OGH 7Ob512/83

OGH7Ob512/8317.2.1983

SZ 56/25

Normen

ABGB §1075
ABGB §1075

 

Spruch:

Beim Verkauf an eine Gemeinde beginnt die Frist zur Einlösung der Sache durch den Vorkaufsberechtigten nach Übersendung des Kaufvertragsentwurfes mit der Kenntnis des diesen Vertrag genehmigenden Gemeinderatsbeschlusses zu laufen. Das Eintrittsrecht wird nur durch die Erklärung der Ausübung und die wirkliche Zahlung innerhalb der Einlösefrist wirksam ausgeübt

OGH 17. 2. 1983, 7 Ob 512/83 (OLG Innsbruck 2 R 242, 315/82; LG Innsbruck, 10 Cg 176/82)

Text

Der Erstbeklagte ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 7 II KG H, zu deren Gutsbestand die Grundstücke 15/1 und 265 gehörten. Zugunsten des Klägers war in Ansehung dieser beiden Grundstücke ein Vorkaufsrecht bücherlich einverleibt.

Der Erstbeklagte verkaufte die beiden Grundstücke mit Kaufvertrag vom 5. 6./2. 7. 1979 an die zweitbeklagte Marktgemeinde. Dieser Kaufvertrag ist nie verbüchert worden, obwohl dessen Genehmigung durch den Gemeinderat der Zweitbeklagten am 13. 2. 1980 erfolgte. Anfang 1980 kamen die beiden Beklagten überein, den Kaufvertrag wieder aufzuheben und einen Tauschvertrag des Inhalts abzuschließen, daß die Zweitbeklagte dem Erstbeklagten für die beiden Grundstücke andere Grundstücke überläßt. In Ansehung des Tauschvertrages erhielt der Kläger kein Einlösungsangebot. Dieser Tauschvertrag wurde am 8. 2. 1982 bücherlich durchgeführt, wobei das Vorkaufsrecht des Klägers in die neu eröffnete Grundbuchseinlage mitübertragen wurde.

Der Kläger begehrt, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, gegen Zahlung von 180 000 S an den Erstbeklagten oder allenfalls an die Zweitbeklagte in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes ob den beiden Grundstücken einzuwilligen. Hilfsweise stellte er das Begehren, die Beklagten seien schuldig, einen Kaufvertrag bestimmten Inhaltes zu unterfertigen, allenfalls der Erstbeklagte sei diesbezüglich schuldig und die Zweitbeklagte habe den Kaufvertrag mitzuunterfertigen. Der Kläger macht geltend, er habe sein Vorkaufsrecht ausgeübt und auch den im ursprünglichen Kaufvertrag genannten Kaufpreis von 1 800 000 S bezahlt. Abgesehen davon, daß eine spätere einvernehmliche Auflösung des Kaufvertrages keinen Einfluß auf das Vorkaufsrecht habe, stelle der Tauschvertrag nur einen Scheinvertrag dar, der eine Ausübung des Vorkaufsrechtes vereiteln solle.

Das Erstgericht hat dem Hauptbegehren stattgegeben, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen ist: Nachdem der Erstbeklagte sowie der Gemeindesekretär der Zweitbeklagten und später deren Bürgermeister einen schriftlichen Vorvertrag, dessen Inhalt im wesentlichen dem späteren Kaufvertrag entsprach, unterfertigt hatten, teilte der Vertreter der Beklagten dem Kläger mit Schreiben vom 9. 7. 1979 den Abschluß eines Kaufvertrages unter Übersendung einer Abschrift des Vertrages mit. Der Vertreter des Klägers antwortet am 3. 8. 1979, daß der Kläger sein Vorkaufsrecht ausüben wolle. Er erhielt hierauf die Antwort, der Kaufvertrag bedürfe noch der Genehmigung des Gemeinderates der Zweitbeklagten, weshalb derzeit einer Eintrittserklärung des Klägers noch nicht nahegetreten werden könne. Schließlich wurde der Kaufvertrag in der Gemeinderatssitzung der Zweitbeklagten vom 13. 2. 1980 in Anwesenheit des Klägers genehmigt. Hiebei erfolgte unter Hinweis auf eine Einigung mit dem Erstbeklagten eine Festsetzung der Zahlungsbedingungen bezüglich des Kaufpreises von 1 800 000 S derart, daß die Hälfte am 20. 2. 1980 und der Rest nach grundbücherlicher Durchführung des Vertrages fällig sein sollte. Diese Genehmigung wurde am 18. 2. 1980 kundgemacht. Später wurde der Kläger nicht mehr zur Ausübung seines Vorkaufsrechtes aufgefordert. Zum Abschluß des Tauschvertrages kam es - wie bereits ausgeführt - erst in der Folge. Nachdem ein zu 10 Cg 327/80 des Landesgerichtes Innsbruck gestelltes Begehren des Klägers, das sich im wesentlichen mit dem vorliegenden deckte, mit der Begründung abgewiesen worden war, eine Einlösung sei noch nicht erfolgt, weil der Kläger die im Kaufvertrag vereinbarten Zahlungen nicht geleistet habe, überwies der Kläger dem Erstbeklagten am 2. 5. 1982 1 800 000 S. Nachdem der Erstbeklagte diese Zahlung zurückgewiesen hatte, erfolgte eine Überweisung an die Zweitbeklagte, die jedoch ebenfalls die Annahme verweigerte.

Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, der Tauschvertrag sei nur ein Scheingeschäft und wäre daher nach seinem wahren Charakter wie ein Kaufvertrag zu behandeln. Er berechtige den Kläger zur Ausübung seines Vorkaufsrechtes. Da der Kläger die Grundstücke zeitgerecht eingelöst habe, erweise sich das Hauptbegehren als gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht wies sämtliche Begehren des Klägers ab, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteigt. Es vertrat den Standpunkt, der spätere Rücktritt vom Kaufvertrag hätte daran, daß dieser Vertrag die Berechtigung zum Eintritt auf Grund des Vorkaufsrechtes ausgelöst habe, nichts mehr ändern können. Da der Kläger aber die Einlösung nicht innerhalb der Jahresfrist ab Zustandekommen des Kaufvertrages und Kenntnis von dessen Inhalt vorgenommen haben, sei das Vorkaufsrecht erloschen. Es gelte für keinen zweiten Vertrag, weshalb nicht untersucht werden müsse, ob der Tauschvertrag in Wahrheit ein Kaufvertrag sei oder nicht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auszugehen ist davon, daß die beiden Beklagten über die strittigen Grundstücke einen Kaufvertrag abgeschlossen haben, der durch die Genehmigung seitens des Gemeinderates der Zweitbeklagten wirksam geworden ist. Daß dieser Vertrag keine Rechtsgültigkeit erlangt habe, kann nicht einmal der Kläger ernsthaft behaupten. Vielmehr lief seine gesamte Argumentation im Verfahren 10 Cg 327/80 des Landesgerichtes Innsbruck darauf hinaus, daß der Kaufvertrag ungeachtet des späteren Tauschvertrages sein Eintrittsrecht ausgelöst habe. Auch im vorliegenden Verfahren wird der Tauschvertrag immer wieder als Scheinvertrag bezeichnet, der an der Wirkung des Kaufvertrages in bezug auf das Vorkaufsrecht nichts ändern hätte können. Daß der Kaufvertrag mangels Willenseinigung zwischen den Beklagten nicht zustande gekommen wäre, ist vom Kläger bisher nie behauptet worden. Insbesondere hat er die in der Gemeinderatssitzung vom 13. 2. 1980 in seiner Anwesenheit festgestellte Einigung der Vertragspartner über die Fälligkeit des Kaufpreises nie bestritten. Der Kläger hat vielmehr immer den Standpunkt vertreten, dieser Kaufvertrag sei rechtswirksam zustande gekommen.

Ist aber der Kaufvertrag zustande gekommen, bildete er die Grundlage für die Ausübung des Vorkaufsrechtes. Diesfalls begann die Frist zur Einlösung in jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Verpflichtete dem Berechtigten die Kenntnis aller Tatsachen verschafft hat, welche dieser kennen muß, wenn er sich über die Ausübung des Vorkaufsrechtes schlüssig werden soll, wie Gegenstand, Preis, Zahlungsmodalitäten, Bedingungen, Nebenrechte und -pflichten (Bydlinski in Klang[2] IV/2, 784). Durch Übersendung des Kaufvertragsentwurfes wurde dem Kläger der Inhalt des Kaufvertrages bekannt. Da er bei der Fassung des den Kaufvertrag genehmigenden Gemeinderatsbeschlusses anwesend war, kannte er auch die Zahlungsmodalitäten und den Umstand, daß der Vertrag nunmehr alle erforderlichen Zustimmungen erhalten hatte. Sohin begann die Frist des § 1075 ABGB mit diesem Zeitpunkt (13. 2. 1980) zu laufen. Der Kläger hätte daher innerhalb von dreißig Tagen ab diesem Zeitpunkt die Einlösung vornehmen müssen. Diese Einlösung setzt aber, wieder Kläger nun selbst erkennt und wie sich aus der Entscheidung des OGH im Vorprozeß (6 Ob 673/81) ergibt, auch die Zahlung des während dieser Frist fällig werdenden Kaufpreisteiles voraus. Das Eintrittsrecht wird also nur durch die Ausübungserklärung im Zusammenhang mit der wirklichen Zahlung wirksam ausgeübt, wobei beide dieser Akte fristgerecht erfolgen müssen. Die bloße Ausübungserklärung innerhalb der Frist ohne Zahlung ist unwirksam (Bydlinski aaO 841 f.).

Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Kläger zwar seine Ausübungserklärungen innerhalb von 30 Tagen ab dem 13. 2. 1980 abgegeben hat (daß die Erklärung in Wahrheit schon früher erfolgte, schadet nicht), eine Zahlung jedoch erst wesentlich später, nämlich im Jahre 1982, geleistet worden ist. Demnach waren die zum Eintritt erforderlichen Akte erst nach Ablauf der Frist des § 1075 ABGB gesetzt worden, sodaß durch sie eine wirksame Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht erfolgen konnte. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Frage, ob bei Stundung des gesamten Kaufpreises eine "Einlösung" nicht auch das Anbot einer Sicherstellung des Kaufpreises erfordert hätte (vgl. Bydlinski aaO 845 f.)

Bei dieser Sachlage spielt es keine Rolle, ob es sich bei dem Tauschvertrag wirklich um einen solchen gehandelt hat oder ob damit nur ein wahrer Wille der Vertragspartner in Richtung auf den Verkauf der Grundstücke verschleiert werden sollte. Im Hinblick auf die bereits vorher erfolgte Veräußerung der Grundstücke war das Vorkaufsrecht wirksam geworden. Eine Nichtausübung dieses Rechtes führte zu dessen Verlust, weshalb der Kläger ein Vorkaufsrecht auch dann nicht ausüben hätte können, wenn der zweite Vertrag eindeutig als Kaufvertrag konzipiert und bezeichnet worden wäre. Demnach ist es richtig, daß der Frage, ob der zweite Vertrag wirklich ein Tauschvertrag ist, keine Bedeutung zukommt, weil das Vorkaufsrecht durch nicht wirksame Ausübung auf Grund des ersten Vertrages bereits erloschen war. Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß die vom Erstgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht herangezogene Stelle bei Bydlinski (aaO 877 f.) einen anders gelagerten Fall zum Gegenstand hat. Bydlinski untersucht nämlich die Möglichkeiten zur Umgehung des Vorkaufsrechtes durch Wahl einer anderen Vertragstype als der des Kaufvertrages. Diese Untersuchung war notwendig, weil nach § 1078 ABGB das Vorkaufsrecht auf andere Veräußerungsarten ohne eine besondere Verabredung nicht ausgedehnt werden darf. Diese Bestimmung könnte daher durch die Wahl einer anderen Vertragsart eine Ausschaltung des Vorkaufsberechtigten ermöglichen. Im vorliegenden Fall wurde jedoch das Eintrittsrecht des Klägers auf Grund des Vorkaufsrechtes bereits durch den Abschluß eines vor dem Tauschvertrag liegenden Kaufvertrages ausgelöst, sodaß ein späterer Vertrag gar nicht mehr geeignet sein konnte, das durch den früheren Vertrag verbrauchte Vorkaufsrecht zum Schaden des Klägers auszuschalten.

Welche Wirkung die Mitübertragung des Vorkaufsrechtes im Zuge des Tauschvertrages hatte, muß nicht untersucht werden, weil im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet worden ist, daß zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten ein neues Vorkaufsrecht, etwa durch schlüssige Handlungen, zustande gekommen sei. Der Kläger stützt seinen Anspruch vielmehr auf die vor Übertragung der Grundstücke an die Zweitbeklagte erfolgte bücherliche Eintragung. Aus welchen Gründen immer die Mitübertragung des Vorkaufsrechtes erfolgte, ist hier unerheblich, weil diese Mitübertragung höchstens eine Bindung der Zweitbeklagten in bezug auf eine Weiterveräußerung der Grundstücke haben könnte. Eine Vereinbarung der Beteiligten über eine Ausdehnung des Vorkaufsrechtes auf weitere Veräußerungsfälle zwischen den beiden Beklagten hat der Kläger nicht behauptet.

Bei der gegebenen Sachlage erübrigt sich eine Erörterung der Frage, ob der Kläger auf ein neuerliches Anbieten der Einlösung auf Grund des Tauschvertrages verzichtet hat oder nicht.

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