OGH 7Ob516/89

OGH7Ob516/892.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** S***,

vertreten durch Dr. Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Margarethe W***, Hausfrau, Henndorf/Wallersee, Mühlenweg 1, vertreten durch Dr. Fritz Oberrauch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 9. November 1988, GZ 21 R 322/88-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 9. Mai 1988, GZ 10 C 1132/87k-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.977,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 329,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

In Abänderung einer erstgerichtlichen Entscheidung hat das Berufungsgericht einer auf § 30 Abs.2 Z 6 MRG gestützten Aufkündigung betreffend eine Wohnung in dem der Klägerin gehörigen Haus in Salzburg, Leonhard-von-Keutschach-Straße 31, stattgegeben. Es ging hiebei von den erstrichterlichen Feststellungen aus, denenzufolge die Beklagte ihren Wohnbedarf zur Gänze im Hause ihres Ehegatten in Henndorf am Wallersee befriedigt. Seit ca. 1982/83 wohnen die Beklagte und ihr Ehegatte regelmäßig in dem erwähnten Sommerhaus. Die Beklagte benützt die aufgekündigte Wohnung in Salzburg nur fallweise, wenn sie z.B. mehrwöchige Kurbehandlungen im Salzburger Kurhaus absolviert. Der Schwerpunkt ihrer Lebensinteressen liegt in Henndorf. Im übrigen benützt die Beklagte die aufgekündigte Wohnung nur stundenweise zum Wäschewaschen oder zum Baden. Ein konkreter Bedarf für eine regelmäßige Benützung in absehbarer Zeit wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt. In den Jahren 1985/86 wurde die Klägerin von anderen Mietern des Hauses auf die nicht regelmäßige Benützung der Wohnung durch die Beklagte hingewiesen. Aufgrund dieser Anzeigen hat die Klägerin die Beklagte dahin belehrt, daß bei nicht regelmäßiger Benützung des Bestandobjektes der Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 6 MRG vorliegt. Sie hat auch keinen Zweifel daran gelassen, daß sie in der nicht regelmäßigen Benützung der Wohnung durch die Beklagte den Kündigungsgrund erblicken würde. Der Beklagten wurde lediglich die Möglichkeit geboten, zu den diesbezüglichen Angaben anderer Mieter Stellung zu nehmen. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, daß sich die Situation nicht geändert habe, ermittelte die Klägerin den Stromverbrauch hinsichtlich der Wohnung und brachte die Aufkündigung ein (bezüglich der detaillierten Feststellungen kann auf die Wiedergaben im angefochtenen Urteil Seite 126 bis 129 und 137 verwiesen werden).

Das Berufungsgericht hat unter Anführung der Judikatur die Rechtsansicht vertreten, daß, falls eine Wohnung zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung vom Mieter nicht regelmäßig benützt werde, dieser die Aufkündigung nur dann abwehren könne, wenn er den Beweis dafür antritt, daß bereits im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung die konkrete Aussicht bestand, in die aufgekündigte Wohnung wieder zurückzukehren. Eine erst im Kündigungsprozeß gefaßte Absicht reiche dafür nicht aus. Nur wenn gerechtfertigte Gründe dafür vorliegen, daß der Mieter in der nächsten Zukunft wieder in die aufgekündigte Wohnung zurückkehren werde, sei der Kündigungsgrund nicht gegeben. Im vorliegenden Fall sei derartiges von der Beklagten nicht bewiesen worden. Bloße Zeugenaussagen oder die Aussage der Beklagten als Partei reichen für ein entsprechendes Vorbringen nicht aus. Die Behauptung, die Beklagte und ihr Gatte könnten aufgrund ihres Alters in Zukunft das Sommerhaus in Henndorf nicht ständig betreuen und instandhalten, sei nicht geeignet, die Kündigung abzuwehren, weil auf in der Zukunft liegende Möglichkeiten des Bedarfes an der Wohnung nicht Bedacht genommen werden könne und daher bei Ungewißheit, ob der Mieter die aufgekündigte Wohnung in näherer Zukunft wieder benützen werde, ein schutzwürdiges Interesse des Mieters auch dann zu verneinen sei, wenn die derzeit verwendete Unterkunft im Grunde seines Wohnbedürfnisses auf Dauer nicht entspreche.

Von einem Verzicht der Klägerin auf Geltendmachung des Kündigungsgrundes könne deswegen nicht ausgegangen werden, weil ein solcher nur anzunehmen wäre, wenn dem Vermieter die Nichtbenützung der Wohnung durch viele Jahre bekannt gewesen sei, ohne daß er eine Kündigung eingebracht hätte. Da es für den Vermieter jedoch unter Umständen außerordentlich schwer sei festzustellen inwieweit der Mieter die Räume benütze, könne ihm auch nicht zugemutet werden, ohne entsprechende Grundlage vorzeitig eine Aufkündigung einzubringen und sich hiebei den Kostenfolgen eines verlorenen Rechtsstreites auszusetzen. Unter Bedachtnahme auf diese Rechtsprechung könne vorliegendenfalls von einer Verschweigung des Kündigungsrechtes nicht ausgegangen werden. Die Kenntnis der bloßen Tatsache der eingeschränkten Benützung würde im übrigen für die Annahme eines Verzichtswillens nicht ausreichen, weil die als Voraussetzung für die Annahme eines stillschweigenden Verzichtes anzunehmende Kenntnis des Vermieters nicht nur die objektive Einschränkung der Benützung, sondern auch den Wegfall des schutzwürdigen Interesses umfassen müßte.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gemäß § 502 Abs.4 Z 1 ZPO unzulässig.

Zutreffend verweist die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung darauf, daß gemäß § 503 Abs.2 ZPO eine nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässige Revision nur auf den Revisionsgrund der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes gestützt werden kann, der erhebliche Bedeutung im Sinne der erwähnten Gesetzesstelle zukommt. Aus diesem Grunde sind einfache Mängelrügen nicht geeignet, derartige Revisionen zu rechtfertigen. Im vorliegenden Fall wurde in der Revision lediglich die Unterlassung eines Ortsaugenscheines und der Beischaffung eines Aktes gerügt. Welche konkrete erstrichterliche Feststellung im Falle der Durchführung eines Ortsaugenscheines eine Änderung erfahren hätte können, läßt die Revision nicht erkennen, sodaß nicht einmal eine ordnungsgemäß ausgeführte Mängelrüge vorliegt. Was den erwähnten Akt des M*** S*** anlangt, so wurde dessen Beischaffung nur zur Dartuung eines stillschweigenden Kündigungsverzichtes durch Verstreichenlassen eines längeren Zeitraumes beantragt (S. 69 d.A.). Daß die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes unrichtig wären, kann auch die Revision nicht dartun. Ob in einem festgestellten Verhalten ein stillschweigender Kündigungsverzicht erblickt werden muß, ist jedoch eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

Die übrigen Rechtsfragen wurden vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit einer langjährigen und einhelligen Judikatur gelöst (zum Kündigungsgrund an sich MietSlg. 33.381, 31.419 u.a., zur Frage eines zukünftigen Bedarfes und der diesbezüglichen Behauptungs- und Beweispflicht MietSlg. 31.428, 31.423, 28.364 u.a., zur Frage eines stillschweigenden Kündigungsverzichtes MietSlg. 29.370, 28.370, 27.425 u.a.). Es besteht daher kein Bedürfnis nach einer weiteren Entscheidung zu diesen Fragen. Insbesondere bedarf es auch nicht einer Entscheidung zur Frage, ob die Benützung der Wohnung für das Waschen von Wäsche und das Nehmen von Bädern den herangezogenen Kündigungsgrund ausschließt, weil schon der Gesetzeswortlaut nur von einer Benützung der Wohnung zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses, nicht aber für gelegentliche einzelne Verrichtungen spricht. Demnach ist nur ein Bedarf für Wohnzwecke von ausschlaggebender Bedeutung (Würth in Rummel, Rz 32 zu § 30 MRG und die dort zitierte Judikatur). Das Berufungsgericht hat seinen Zulassungsausspruch damit begründet, daß der Frage einer Vermietung durch eine Gebietskörperschaft, die das öffentliche Interesse einer ausreichenden Wohnraumversorgung der Bevölkerung wahrzunehmen hat, erhebliche Bedeutung zukomme. Im vorliegenden Fall spielt diese Frage jedoch überhaupt keine Rolle, weil schlechthin das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs.2 Z 6 MRG und ein allfälliger Verzicht auf Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes zur Entscheidung stand. Die Eigenschaft der Klägerin als öffentlich-rechtliche Körperschaft spielte hier keine Rolle. Der Fall wurde so entschieden wie jeder andere Fall, bei dem der erwähnte Kündigungsgrund unter gleichen Verhältnissen auch von einer Privatperson herangezogen worden wäre.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO liegen daher nicht vor.

Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, mußten ihr Kosten für die Revisionsbeantwortung zuerkannt werden.

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