OGH 7Ob543/90

OGH7Ob543/9022.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernestine J***, Hauptschullehrerin iR, Lilienfeld, Marktlerstraße 15, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei G*** BAU-, W***- UND S*** A*** reg. GenmbH,

Wien 1., Salztorgasse 8, vertreten durch Dr. Joachim Meixner und Dr. Josef Schima, Rechtsanwälte in Wien, wegen Grenzfeststellung (Streitwert S 70.000,-) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 24. Jänner 1990, GZ R 27/90-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 6. Dezember 1989, GZ C 842/89 -7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt die Festlegung der Grenze zwischen ihrem Grundstück Nr. 170/1 und dem Grundstück der Beklagten Nr. 169/2, beide KG Marktl mit der in der Naturaufnahme des Dipl.Ing. Walter E*** (Beilage A) dargestellten, rot angelegten Grenzlinie. Ferner beantragt sie, die Beklagte schuldig zu erkennen, einer Vermarkung dieser Grenzlinie zuzustimmen und der Klägerin den Besitz an dem zwischen dieser Grenzlinie und der im Teilungsplan des Dipl.Ing. Hans S*** vom 16. März 1984, GZ 3032/83, dargestellten Grenzlinie liegenden Grundfläche einzuräumen. Die Beklagte habe das Grundstück Nr. 169/2 von der Fried v. N*** GmbH erworben. Diesem Kaufvertrag sei der Teilungsplan des Ziviltechnikers Dipl.Ing. Hans S*** zugrundegelegt worden, dessen Grenze zum Grundstück der Klägerin jedoch nicht der Grundbuchsmappe entspreche. Tatsächlich verlaufe die (Mappen-)Grenze in der Natur so, wie sie von Dipl.Ing. Walter E*** festgelegt worden sei. Die Geltendmachung dieser Grenze im streitigen Verfahren sei zulässig, weil die Beklagte an dem Grundstücksstreifen seit Jahren Besitzhandlungen ausübe und deshalb ein Grenzfestsetzungsverfahren nach dem letzten Besitzstand im Außerstreitverfahren nicht zur Festlegung der "richtigen" Grenze führen würde. Mit der Behauptung, daß sie durch die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten "auf Basis des Grenzverlaufes", wie er im Teilungsplan des Dipl.Ing. Hans S*** dargestellt sei, in ihrem bücherlichen Eigentumsrecht am Grundstück 170/1 KG Marktl verletzt werde, beantragt die Klägerin die Anmerkung der Klage im Grundbuch.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Streitanmerkung. Das Rekursgericht wie den Antrag der Klägerin auf Anmerkung der Klage ab. Ferner sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei. Die Streitanmerkung nach § 61 GBG könne nur derjenige begehren, der bereits im Grundbuch eingetragen gewesen sei, nicht aber derjenige, der mit der Klage die Anerkennung eines bisher nicht eingetragenen Rechtes begehre. Die Klägerin berufe sich jedoch nur auf einen bestimmten Grenzverlauf und verlange die Einräumung des Besitzes an einer bestimmten Grundfläche. Weder der Grenzverlauf als solcher noch der Besitz seien dingliche Rechte im Sinne des GBG. Die beantragte Streitanmerkung sei durch § 61 GBG daher nicht gedeckt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin gegen diesen Beschluß ist zulässig (§ 126 GBG iVm § 14 Abs 1 AußStrG idF WGN BGBl. 343), weil - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der hier entscheidungswesentlichen Frage vorliegt, ob eine Klage auf Festlegung einer Grundstücksgrenze im Grundbuch angemerkt werden kann. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 61 GBG kann derjenige, der durch eine Einverleibung in seinem bücherlichen Recht verletzt erscheint, die Einverleibung aus dem Grunde der Ungültigkeit im Prozeßweg bestreitet und die Wiederherstellung des vorigen bücherlichen Standes begehrt, die Anmerkung eines solchen Streites im Grundbuch verlangen. Diese Streitanmerkung hat zur Folge, daß das über die Klage ergehende Urteil auch gegen Personen volle Wirksamkeit äußert, die erst nach dem Zeitpunkt, in dem das Gesuch um Streitanmerkung an das Grundbuchsgericht gelangt ist, bücherliche Rechte erlangt haben. Sie hat zur Voraussetzung, daß für den Kläger ein dingliches Recht im Grundbuch einverleibt war oder ist, daß dieses Recht durch die angefochtene Eintragung verletzt worden ist, die Einverleibung wegen angeblicher Ungültigkeit im Prozeßweg bestritten und die Wiederherstellung des früheren Zustandes begehrt wird (Feil, Grundbuchsgesetz 259). Eine Ausnahme hievon sieht § 70 GBG für den Fall der Ersitzung vor (Dittrich-Angst-Auer, Das österreichische Grundbuchsrecht3, 208 FN 2 zu § 61; 7 Ob 617/88). Angemerkt werden können nur Klagen, bei denen der Kläger durch eine Einverleibung in einem bücherlichen Recht verletzt wurde, nicht hingegen solche, mit denen ein obligatorischer Anspruch geltend gemacht wird, wenn auch auf Grund dieses Anspruches der Erwerb eines bücherlichen Rechtes begehrt wird (EvBl 1971/43; SZ 43/75; SZ 44/38). Die Klägerin ist im vorliegenden Fall durch die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten am Grundstück Nr. 169/2 "auf Basis des Grenzverlaufes", wie er im Teilungsplan des Dipl.Ing. Hans S*** dargestellt wurde, soweit dieser von der Grenze im Mappenplan abweicht, nicht in ihren bücherlichen Rechten am Grundstück Nr. 170/1 KG Marktl verletzt worden. Die Grundbuchsmappe, die die örtliche Lage der Grundstücke und ihre Grenzen wiedergibt (§ 3 AGAG), ist nur eine Hilfseinrichtung. Aus ihr ist weder ersichtlich, wer Eigentümer ist, noch welche Grundstücke in einer Anlage zusammengefaßt sind. Beim Erwerb richten sich die Grenzen und damit die Größe des Grundstückes nicht nach diesen Plänen, sondern nach den tatsächlichen Grundstücksgrenzen (Koziol-Welser8 II 95; Spielbüchler, Grundbuch und Grenze, JBl 1980, 173; Wegan, Die Bedeutung der Mappe im Grundbuchsverfahren und bei Grenzstreitigkeiten, ÖJZ 1953, 35; SZ 56/141). Daß die Grundstücke der Streitteile bereits in den Grenzkataster im Sinne der §§ 8 ff. VermessungsG 1968 eingetragen worden wären, dessen § 49 den guten Glauben an die im Grenzkataster enthaltenen Grenzen schützt und nach dessen § 50 die Ersitzung von Teilen an den im Grenzkataster enthaltenen Grundstücken ausgeschlossen ist, wurde im vorliegenden Fall nicht behauptet. Durch die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten und die Bezugnahme auf einen bestimmten Grenzverlauf in dem zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Beklagten errichteten Kaufvertrag konnte somit nicht in bücherliche Rechte der Klägerin eingegriffen werden. Im Falle des Obsiegens der Klägerin würde daher auch keine Einverleibung im Grundbuch zu beseitigen sein. Ziel der vorliegenden Klage ist ua die Festlegung der Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile. Für eine derartige Klage, mag sie auch auf ein dingliches Recht gestützt sein, ist die Streitanmerkung gemäß § 61 GBG nicht vorgesehen. Auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen ist die Anmerkung der Klage im vorliegenden Fall aber nicht denkbar.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Eine Kostenentscheidung hatte schon deshalb zu entfallen, weil die Klägerin keine Kosten verzeichnet hat.

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