Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Die Rekursbeantwortung des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der G*** S*** vom 26.Mai 1975, Zahl 664-0-1975, wurden gemäß § 18 Abs.2 der Tiroler Bauordnung 1974 LGBl. Nr. 42/1974 (kurz: TBO) für das Straßenbauvorhaben "Verlängerung der Andreas-Hofer-Straße" unter anderem Teilflächen der dem Antragsteller gehörigen Liegenschaften enteignet. Für die enteigneten Liegenschaftsteile, sowie für die auf Grund des Straßenbauprojektes im Eigentum des Antragstellers verbleibenden Restflächen bzw. für die zugunsten der Antragsgegnerin einzuräumende Dienstbarkeit der Duldung des Baues, des Bestandes und der Erhaltung von Böschungen wurden im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Enteignungsverfahrens Entschädigungsbeträge festgesetzt, mit denen sich der Antragsteller nicht zufriedengab. Das Erstgericht hat die Entschädigungssumme für die Enteignung von Grundstücksteilen der Grundstücke Nr. 59/1 und 65 in EZ 41 KG Seefeld sowie des Grundstückes Nr. 66 in EZ 172 KG Seefeld mit 394.497,-- S festgesetzt. Hiebei ging es davon aus, daß die Grundstücke 66 und 65 eine Flächeneinheit bilden und als einheitlich zu nutzende Grundfläche zu betrachten sind. Sämtliche der antragsgegenständlichen Grundstücke werden durch den Straßenbau mitten durchschnitten. Die Restflächen der vorgenannten Grundstücke bleiben beiderseits der geplanten Straßenachse weiterhin verbaubar. Dasselbe gilt für den größeren Teil des verbliebenen Teiles des Grundstückes 59/1. Nur die im Nordwesten verbliebene Restfläche dieses Grundstückes weist eine verbleibende Grundfläche von einem so geringen Ausmaß auf, daß diese nicht mehr ordnungsgemäß verbaut werden kann. Diese Restfläche kann also im Hinblick auf den Neu- oder Ausbau der gegenständlichen Straße nicht mehr als Bauland genützt werden.
Die durch die Gemeinde neu gebaute Straße grenzt jenseits ihrer Achse nicht an Bauland, das nicht im Eigentum des enteigneten Antragstellers steht (bezüglich der detaillierten Feststellungen sei auf die Ausführungen des Erstgerichtes auf den Seiten 806 bis 812 des Aktes verwiesen).
Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, die enteigneten Grundstücksteile seien als nicht bebaubares Land im Sinne des § 18 Abs.3 TBO zu werten. Der dort verwendete Ausdruck müsse dem Freiland im Sinne des Tiroler Raumordnungsgesetzes, LGBl. 10/1972, gleichgehalten werden. Der Wert der enteigneten Flächen könne daher nur unter Heranziehung eines Vergleiches mit anderem Freiland ermittelt werden.
Das Rekursgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben. Hiebei lehnte es die Gleichsetzung des "nicht bebaubaren Landes" im Sinne der TBO mit dem Begriff "Freiland" im Sinne des Tiroler Raumordnungsgesetzes ab. Der Wert der enteigneten Flächen könne nur unter Heranziehung vergleichbarer Flächen ermittelt werden. Hiebei sei Bedacht zu nehmen auf eine anderweitige Verwertungsmöglichkeit, mit Ausnahme der durch die Bebauung. Es sei auch näher zu begründen, warum verschiedene, im Akt aufscheinende allfällige Vergleichsgrundstücke bei der Wertfeststellung nicht berücksichtigt worden seien (weitere im angefochtenen Beschluß aufgeworfene Rechtsfragen sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekurses).
Rechtliche Beurteilung
Der von der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt. Strittig ist vor allem, wie der Begriff "bebaubares Land" im § 18 TBO auszulegen ist. Dieser Begriff scheint nämlich weder in weiteren Bestimmungen der TBO, noch im Tiroler Raumordnungsgesetz auf. Das Tiroler Raumordnungsgesetz schreibt die Errichtung eines Flächenwidmungsplanes vor, wobei § 10 Abs.1 nur die Widmung
a) Bauland, b) Freiland und c) Hauptverkehrsflächen offen läßt. Nach § 11 Abs.1 dieses Gesetzes dürfen als Bauland nur Grundflächen gewidmet werden, die sich für die vorgesehene Bebauung in technischer, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Hinsicht eignen. Zutreffend verweist das Rekursgericht allerdings darauf, daß eine Verbauung des Freilandes nicht schlechthin ausgeschlossen ist. Nach § 15 Abs.1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes gehören nämlich zum Freiland alle Grundflächen des Gemeindegebietes, die nicht als Bauland oder als Hauptverkehrsflächen gewidmet sind. Der Absatz 2 des vorgenannten Gesetzes läßt jedoch Bebauungsmöglichkeiten offen, wobei sogar ausnahmsweise Baubewilligungen erteilt werden dürfen. Nur bauliche Anlagen dürfen gemäß § 4 Abs.1 TBO auf Grundstücken nicht errichtet werden, für die die Widmung als Bauland nach § 11 Abs.1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes ausgeschlossen ist. Wie bereits dargelegt wurde, schließt aber § 11 Abs.1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes nicht schlechthin jegliche Verbauung aus. Die oben aufgezeigte Rechtslage zeigt also, daß die TBO nicht konsequent der Unterteilung des Tiroler Raumordnungsgesetzes folgt. Die Unterscheidung des Tiroler Raumordnungsgesetzes zwischen Bauland einerseits und Freiland andererseits wird von der TBO nicht als entscheidendes Kriterium für die Beurteilung des Begriffes der baulichen Anlagen (Definition in § 3 Abs.1 TBO) genommen. Daraus ergibt sich aber, daß, entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes, der Begriff des "Freilandes" des Tiroler Raumordnungsgesetzes nicht zur Auslegung des Begriffes "nicht bebaubare Grundfläche" im Sinne des § 18 TBO herangezogen werden kann. Vielmehr muß dieser Begriff aus der TBO ausgelegt werden. Da die TBO den Zweck hat, Regeln für die Errichtung von Bauwerken aufzustellen, wird man den dort verwendeten Begriff "nicht bebaubare Grundflächen" so zu verstehen haben, daß damit Grundflächen gemeint sind, für die Baubewilligungen im Sinne der TBO nicht erteilt werden dürfen. Dies schließt aber, wie das Rekursgericht richtig erkennt, eine anderweitige wirtschaftliche Verwendung nicht aus. Da nach dem gemäß § 18 Abs.1 TBO anzuwendenden § 55 Abs.2 des Tiroler Straßengesetzes (LGBl.1/1951 in der Fassung des LGBl.10/1970) dem Enteigneten volle Schadloshaltung im Sinne des § 1323 ABGB gebührt, wird also durch die Einstufung der enteigneten Fläche als "nicht bebaubare Grundfläche" lediglich eine Entschädigung für die Benützung auf eine Art, die eine Baubewilligung nach der TBO erfordert, ausgeschlossen, nicht jedoch für eine anderweitige Benützung. Daran ändert auch nichts der Wortlaut des § 18 Abs.5 TBO, demzufolge eine teilweise Bewertung des enteigneten Grundes als bebaubare Grundfläche dann vorzunehmen ist, wenn die an der anderen Seite der Gemeindestraße liegende Grundfläche nach dem geltenden Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesen ist. Hier wird eben, schon um jeden Streit zu vermeiden und um eine klare Handhabe zu haben, auf die Widmung laut Flächenwidmungsplan abgestellt. Da dieser nur die Dreiteilung:
Bauland, Freiland und Hauptverkehrsfläche kennt, mußte bei Schaffung eines Tatbestandes, der den Flächenwidmungsplan zum Gegenstand hat, von den für Flächenwidmungspläne geltenden Grundsätzen ausgegangen werden. Diese Bestimmung ist im übrigen nur im Zusammenhang mit der sich aus § 18 TBO ergebenden Ausgleichspflicht des dem Enteigneten gegenüberliegenden Eigentümers zu verstehen. Dies ändert nichts daran, daß die übrigen Grundstücksteile, die nach § 18 Abs.4 TBO zu entschädigen sind, im Sinne des durch § 55 des Tiroler Straßengesetzes aufgestellten Gebote der Schadloshaltung nach Maßgabe der verbliebenen Verwendungsmöglichkeiten zu entschädigen sind.
Richtig hat also das Rekursgericht erkannt, daß bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nicht nur von Vergleichsgrundstücken auszugehen ist, die nach dem Flächenwidmungsplan Freiland sind, sondern von Grundstücken, die bezüglich ihrer Verwendungsmöglichkeit mit den enteigneten Grundstücken verglichen werden können. Bezüglich der hier einzuhaltenden Vorgangsweise kann auf die zutreffende Ausführung des Rekursgerichtes verwiesen werden.
Was die Frage anlangt, ob in den Vergleich auch weitere bestimmte Grundstückstransaktionen einzubeziehen sind, handelt es sich um eine Angelegenheit der Tatsachenfeststellung, deren Beurteilung dem Obersten Gerichtshof entzogen ist. Auch im außerstreitigen Verfahren gilt der Grundsatz, daß der Oberste Gerichtshof, falls das Rekursgericht ausgehend von einer richtigen rechtlichen Beurteilung eine Erweiterung der Entscheidungsbasis für erforderlich hält, dem nicht entgegentreten kann.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels.
Gemäß § 55 Abs.5 des Tiroler Straßengesetzes ist über die Entschädigung, falls die gerichtliche Entscheidung verlangt wird, im außerstreitigen Verfahren zu erkennen. Im allgemeinen ist im außerstreitigen Verfahren kein zweiseitiges Rechtsmittelverfahren vorgesehen, weshalb die Erstattung einer Rekursgegenschrift unzulässig ist. Aus diesem Grunde mußte die Gegenschrift des Antragstellers zurückgewiesen werden.
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