OGH 7Ob517/88

OGH7Ob517/8814.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Robert O***, Rechtsanwalt, Kapfenberg, Wienerstraße 60, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Baugesellschaft Dipl.Ing. R*** Gesellschaft mbH, Bruck an der Mur, Fridrichallee 2, wider die beklagte Partei Ö*** L*** AG, Wien 1., Am Hof 2,

vertreten durch Dr. Wilhelm Grünauer, Dr. Wolfgang Putz und Dr. Wolfgang Pösch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Anfechtung und Zahlung von S 6,709.929,76 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 14. Oktober 1987, GZ 2 R 186/87-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 24. Juli 1987, GZ 2 f Cg 50/86-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß die in der Zeit vom 11.10.1985 bis 27.11.1985 erfolgte Umbuchung eines Betrages von S 6,709.929,76 vom Konto 750136880/00 der Baugesellschaft Dipl.Ing. R*** Gesellschaft mbH auf das Konto 750135113/00 der Dipl.Ing. R*** Bruck/Mur Baugesellschaft mbH den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam ist.

Die beklagte Partei ist schuldig, an den Masseverwalter Dr. Robert O***, Rechtsanwalt in Kapfenberg, zugunsten der Konkursmasse der Baugesellschaft Dipl.Ing. R*** Gesellschaft mbH den Betrag von S 6,709.929,76 samt 4 % Zinsen seit dem Tag der Klagezustellung, das ist der 19.11.1986, die mit S 184.296,32 (darin S 10.181,57 an Umsatzsteuer und S 72.299,-- an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz und die mit S 162.308,45 (darin S 5.150,95 an Umsatzsteuer und S 105.648,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, dem Masseverwalter Dr. Robert O*** die mit S 173.327,28 (darin S 2.648,03 an Umsatzsteuer und S 144.199,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 18.10.1985 das Ausgleichsverfahren und am 25.11.1985 der Anschlußkonkurs eröffnet. Auch das selbständige Tochterunternehmen der Gemeinschuldnerin, die Dipl.Ing. R*** Bruck an der Mur Baugesellschaft mbH, befindet sich seit den genannten Zeitpunkten im Ausgleich bzw. Anschlußkonkurs. Beide Gesellschaften standen mit der beklagten Bank jahrelang in laufender Geschäftsverbindung und durften bis 30.9.1985 Kredite in Millionenhöhe ausnutzen. Bei der Filiale der beklagten Partei in Bruck an der Mur wurden unter anderem ein kreditorisches Konto der späteren Gemeinschuldnerin (A) und ein debitorisch geführtes Rahmenkreditkonto des Tochterunternehmens (B), das laufend "mit Zessionen besichert" war, geführt. Schon am 1.2.1983 hatten die Gemeinschuldnerin und ihr Tochterunternehmen der beklagten Partei eine schriftliche Erklärung folgenden Wortlautes ausgestellt: "Wir ermächtigen Sie, die Guthaben und Verbindlichkeiten unserer bei Ihnen geführten Konten" - das sind die oben mit A und B bezeichneten - "gegeneinander aufzurechnen sowie Überträge von einem auf ein anderes Konto vorzunehmen, falls Ihnen dies notwendig erscheinen sollte." Am 11.10.1985 sperrte die beklagte Partei nach einer vorausgegangenen Buchprüfung überraschend sämtliche Konten, sodaß kein ausnützbarer Kreditrahmen mehr zur Verfügung stand. Dies hatte den finanziellen Zusammenbruch der Firmengruppe zur Folge. Am gleichen Tag buchte die beklagte Partei, Filiale Bruck an der Mur, zu Lasten des kreditorischen Kontos A der Gemeinschuldnerin mit Wert 10.10.1985 einen Betrag von S 6,709.929,76 - ein Guthaben, das durch eine Umsatzsteuerrückvergütung entstanden war - ab und brachte ihn dem debitorisch geführten Konto B des Tochterunternehmens gut. Damit wurde der Debetsaldo auf dem Konto B des Tochterunternehmens teilweise abgedeckt.

Mit der am 13.11.1986 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die erfolgte Umbuchung den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam sei, und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des gutgebuchten Betrages an ihn zugunsten der Konkursmasse. Er stützt die Anfechtung auf die Tatbestände des § 30 Abs 1 Z 1 und des § 31 Abs 1 Z 2 KO. Der beklagten Partei sei die bereits im Mai 1985 eingetretene Zahlungsunfähigkeit beider Gesellschaften bekannt gewesen.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Einräumung einer Kompensationsberechtigung und die Schaffung einer Kompensationslage dem Grunde nach liege außerhalb der Anfechtungsfrist und sei daher "anfechtungsfest". Der Debetsaldo des Tochterunternehmens sei bereits fällig gewesen.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht vertrat in seiner rechtlichen Beurteilung die Ansicht, die von der beklagten Partei erlangte Befriedigung sei als kongruent iS des § 30 Abs 1 Z 1 KO anzusehen. Dazu komme der - für sich allein schon entscheidende - Umstand, daß die beklagte Partei gar nicht als Gläubigerin der Gemeinschuldnerin befriedigt worden sei, sondern als Gläubigerin des Tochterunternehmens, welches seinerseits im Umfang der Umbuchung von seiner Schuld gegenüber der beklagten Partei befreit worden, aber gleichfalls nicht Gläubigerin der Gemeinschuldnerin gewesen sei. Es sei eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Anfechtung nach § 30 KO, daß der sichergestellte oder befriedigte Gläubiger auch ein Gläubiger des späteren Gemeinschuldners sei. Im ersten Fall des § 31 Abs 1 Z 2 KO sei nur die Sicherstellung oder Befriedigung von Konkursgläubigern, nicht aber eine Deckungshandlung zugunsten von Absonderungsgläubigern, Massegläubigern, § 58 KO-Gläubigern sowie Gläubigern Dritter anfechtbar. Die beklagte Partei sei Gläubigerin eines Dritten, nämlich des Tochterunternehmens der Gemeinschuldnerin, gewesen. Es sei nie behauptet worden, daß das Tochterunternehmen Konkursgläubiger der Gemeinschuldnerin sei. Auch eine Anfechtung nach dem zweiten Fall des § 31 Abs 1 Z 2 KO sei nicht zielführend. Die beklagte Partei habe bei der Umbuchung vom 11.10.1985 lediglich von der ihr schon im Jahre 1983 wirksam eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Eine freiwillige Zahlung einer fremden Schuld durch die Gemeinschuldnerin dagegen habe zu dieser Zeit nicht stattgefunden.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nicht berechtigt ist allerdings die Anfechtung der Umbuchung des Betrages von S 6,709.229,76 vom Konto A der Gemeinschuldnerin auf das Konto B des Tochterunternehmens nach § 30 Abs 1 Z 1 KO. Die Grundlage der von der beklagten Partei vorgenommenen Umbuchung, nämlich die Ermächtigung der nachmaligen Gemeinschuldnerin und deren Tochtergesellschaft vom 1.2.1983, die Guthaben und Verbindlichkeiten ihrer bei der beklagten Partei geführten Konten gegeneinander aufzurechnen sowie Überträge von einem auf ein anderes Konto vorzunehmen, falls der beklagten Partei dies notwendig erscheinen sollte, wird vom Kläger in der Revision selbst - im Hinblick auf die Bestimmungen des § 30 Abs 2 und des § 31 Abs 4 KO - als "anfechtungsfest" angesehen.

Durch die Vornahme der Umbuchung vom 11.10.1985 erfolgte daher schon deswegen keine Begünstigung durch inkongruente Deckung im Sinne des § 30 Abs 1 Z 1 KO, weil die beklagte Partei zu dieser Umbuchung bereits am 1.2.1983 ermächtigt worden war. Nicht beizupflichten dagegen vermag der Oberste Gerichtshof dem Berufungsgericht, daß auch eine Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2, erster Fall, KO, daran scheitere, daß die beklagte Partei bei der Vornahme der Umbuchung - die als zur Sicherstellung oder Befriedigung führende "Rechtshandlung" im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen ist (König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung, Rz 293) - nicht Konkursgläubigerin der Gemeinschuldnerin, sondern nur deren Tochtergesellschaft gewesen sei. Dabei ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß der iS des § 31 Abs 1 Z 2 KO sichergestellte oder befriedigte Konkursgläubiger ein Konkursgläubiger des späteren Gemeinschuldners - nicht einer anderen Person - sein muß (Bartsch-Pollak, Konkursordnung3 Anm.5 b zu § 31 iVm Anm.16 zu § 30; König aaO Rz 292). Die Deckung fremder Verbindlichkeiten - wie auch vom Konkurs ausgeschlossener Forderungen - fällt nicht unter § 31 KO (Bartsch-Pollak aaO). Entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes war aber die beklagte Partei bei der Vornahme der Umbuchung als Gläubigerin auch der Gemeinschuldnerin anzusehen. Die beklagte Partei war auf Grund des Übereinkommens vom 1.2.1983 berechtigt, Guthaben und Verbindlichkeiten der Konten A und B gegeneinander aufzurechnen und Überträge von einem auf ein anderes Konto vorzunehmen. Durch dieses Recht, über das Konto der Gemeinschulderin zu verfügen, hat die beklagte Partei eine Gläubigerstellung auch gegenüber der Gemeinschuldnerin erlangt. Sie hatte nämlich als Gläubigerin Anspruch auf die von ihr tatsächlich vorgenommene Transferierung. Damit stand ihr aber auch eine Forderung gegen die Gemeinschuldnerin zu. Die Gemeinschuldnerin war entsprechend ihrer Zustimmungserklärung vom 1.2.1983 als Schuldnerin verpflichtet, die Umbuchung zu dulden. Zur Anfechtbarkeit der Sicherstellung oder Befriedigung bedarf es nicht eines aktiven Tätigwerdens oder Unterlassens des späteren Gemeinschuldners, das dann zur Sicherstellung oder Befriedigung des Konkursgläubigers führt. Es genügt, wenn die Sicherstellung oder die Befriedigung auf Kosten der nachmaligen Konkursmasse erfolgen (König aaO Rz 293). Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wurde von der beklagten Partei nicht (ausdrücklich) bestritten. Es ergibt sich zudem aus den Feststellungen, daß die beklagte Partei die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin bei Vornahme der Umbuchung zumindest kennen mußte, sodaß eine Unkenntnis als verschuldet angesehen werden müßte. Der Revision war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung erfolgte hinsichtlich der Verfahrenskosten erster Instanz nach § 41 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach den §§ 41, 50 ZPO.

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