OGH 7Ob515/84

OGH7Ob515/8429.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Ernestine Z*****, vertreten durch Dr. Erich Wöhrle, Rechtsanwalt in Linz, wider den Antragsgegner Josef Z*****, vertreten durch Dr. Alfred Eichler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufteilung ehelicher Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 4. November 1983, GZ 13 R 758/83‑36, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 2. Mai 1983, GZ 21 F 19/82‑24, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00515.840.1129.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Als Ausgleichszahlung für die zwischen den Parteien bereits erfolgte außergerichtliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse wird angeordnet, dass der Antragsgegner der Antragstellerin einen Betrag von 200.000 S in monatlichen Raten von 4.000 S, beginnend ab 1. 6. 1983 und die danach bereits fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen zu zahlen hat.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin an Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens 16.504,85 S (darin 96,66 S Barauslagen und 1.208,01 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Begründung

Die Ehe der Parteien wurde am 3. 4. 1981 rechtskräftig gemäß § 55 Abs 3 EheG geschieden, wobei ausgesprochen wurde, dass das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Antragsgegner trifft. Die eheliche Gemeinschaft war bereits im September 1974 aufgehoben worden.

Nach der Ehescheidung verblieb der Antragstellerin sowohl die Ehewohnung als auch der mit 20.000 S zu bewertende Hausrat. Gegenstand des vorliegenden Aufteilungsverfahrens ist lediglich die von der Antragstellerin begehrte Ausgleichszahlung für eine Liegenschaft, die zwar vom Antragsgegner in die Ehe eingebracht worden war, auf der aber während der Ehe ein Haus teilweise errichtet wurde. Im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft hatte das teilweise vollendete Haus ohne Berücksichtigung des Grundstücks einen Wert von 443.000 S. Nach dem Baukostenindex zum 30. 3. 1982 (offenbar letzter Index vor dem erstgerichtlichen Sachverständigengutachten) aufgewertet ergibt das einen Zeitwert von 801.000 S. Beim Hausbau hatten beide Ehegatten mitgeholfen, doch wurde der Großteil des Baues von Professionisten durchgeführt. Eine Reihe von Darlehen hat der Antragsgegner zum Teil schon zurückbezahlt, zum anderen Teil treffen sie auch in Zukunft ihn allein.

Die Antragstellerin ist seit 1958 nicht mehr berufstätig. Sie führte den ehelichen Haushalt. Auch heute lebt sie nur vom Unterhalt des Antragsgegners. Aufgrund eines nach der Scheidung geschlossenen Vergleichs zahlt der Antragsgegner der Antragstellerin einen monatlichen Unterhalt von 2.700 S zuzüglich ca 800 S monatlich Mietzins. Daneben verpflichtete er sich, als Anteil der Ehegattin an der erhaltenen Abfertigung 47.500 S in Monatsraten von 4.000 S, beginnend ab 1. 1. 1982, zu zahlen. Dieser Unterhaltsvereinbarung lag ein Einkommen des Antragsgegners von 10.264 S im Monat und ein monatlicher Mehraufwand von rund 3.000 S für seine Invalidität zugrunde. Der Antragsgegner ist nämlich nach einem Arbeitsunfall im Jahre 1936 100 % invalide. Er fährt seit 1981 im Rollstuhl. Derzeit bezieht er einschließlich eines Hilflosenzuschusses rund 15.000 S monatlich an Pension.

Die Antragstellerin begehrte für das Haus eine Ausgleichszahlung von 250.000 S und für Hausrat, der aber nicht mehr Streitgegenstand ist, weitere 50.000 S.

Die Vorinstanzen haben der Antragstellerin 115.000 S samt 4 % Zinsen seit 28. 9. 1974, zahlbar in monatlichen Raten von 4.000 S, beginnend ab 1. 6. 1983 zuerkannt. Rechtlich gingen sie davon aus, dass auch die Bemessung einer Ausgleichszahlung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Billigkeit zu erfolgen habe. Unter den gegebenen Umständen könne der Antragstellerin lediglich etwas weniger als die Hälfte des Werts des Hauses zuerkannt werden. Der Wert der Liegenschaft selbst habe außer Betracht zu bleiben, weil diese vom Antragsgegner in die Ehe eingebracht worden sei. Weniger als die Hälfte des Werts sei der Antragstellerin deshalb zuzusprechen, weil sie die gesamte Wohnungseinrichtung erhalten habe. Es sei vom Wert des Hauses zum Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft auszugehen. Von diesem Wert müssten die damaligen Schulden in Abzug gebracht werden. Hiedurch gelange man zu einem Betrag von 225.500 S. Unter Bedachtnahme auf die Überlassung der Wohnungseinrichtung an die Antragstellerin sei dieser eine Ausgleichszahlung von 115.000 S zu leisten. Bei der Festsetzung dieses Betrags sei auf das Verschulden an der Ehescheidung nicht Bedacht zu nehmen. Berücksichtige man die Verhältnisse des Einzelfalls, insbesondere die Invalidität des Antragsgegners und den Umstand, dass dieser bereits erhebliche Leistungen aus seinem Einkommen zu erbringen habe, erweise sich die Auferlegung der Ausgleichszahlung in monatlichen Raten als gerechtfertigt, zumal auch darauf Bedacht genommen werden müsse, dass die Folgen der Scheidung in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Teile möglichst ausgeglichenen Weise zu regeln sind. Es soll die wirtschaftliche Grundlage der nunmehr getrennten Lebensführung nach dem konkreten Standard der beiderseitigen Lebensverhältnisse für beide Teile soweit wie möglich gesichert werden. Jede Zahlungsverpflichtung eines Ehegatten, die diesen in seiner wirtschaftlichen Lage nicht wohl bestehen ließe, widerspreche der nach § 94 Abs 1 EheG zu beachtenden Billigkeit.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Rekursgericht zugelassene, von der Antragstellerin erhobene Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.

Die Rekurswerberin lässt die zutreffende Ansicht der Vorinstanzen unbekämpft, dass der Wert des vom Antragsgegner in die Ehe eingebrachten Grundstücks im Sinn des § 82 Abs 1 Z 1 EheG nicht zu veranschlagen ist. Sie bekämpft aber mit Recht die Ansicht der Vorinstanzen, dass der für das Jahr 1974 festgestellte Wert des Hauses im damaligen Bauzustand keine Aufwertung zu erfahren habe. Wohl ist der Vermögensstand zum Zeitpunkt der Auflösung der Lebensgemeinschaft maßgebend, doch führt dies lediglich dazu, dass die nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch einen geschiedenen Ehegatten vorgenommenen weiteren Wertschöpfungen nicht zur Aufteilung gelangen. Der Zeitpunkt der Aufhebung der Hausgemeinschaft ist demnach nur für die Feststellung des zu verteilenden Vermögens maßgebend, nicht aber für dessen Bewertung. Der Wert des nach dem Stichtag der Auflösung der Ehegemeinschaft aufzuteilenden Vermögens ist vielmehr in der Regel (wenn nämlich nicht eine nachträgliche Wertvermehrung nur auf die Tätigkeit eines Ehegatten zurückzuführen war) bis zum Tage der tatsächlichen Auseinandersetzung, das ist bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Aufteilungsverfahren aufzuwerten. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass demjenigen ehemaligen Ehegatten, der eine Ausgleichszahlung erhält, jener Wert zukommt, der ihm auch bei realer Aufteilung zugekommen wäre ( Bydlinski in FS Schwind 38 f, Pichler in Rummel , ABGB, Rdz 9 zu § 84 EheG; nunmehr ständige Rechtsprechung RZ 1981/76, JBl 1983, 316 und 648 ua). Dass der Antragsgegner durch den Weiterbau des Hauses einen Wertverlust des Rohbaus hintangehalten habe, ist eine unzulässige Neuerung im Revisionsrekursverfahren (vgl auch Beil ./B). Der nur infolge des Bauindex erheblich höhere Zeitwert als bei Auflösung der Ehegemeinschaft ist demnach bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen.

Hingegen ist der Standpunkt der Antragstellerin betreffend die im Zusammenhang mit der Errichtung des Hauses eingegangenen Schulden unrichtig. Rückzahlungen auf diese Schulden, die der Antragsgegner nach der Auflösung der Ehegemeinschaft gemacht hat, haben den Vermögensstand nach dem Stichtag verändert und sind nicht mehr zugunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen.

Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Rekurswerberin, dass der Verschuldensausspruch im Ehescheidungsverfahren zum Zuspruch einer höheren Ausgleichszahlung führen müsse. Wohl schließt § 83 Abs 1 EheG, der die maßgeblichen Kriterien für die Billigkeitsentscheidung nur beispielsweise aufzählt, die Berücksichtigung eines Verschuldens an der Auflösung der Ehe nicht geradezu aus. Andererseits hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er ein solches Verschulden grundsätzlich nicht berücksichtigen will (RV 916 BlgNR 14. GP 15). Die Rechtsprechung hat in diesem Sinn einen Schuldausspruch meist dort berücksichtigt, wo es um die Einräumung einer Optionsmöglichkeit ging (JBl 1983, 488 ua). Sonst wird ein rein eherechtliches Verschulden teils gar nicht in Betracht gezogen (EvBl 1981/49 ua), teils aber die Unbilligkeit berücksichtigt, dass der völlig schuldlose Teil infolge der durch das ehewidrige Verhalten des anderen Teils ausgelösten Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten käme (EFSlg 41.373 ua). Nach der vom erkennenden Senat geteilten Auffassung Pichlers (aaO Rdz 1 zu § 84) ist das Verschulden an der Auflösung der Ehe nur dann ein Kriterium für die Billigkeitsentscheidung, wenn es für die vermögensrechtliche Entwicklung während der Ehe im weitesten Sinn bedeutsam war, zB Verschwendungssucht, eine kostenverursachende Vernachlässigung der Kindererziehung oder der Haushaltsführung oder Setzung von Scheidungsgründen in der Absicht, bei der Aufteilung gerade jetzt besonders gut abzuschneiden. Anhaltspunkte in diesen Richtungen bestehen aber im vorliegenden Fall nicht. Bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung hat deshalb unter den gegebenen Umständen das im Ehescheidungsverfahren festgestellte Verschulden des Antragsgegners außer Betracht zu bleiben.

Ausgehend vom valorisierten Wert des Hauses und von dem von keiner Partei mehr bestrittenen Umstand, dass die Antragstellerin durch die Haushaltsführung und die Betreuung des invaliden Antragsgegners einen etwa gleich hohen Beitrag zum Vermögenserwerb geleistet hat wie der verdienende Antragsgegner, erscheint unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragstellerin Hausrat im Wert von 20.000 S erhalten und überdies die Ehewohnung behalten hat, eine Ausgleichszahlung von 200.000 S statt der von ihr selbst im Antrag veranschlagten 250.000 S (weitere 50.000 S waren ausdrücklich als Ausgleichszahlung für weiteren Hausrat begehrt) für angemessen. Infolge der Aufwertung hat dabei die von den Vorinstanzen zugesprochene Verzinsung zu entfallen.

Nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen ist dem Antragsgegner die Ratenzahlung zu ermöglichen. Nach § 94 Abs 2 EheG kann die Entrichtung der Ausgleichszahlung in Teilbeträgen angeordnet werden, wenn dies für den Ausgleichspflichtigen wirtschaftlich notwendig und dem Ausgleichsberechtigten zumutbar ist. So soll die wirtschaftliche Grundlage der nunmehr getrennten Lebensführung nach dem konkreten Standard der beiderseitigen Lebensverhältnisse für beide Teile soweit wie möglich gesichert werden. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller infolge seiner Invalidität nicht in der Lage ist, ein höheres Einkommen als sein derzeitiges zu erzielen. Dieses Einkommen ist bereits mit erheblichen Unterhaltspflichten gegenüber der Antragstellerin sowie mit der Verpflichtung zur Rückzahlung von alten Schulden belastet. Die Antragstellerin muss zugeben, dass dem Antragsgegner eine andere als die ihm auferlegte Ratenzahlung nur durch Aufnahme eines Kredits möglich wäre. Ob letztere überhaupt gelingen könnte, muss hier nicht untersucht werden. Keinesfalls würde es nämlich der Billigkeit entsprechen, den Antragsgegner zur Aufnahme eines Kredits zu nötigen, der ihn mit weiteren, kaum noch tragbaren Verpflichtungen belasten müsste. Die dem Antragsgegner zugestandenen Raten erscheinen auch aus dem Gesichtspunkt der langen Laufzeit nicht unangemessen, zumal die schon in der erstinstanzlichen Entscheidung ab 1. 6. 1983 zugesprochenen Beträge bereits fällig geworden sind.

Die Rekurswerberin vermisst auch zu Unrecht einen Ausspruch darüber, dass die Ausgleichszahlung bei sonstigem Zwang zu leisten ist. Die Exekutionsfähigkeit der gerichtlichen Entscheidung ergibt sich schon aus dem Gesetz selbst (§ 1 Z 6 EO, §§ 12 und 18 AußStrG).

Infolge der Änderung der Entscheidung in der Hauptsache war auch eine neue Kostenentscheidung vorzunehmen. Sie hatte gemäß § 234 AußStrG nach billigem Ermessen zu erfolgen. Bemessungsgrundlage ist dabei nach der zutreffenden Ansicht des Rekursgerichts der begehrte Betrag; es handelt sich um keine „Ehesache“ nach § 10 Z 4a RAT.

Die Antragstellerin hat in erster Instanz im Ergebnis mit 2/3 ihres Anspruchs obsiegt, sodass ihr nach allgemeinem Kostenrecht ein Drittel der Kosten, auf der Bemessungsgrundlage des gesamten begehrten Betrags, zustünde. Dieser Zuspruch erscheint auch nach Billigkeitsgrundsätzen angemessen. Ein Vergleichsanbot des Antragsgegners war nicht zu berücksichtigen, weil es weder aktenkundig ist noch ohne Teilanerkenntnis zur Kostenersparnis führen konnte. Für verfahrensabhängige Schriftsätze waren hingegen billigerweise Kosten nicht zuzusprechen. Im Rechtsmittelverfahren ist die Antragstellerin nur noch mit rund der Hälfte ihres noch strittigen Begehrens durchgedrungen, sodass insofern eine Kostenaufhebung am Platz ist.

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