Spruch:
Der Revisions wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.248,64 (darin enthalten S 541,44 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses ***** H*****gasse *****. Im April 1988 vermietete sie eine in diesem Haus gelegene Wohnung an Harald J*****. Das Mietverhältnis begann vereinbarungsgemäß am 15.4.1988 und endete am 14.10.1988. Die am 22.4.1965 geborene Beklagte wohnte gemeinsam mit Harald J***** in dieser Wohnung. Die Klägerin hatte damals geplant, das Haus zu sanieren und schloß aus diesem Grund nur befristete Mietverträge ab. Kurz vor dem mit Harald J***** vereinbarten Mietende erklärte sie ihm, daß eine Verlängerung des Mietvertrages nicht möglich sei. Harald J*****, die Klägerin und die Beklagte kamen darauf hin überein, daß die Wohnung in der Folge von der Beklagten gemietet werden sollte. Die Klägerin schloß mit der Beklagten am 15.10.1988 einen Mietvertrag, in dessen Punkt III.) vereinbart wurde, daß das Mietverhältnis auf die Dauer von 6 Monaten geschlossen wird, daß es am 15.10.1988 beginnt und am 14.4.1989 ohne Kündigung endet. In Punkt XXI./5 des Mietvertrages heißt es: "Der Mieter erklärt im Sinne des § 29 Abs 2 MRG, sich in Ausbildung zu befinden (Art der Ausbildung: Universitätsstudium an der medizinischen Fakultät) und am 22.4.1965 geboren zu sein. Es wird vereinbart, daß das Mietverhältnis mit Beendigung oder Abbruch der Ausbildung erlischt, wovon der Mieter den Vermieter unverzüglich schriftlich zu verständigen hat. Das Mietverhältnis erlischt jedenfalls, wenn der Mieter das 27.Lebensjahr vollendet hat. Hat das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht 5 Jahre gedauert, so endet es mit Ablauf von 5 Jahren ab Vertragsschluß."
Unter "Sonstige Vereinbarungen" wurde festgehalten: "Das Mietverhältnis wird für die Dauer ungeachtet anderer Bestimmungen für 6 Monate errichtet."
Am 15.4.1989 schlossen die Streitteile einen weiteren Mietvertrag. Das Motiv der Klägerin hiefür war, daß die Sanierung des Hauses vorerst nicht realisiert werden konnte, weil ihr keine öffentlichen Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Die Klägerin sprach anläßlich des Abschlusses dieses Mietvertrages mit der Beklagten darüber, wie lange ihre Studium noch dauern werde, und nahm ihr das Versprechen ab, die Wohnung aufzugeben, sobald ihr Studium beendet sei.
Bei der Überschrift des am 15.4.1989 geschlossenen Mietvertrages findet sich der Hinweis "Mietvertrag zum Zweck der Ausbildung gemäß § 29 Abs 2 MRG". Dieser Mietvertrag hat unter anderem folgenden Wortlaut:
Punkt II/6:
"Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen und Termine gemäß § 29 Abs 2 MRG".
Punkt XVI.:
"Bei einem Mietvertrag über Ausbildungswohnungen (§ 29 Abs 2 MRG) wird im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG folgende für den Mieter in bezug auf die Kündigung als wichtig und bedeutsam anzusehende Tatsache als Auflösungsgrund dieses Vertrages vereinbart: Laut § 29 Abs 2 MRG Abbruch bzw Beendigung des Studiums."
Punkt XXI/5:
"Der Mieter erklärt im Sinne des § 29 Abs 2 MRG sich in der Ausbildung zu befinden (Art der Ausbildung: laut Ausweis Universitätstudium medizinische Fakultät) und am 22.4.1965 geboren zu sein. Es wird vereinbart, daß das Mietverhältnis mit Beendigung oder Abbruch der Ausbildung erlischt, wovon der Mieter den Vermieter unverzüglich schriftlich zu verständigen hat. Das Mietverhältnis erlischt jedenfalls, wenn der Mieter das 27.Lebensjahr vollendet hat; hat das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht 5 Jahre gedauert, so endet es mit Ablauf von 5 Jahren ab Vertragsabschluß."
Unter "Sonstige Vereinbarungen" wurde festgehalten:
"Beim Mietzinsinkasso ist Auskunft über den Fortbestand des Studiums zu geben."
Mit am 20.10.1993 eingebrachter Klage begehrte die Klägerin die Räumung der Wohnung, weil die vereinbarte Mietdauer abgelaufen sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Räumungsbegehrens, weil die Beklagte bereits seit 15.4.1988 in der Wohnung wohne und ein unzulässiger Kettenmietvertrag vorliege, sodaß die Befristung nicht wirksam vereinbart worden sei. Die Beklagte habe mit Harald J***** eine Lebensgemeinschaft geführt. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen.
Die Klägerin bestritt dies und brachte vor, daß sie nicht gewußt habe, in welchem Verhältnis die Beklagte zu Harald J***** gestanden sei. Die Beklagte sei ihr von Harald J***** als Nachmieterin vorgeschlagen worden.
Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Es stellte zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, daß Harald J***** und die Beklagte zumindest seit April 1988 eine Lebensgemeinschaft führten und daß der Klägerin bekannt war, daß die Beiden seit damals gemeinsam in der Wohnung wohnten.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß durch den zweiten mit der Beklagten geschlossenen Mietvertrag die 6-monatige Frist des ersten Mietvertrages auf die in § 29 Abs 2 MRG vorgesehene Frist von 5 Jahren verlängert worden sei. Der mit Harald J***** geschlossene Mietvertrag erfülle nicht die Voraussetzungen eines Studentenmietvertrages, sodaß kein Kettenmietvertrag vorliege. Es sei daher die 5-jährige Frist am 14.10.1993 abgelaufen, sodaß die Beklagte die Wohnung seither titellos benütze.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß kein Kettenmietvertrag vorliege, weil eine Umgehung des § 29 MRG das Fehlen eines objektiven Grundes für einen Wechsel des Vertragspartners voraussetze. Hier liege der Grund für diesen Wechsel aber im Abschluß eines Ausbildungsmietvertrages nach § 29 Abs 2 MRG, der mit seiner Verknüpfung an die Dauer des konkreten Ausbildungsverhältnisses und seiner darauf abgestellten zeitlichen Begrenzung einen wesentlich anderen Inhalt als der bis 14.10.1988 mit Harald J***** bestandene Mietvertrag aufweise. Das Mietverhältnis mit Harald J***** könne daher in die gesetzliche Frist des § 29 Abs 2 MRG nicht eingerechnet werden. Auch die am 15.10.1988 vereinbarte 6-monatige Vertragsdauer sei auf den gesetzlich vorgesehenen, durchsetzbaren Endtermin ohne Einfluß gewesen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Abschluß von Kettenmietverträgen bei Befristungen nach § 29 Abs 2 MRG fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht, daß die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei, weil § 502 Abs 3 Z 2 ZPO auf Räumungsklagen wegen titelloser Benützung nicht anzuwenden sei, ist entgegenzuhalten, daß hier die Frage zu beurteilen ist, ob das Dauerschuldverhältnis noch aufrecht oder wirksam beendet ist. Es liegt daher ein Ausnahmefall des § 502 Abs Z 3 ZPO vom Revisionsstreitwert des § 502 Abs 2 ZPO vor (vgl RZ 1991/21; 5 Ob 1110/92; 7 Ob 626/94), sodaß bei der Frage der Zulässigkeit der Revision nicht der Streitwert, sondern entscheidend ist, ob die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen.
Die Revision ist nach dieser Bestimmung aus dem vom Gericht zweiter Instanz genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
Die Untergerichte haben die beiden mit der Beklagten abgeschlossenen Mietverträge zu Recht in zeitlicher Hinsicht als Einheit betrachtet. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in zwei Entscheidungen ausgesprochen hat, beeinträchtigen im Fall eines Studentenmietvertrages kürzere als im Gesetz vorgesehene Beendigungstermine weder die Durchsetzbarkeit der überdies entsprechend § 29 Abs 2 MRG vereinbarten noch der die darin weiters gesetzlich vorgesehenen Endtermine des 27.Lebensjahres bzw. der 5-jährigen Vertragsdauer. Es ist zulässig, in Mietverträgen, welche durchsetzbar nur bis zu einer bestimmten Höchstfrist abgeschlossen werden können, sei es von vornherein oder durch Verlängerung ("Kettenverträge"), kürzere Endzeitpunkte festzulegen. Dies hat nicht die Ungültigkeit der vereinbarten Befristung, sondern nur zur Folge, daß diese als wirtschaftliche Einheit zu betrachtenden Verträge erst bei Überschreiten der gesetzlichen Höchstfristen die Rechtsfolge eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrages auslösen.
Ebenso muß es zulässig sein, innerhalb der gesetzlich festgelegten
Dauer eines Studentenmietvertrages weitere Befristungen - sei es in
Form von Verlängerungen der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer,
sei es in ein und demselben Mietvertrag - zu vereinbaren. Solche
kürzere Befristungen haben dann allerdings nur die Wirkung der
mangelnden Durchsetzbarkeit seitens des Vermieters, wenn sie die
Voraussetzungen des § 29 Abs 1 Z 3 MRG nicht erfüllen. Die vollen
Rechtsfolgen des § 29 Abs 3 MRG mit der Wirkung, daß der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt, treten erst bei Fortsetzung über die vom Gesetz festgelegte Dauer hinaus ein (WoBl 1991/161; 1 Ob 583, 584/94; zustimmend Mecenovic in WoBl 1992, 93 ff und Biegl/Mecenovic in WoBl 1993, 177 ff).
Daß hier der erste Mietvertrag mit der Beklagten - im Unterschied zu diesen bereits vorliegenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes - eine auch für die Vermieterin durchsetzbare Befristung vorsah, vermag am dargelegten Grundsatz nichts zu ändern, weil es keinen Unterschied machen kann, ob ein auch für den Vermieter zulässig kürzer befristeter Mietvertrag oder ein für den Vermieter unzulässig kürzer befristeter Mietvertrag auf die in § 29 Abs 2 MRG vorgesehenen Fristen verlängert wird. Daß die 5-jährige Vertragsdauer nicht erst ab dem Ende, sondern ab dem Beginn des ersten Mietvertrages mit der Beklagten laufen sollte und die Klägerin lediglich auf die Auflösung nach der ersten vereinbarten Frist verzichten wollte, ergibt sich aus den mehrfachen Hinweisen auf die gesetzlichen Auflösungsgründe des § 29 Abs 2 MRG im zweiten Vertragswerk und insbesondere aus dem in Punkt XXIII lit c enthaltenen Passus, daß die Bemessungsgrundlage für die Gebührenbemessung 4,5 Jahre - im ersten Mietvertrag: ein halbes Jahre - beträgt.
Das Gericht zweiter Instanz hat auch zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß der mit der Beklagten geschlossene Mietvertrag, der auf jenen ihres Lebensgefährten folgte, nicht ein dem Kettenmietvertrag ähnlicher Umgehungsversuch des Mietrechtsgesetzes, der einem Kettenmietvertrag gleichzustellen wäre, beurteilt werden kann. Ein solches Umgehungsgeschäft wird zwar von Lehre und Rechtsprechung angenommen, wenn der neue Mietvertrag mit einem bisherigen Hausgenossen des alten Mieters abgeschlossen wird, sodaß der alte Mieter nicht räumen muß, sondern mit seinem bisherigen Hausgenossen nur die Rollen tauscht und der bisherige Hausgenosse neuer Mieter und der alte Mieter Hausgenosse des neuen Mieters wurde (SZ 63/50 mwN; JBl 1993, 192). Es kommt hiebei zwar nicht auf die spezielle Umgehungsabsicht der Parteien an. Entscheidend ist aber doch, daß das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt und durch den von den Parteien gewählten Umweg letztlich ein gleiches wirtschaftliches Ergebnis erzielt wird (SZ 63/50 ua). Gerade die wirtschaftliche Ungleichwertigkeit des mit Harald J***** einerseits und mit der Beklagten andererseits geschlossenen Mietvertrages verbietet im vorliegenden Fall jedoch die Annahme eines Umgehungsgeschäftes. Durch den mit der Beklagten geschlossenen Studentenmietvertrag - der zunächst noch selbst bei Annahme eines dem Kettenmietvertrag ähnlichen Mietvertrages gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG zulässig befristet gewesen wäre - und durch dessen Verlängerung auf die in § 29 Abs 2 MRG vorgesehene Frist entstand insbesondere auch für die Klägerin als Vermieterin eine wesentlich anders gelagerte Situation als bei einem zeitlichen befristeten Mietvertrag nach § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG, da für sie nun der Mietvertrag für die Dauer der Ausbildung bzw. der gesetzlich vorgesehenen Fristen des § 29 Abs 2 MRG unauflösbar wurde. Im Vordergrund stand jetzt die Sicherung der Wohnmöglichkeit der Beklagten während ihrer Ausbildung an der medizinischen Fakultät. Es fehlen daher die Voraussetzungen für die Annahme eines Umgehungsgeschäftes zwecks Ausschaltung der höchstmöglichen einjährigen Befristung des Mietvertrages, sodaß die 5-jährige Frist des § 29 Abs 2 MRG nicht bereits ab dem Mietvertragsbeginn mit Harald J*****, sondern erst ab 15.10.1988 zu laufen begann und daher am 14.10.1993 endete. Die Untergerichte haben somit der Räumungsklage zu Recht stattgegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)