OGH 7Ob536/84

OGH7Ob536/8412.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Kuderna, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Pflegschaftssache des mj M*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses 1.) des ehelichen Vaters J*****, 2.) der ehelichen Mutter S*****, und 3.) des angeblichen natürlichen Vaters L*****, alle vertreten durch Dr. Herbert Gradl, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. November 1983, GZ 43 R 1108/83‑23, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 21. Oktober 1983, GZ 8 P 16/83‑20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00536.840.0712.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluss, mit dem der Antrag der ehelichen Eltern des Pflegebefohlenen, dessen Inkognitoadoption zu widerrufen und aufzuheben, abgewiesen und ein gleichartiger Antrag des angeblichen natürlichen Vaters zurückgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs aller drei Antragsteller ist unzulässig, weil er der Anfechtungsbeschränkung nach § 16 Abs 1 AußStrG unterliegt und keiner der dort taxativ angeführten Gründe gegeben ist.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung bildet deshalb schon eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ 39/103 uva). Der Anfechtungsgrund der Nullität betrifft die Nichtigkeitsgründe der Zivilprozessordnung, soweit sie nach den Besonderheiten des außerstreitigen Verfahrens in Betracht kommen, und im Übrigen andere Verfahrensverstöße mit dem Gewicht der zivilprozessualen Nichtigkeit.

Die Antragslegitimation des Drittrekurswerbers wurde von den Vorinstanzen mit der Begründung verneint, dass das Kind mangels eines rechtskräftigen Urteils als ehelich gelte. Diese Rechtsansicht widerspricht keiner klaren gegenteiligen Bestimmung. Das Rekursgericht hat allerdings zu Unrecht den aufgehobenen § 159a ABGB zitiert. Aber auch nach § 138 Abs 1 zweiter Satz ABGB nF kann die Vermutung der Ehelichkeit eines Kindes, das wie hier vor Ablauf des 302. Tages nach Auflösung der Ehe seiner Mutter geboren wurde, nur durch eine gerichtliche Entscheidung widerlegt werden, mit der festgestellt wird, dass das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt. Erst nach einem solchen Urteil ist auch eine Anerkennung der Vaterschaft des erst dann unehelichen Kindes möglich. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen kann deshalb nicht offenbar gesetzwidrig sein. Auf eine erst nach der zweitinstanzlichen Entscheidung allenfalls geänderte Sachlage ist nicht einzugehen.

Die Abweisung des Antrags der beiden anderen Rekurswerber auf Widerruf der Adoptionsbewilligung und Aufhebung der Wahlkindschaft wurde von den Vorinstanzen darauf gestützt, dass die von den Antragstellern behaupteten Gründe ihrer fehlenden Zustimmung (die seinerzeitige Erteilung einer Vollmacht für die Inkognitoadoption des Kindes sei ihnen nicht bewusst geworden) und einer Täuschung durch das Jugendamt (wonach der leibliche Vater des Kindes an diesem nicht interessiert sei), aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens nicht erwiesen seien, ein bloßer Irrtum bei der seinerzeitigen Zustimmung zur Inkognitoadoption aber keinen Widerrufsgrund darstelle.

Die beiden Rekurswerber bestreiten in ihrem Rechtsmittel nicht mehr, dass die Bevollmächtigung formell richtig war und dass eine listige Irreführung fehlte. Soweit sie sich aber auf die fehlende „Vollwertigkeit“ der erteilten Vollmacht und einen Irrtum (vor allem der Mutter über die Möglichkeiten einer Ehelichkeits‑Bestreitungsklage und der nachfolgenden Anerkennung der Vaterschaft durch den natürlichen Vater) berufen, bringen sie keine offenbare Gesetzwidrigkeit des bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichts zur Darstellung. Da § 185a ABGB ausdrücklich einen Widerruf der gerichtlichen Adoptionsbewilligung oder eine Aufhebung der Wahlkindschaft aus anderen als den in den §§ 184 und 184a angeführten – hier nicht vorliegenden – Gründen für unzulässig erklärt, kann die Nichtberücksichtigung anderer Gründe nicht offenbar gesetzwidrig sein. Das Gleiche gilt für die Ansicht, es hätte zweckmäßigerweise der Vaterschafts‑Bestreitungsprozess abgewartet werden müssen; insofern kann auf das eingangs Gesagte verwiesen werden. Soweit aber schließlich die Rekurswerber auf ihre aus der Blutsverwandtschaft begründeten Beziehungen zum Kind hinweisen, übersehen sie, dass nach § 182 Abs 2 ABGB die nicht bloß in der Verwandtschaft an sich (§ 40 ABGB) bestehenden familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen Eltern und dem Wahlkind mit dem Zeitpunkt der Annahme an Kindesstatt (mit den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen des § 182a) erloschen sind. Die Adoption bezweckt die Ersetzung des alten Familienrechtsverhältnisses durch das neue Wahlkindverhältnis, und dieses wird durch die strenge Beschränkung der Gründe für einen Widerruf der Bewilligung und eine Aufhebung der Wahlkindschaft geschützt.

Die Absicht der Mutter und des angeblichen natürlichen Vaters, das Kind jetzt doch gemeinsam aufzuziehen, ist kein vom Gesetz ausdrücklich anerkannter Widerrufsgrund.

Von einer Verletzung der Grundsätze des Außerstreitverfahrens durch Unterlassung einer Beweiswiederholung seitens des Rekursgerichts kann keine Rede sein, zumal die Vorinstanzen ohnehin den eigenen Aussagen der Rekurswerber gefolgt sind.

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