 befristeten Akkreditiven der Hausbanken der Klägerin nicht der Fall gewesen. Die beiden Kaufverträge vom 28. August 1972 seien daher wegen Nichterfüllung der vorerwähnten Bedingung nicht wirksam geworden. In dem Verhalten der Beklagten nach Einlangen der Akkreditive der Hausbanken der Kläger könne ein schlüssiger Verzicht auf die vorerwähnte Bürgschaftseröffnung und die Folgen ihres Fehlens als Bedingung für das wirksame Zustandekommen der Kaufverträge nicht erblickt werden. Es sei nämlich in der den Verträgen nicht entsprechenden Akkreditiveröffnung nicht ein Antrag der Kläger auf Abschluß eines geänderten Vertrages im Sinne des § 362 HGB, sondern die Nichterfüllung jener Bedingung, die erst die Verbindlichkeit der beiden Kaufverträge herbeiführen sollte, gelegen. In dem an die Erstklägerin gerichteten Schreiben vom 30. September 1972 sei schließlich von der Beklagten zum Ausdruck gebracht worden, daß die beiden Kaufverträge wegen Fehlens einer Bankgarantie und der fehlenden Zustimmung zu einer Verlängerung der Lieferfristen nicht perfekt geworden seien.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Im Rahmen der von den Revisionswerbern erhobenen Rechtsrüge ist zunächst die Frage des anzuwendenden Rechtes zu prüfen. Hiebei ist davon auszugehen, daß die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht, BGBl. 304 (IPR-Gesetz), nicht zur Anwendung kommen, weil dieses Gesetz nach seinem § 50 erst am 1. Jänner 1979 in Kraft getreten ist und daher nach dem im § 5 ABGB normierten Grundsatz der Nichtrückwirkung von Gesetzen auf einen vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Vertrag nicht angewendet werden darf (Erläuternde Bemerkungen zu § 50 IPR-Gesetz, 784 BlgNR, XIV. GP, 67; 4 Ob 517, 518/78; 3 Ob 552/78 u. a. m.). Nach der bisherigen Regelung des § 36 ABGB sind aber im Inland zwischen Ausländern abgeschlossene Verträge nach österreichischem Recht zu beurteilen, wenn nicht bewiesen wird, daß bei deren Abschließung auf ein ausländisches Recht Bedacht genommen worden sei. Von den Streitteilen wurde aber nicht einmal behauptet, daß die Anwendung ausländischen Rechtes (italienisches oder bulgarisches) vereinbart worden wäre. Mit Recht gingen daher die Untergerichte davon aus, daß inländisches Recht zur Anwendung komme.
Die Revisionswerber bekämpfen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, daß unter den in beiden Kaufverträgen erwähnten Bürgschaften Dokumentenakkreditive zu verstehen seien. Aus der Formulierung dieser Verträge ergebe sich vielmehr, daß nach der Parteienabsicht der Streitteile die Banken nur subsidiär haften sollten.
Den Revisionswerbern ist darin beizupflichten, daß in den Kaufverträgen vom 28. August 1972 nur die Eröffnung von Bürgschaften erwähnt wird. Aus dem weiteren Vertragsinhalt: "Die Bürgschaft ist zahlbar gegen Vorlage einer Rechnung in vierfacher Ausfertigung und des Frachtbriefdoppels, der die Übernahme der Ware durch den Käufer oder irgendeine andere von ihm bevollmächtigte Firma bescheinigt und von den italienischen Zollbehörden gestempelt ist", ergibt sich jedoch eindeutig, daß mit dem gebrauchten Wort "Eröffnung einer Bürgschaft" die Ausstellung von Dokumentenakkreditiven gemeint war. Diese Vertragsbestimmung verstanden auch die Revisionswerber in diesem Sinne, die ihren Hausbanken in Italien den Auftrag zur Erstellung von Dokumentenakkreditiven erteilten. Richtig ist, daß ein Dokumentakkreditiv einen Zahlungs- und einen Sicherungseffekt zu erfüllen hat. Trotzdem muß der im Dokumentenakkreditiv angeführte Betrag nicht unbedingt dem Kaufpreis einschließlich der auflaufenden Transportkosten entsprechen, wenn sich der Verkäufer - wie hier - mit einem geringeren Betrag zufriedengibt. Soweit die Revisionswerber der Auffassung sind, es wäre deshalb nicht die Ausstellung eines Dokumentenakkreditivs vereinbart worden, weil sie nach Kaufverträgen die primäre Zahlungspflicht treffe, verkennen sie das Wesen eines derartigen Akkreditivs, dem auch eine Zahlungsfunktion zukommt, weil der Käufer im Wege des Akkreditivs Zahlung aus dem Grundgeschäft leistet (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] III, 14).
Die Revisionswerber bekämpfen auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, daß eine Akkreditiveröffnung bei der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia nie erfolgt sei. Aus den im Kaufvertrag gebrauchten Worten "Der Käufer eröffnet eine Bürgschaft bei der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia" ergebe sich vielmehr, daß der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia nur die Bürgschaftseröffnungen (Erklärungen über die Akkreditiveröffnung) ihren Hausbanken zugehen mußten. Eine Verpflichtung zum Abschluß eines Bürgschaftsvertrages zwischen der Beklagten und den Hausbanken der Revisionswerberin könne den beiden Kaufverträgen vom 28. August 1978 nicht entnommen werden.
Der OGH teilt jedoch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die in den beiden Kaufverträgen gebrauchten Wort "Eröffnung einer Bürgschaft bei der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia" nur dahin verstanden werden können, daß die Revisionswerber verpflichtet waren, bei dieser Bank Dokumentenakkreditive zu eröffnen. Hiefür spricht schon das Interesse der Beklagten, nach der Lieferung der Ware von der an ihrem Sitze befindlichen Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia den Kaufpreis zu erhalten. Die Revisionswerber haben jedoch die Dokumentenakkreditive bei ihren Hausbanken eröffnet, die hievon lediglich die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia in Kenntnis setzten. Die Revisionswerber hätten allerdings die Akkreditive auch über Hausbanken eröffnen können, hätten jedoch diesen den Auftrag erteilen müssen, die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia nicht bloß als Avisobank, sondern als Bestätigungsbank einzuschalten (Schinnerer - Avancini a. a. O., 58). Nur wenn die Bulgarische Außenhandelsbank als bestätigende Bank eine selbständige Verpflichtung übernommen hätte, die von den Hausbanken der Revisionswerber eröffneten Akkreditive zu honorieren (Schinnerer - Avancini a. a. O., 67), hätten die Revisionswerber die von ihnen übernommenen Verbindlichkeiten zur Eröffnung von Bürgschaften (Dokumentenakkreditiven) bei der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia erfüllt. Die Hausbanken der Revisionswerber haben jedoch die Bulgarische Außenhandelsbank in Sofia nur ersucht, die Beklagte von der bei ihnen erfolgen Akkreditiveröffnung zu verständigen. Der Umstand, daß die Revisionswerber im Hinblick auf die in Italien geltenden Devisenvorschriften eine direkte Eröffnung von Dokumentenakkreditiven bei der Bulgarischen Außenhandelsbank in Sofia in der kurzen ihnen zur Verfügung stehenden Frist nicht hätten vornehmen können, befreit sie nicht von der übernommenen vertraglichen Verpflichtung. Sache der Revisionswerber wäre es vielmehr gewesen, die Aufnahme einer derartigen Verpflichtung in die Kaufverträge abzulehnen.
Die Eröffnung der vereinbarten Dokumentenakkreditive bildete aber, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, die (aufschiebende) Bedingung "Dieser Vertrag gilt als perfekt erst nach der Bürgschaftseröffnung") für das Zustandekommen der beiden Kaufverträge. Wegen Nichteintritts der aufschiebenden Bedingung ist es daher zu einem wirksamen Abschluß der vorerwähnten Kaufverträge nicht gekommen. Die von den Revisionswerbern geltend gemachten, aus einer Verletzung der Bestimmungen dieser Kaufverträge abgeleiteten Schadenersatzansprüche bestehen somit schon dem Gründe nach nicht zu Recht. Ob die Revisionswerber die Dokumentenakkreditive fristgerecht eröffnet und diese verlängert haben, ist daher ebenso ohne Bedeutung wie die Frage, ob die ERG 1972 oder 1974 anzuwenden sind und ob die Eröffnung widerruflicher oder unwiderruflicher Akkreditive vereinbart wurde.
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