OGH 7Ob507/81

OGH7Ob507/8129.1.1981

SZ 54/15

Normen

ABGB §1008
GmbHG §38 Abs2
GmbHG §38 Abs5
GmbHG §39 Abs3
GmbHG §52 Abs3
GmbHG §63
ABGB §1008
GmbHG §38 Abs2
GmbHG §38 Abs5
GmbHG §39 Abs3
GmbHG §52 Abs3
GmbHG §63

 

Spruch:

Zur Ausübung des Stimmrechtes in der Generalversammlung einer GesmbH ist eine ausdrücklich hierauf lautende Spezialvollmacht erforderlich

In der Einladung zur Generalversammlung einer GesmbH muß der Name eines zu bestellenden weiteren Geschäftsführers noch nicht genannt werden

Der Anspruch der Gesellschafter einer GesmbH auf gleichmäßige Behandlung wird durch die Erhöhung des Stammkapitals nicht verletzt, wenn ein Gesellschafter das Vorrecht auf verhältnismäßige Übernahme der neuen Stammeinlagen aus wirtschaftlichen Gründen nicht annehmen kann

OGH 29. Jänner 1981, 7 Ob 507/81 (OLG Wien 4 R 161/80; HG Wien 10 Cg 8/79)

Text

Die beklagte GesmbH wurde im Jahre 1927 errichtet. § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages lautete: "Die Generalversammlung muß 14 Tage vor ihrer Abhaltung durch eingeschriebenen Brief an jeden Gesellschafter einberufen werden." In einer am 14. Juli 1953 abgehaltenen Generalversammlung, an der nur die damalige Alleingesellschafterin Aktiengesellschaft für S beteiligt war, wurde eine Neufassung des Gesellschaftsvertrages beschlossen, die keine Frist für die Einladung zu einer Generalversammlung enthält. Diese Neufassung wurde bis heute nicht geändert.

In der Generalversammlung vom 6. November 1956 wurde das Stammkapital mit 1 000 000 S festgesetzt. Laut Anzeige vom 26. Feber 1968 entfiel von dem Stammkapital auf die Aktiengesellschaft für S in Zürich ein Stammanteil von 700 000 S und auf die Klägerin, ebenfalls eine Schweizer AG, ein Stammanteil von 300 000 S, so daß sich ein Beteiligungsverhältnis zwischen den Gesellschaftern von 70 : 30 zugunsten der Aktiengesellschaft für S ergab, das bis zur Generalversammlung vom 6. Dezember 1978 fortbestand.

In der Zeit vom 12. Oktober 1960 bis Ende Juli 1979 war Rechtsanwalt Dr. St Verwaltungsrat der Klägerin mit Einzelvertretungsbefugnis.

Im Frühjahr 1978 hatte die Beklagte den ihr von der C-Bank eingeräumten Kredit um 13 000 000 bis 18 000 000 S überzogen, weshalb die Bank auf Glattstellung des Kontos drängte. Hiebei verwies sie auf die erhebliche Unterkapitalisierung der Beklagten. Aus diesem Gründe faßte deren Mehrheitsgesellschafterin, die Aktiengesellschaft für S, eine Erhöhung des Stammkapitals auf 21 000 000 S ins Auge, worüber im Laufe des Jahres 1978 Konferenzen unter Teilnahme von Vertretern der Gesellschafter stattfanden. Am 27. November 1978 gab der Geschäftsführer der Beklagten Walter F eine Einladung an die Klägerin zu einer außerordentlichen Generalversammlung am 6. Dezember 1978 zur Post, in der als Tagesordnung angeführt war: "1. Bestellung eines weiteren Geschäftsführers, 2. Kapitalerhöhung um 20 000 000 S und Zulassung zur Übernahme der neuen Stammeinlagen."

Nachdem Dr. St diese Einladung am 29. November 1978 erhalten hatte, übermittelte er dem Klagevertreter Dr. Ph eine Vollmacht der Klägerin für die außerordentliche Generalversammlung vom 6. Dezember 1978, die wie folgt lautete: "Die unterzeichnete O AG bevollmächtigt anmit den Rechtsanwalt Dr. Otto Ph mit Substitutionsbefugnis, sie an der außerordentlichen Generalversammlung der S Gesellschaft m.b.H. vom 6. Dezember 1978 für alle ihre Anteile zu vertreten."

Zwischen der Absendung der Einladung und der außerordentlichen Generalversammlung äußerte die Klägerin kein Verlangen auf Bucheinsicht.

Zu Beginn der außerordentlichen Generalversammlung, bei der für dir Klägerin Dr. Ph intervenierte, erklärte der zum Vorsitzenden bestellte Werner Z, daß die von Dr. Ph vorgelegte Vollmacht nicht zur Ausübung des Stimmrechtes für die Klägerin berechtige. Dr. Ph verwies auf die Nichteinhaltung der seiner Meinung nach erforderlichen 14 tägigen Frist zwischen Einladung und Generalversammlung. Er erhob Widerspruch gegen die Anberaumung der Versammlung sowie später gegen alle im Verlaufe dieser Versammlung ergangenen Beschlüsse, deren wesentliche die Bestellung des Werner Z zum weiteren Geschäftsführer der Beklagten und eine Kapitalerhöhung um 20 000 000 S waren. Zur Übernahme des neuen Stammkapitals von 20 000 000 S wurde für einen Geschäftsanteil im Ausmaß von 70%, also im Nennbetrag von 14 000 000 S, nicht jedoch für einen Teil hievon, die Aktiengesellschaft für S und zur Übernahme für die restlichen 30%, also im Nennbetrag von 6 000 000 S, nicht jedoch für einen Teil hievon, die Klägerin zugelassen. Für den Fall, daß eine der Gesellschafterinnen ihr Übernahmsrecht nicht fristgerecht durch Übernahmserklärung bis längstens 31. Jänner 1979 ausüben sollte, wurde zur Übernahme des nicht fristgerecht übernommenen Geschäftsanteiles die andere Gesellschafterin zugelassen.

Zur Abstimmung über die Kapitalerhöhung ließ der Vorsitzende den Rechtsanwalt Dr. Ph nicht zu, so daß diesbezüglich von einem einstimmigen Beschluß ausgegangen wurde, während der Beschluß über die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers im Verhältnis 70: 30 (gegen die Stimme der Klägerin) gefaßt wurde.

Die erforderlichen behördlichen Genehmigungen für die Kapitalerhöhung wurden erteilt. Da die Klägerin keine fristgerechte Übernahmserklärung abgegeben hatte, erklärte die Aktiengesellschaft für S, nachdem sie bereits bezüglich 14 000 000 S eine Übernahmserklärung abgegeben hatte, auch die weiteren 6 000 000 S durch Barzahlung zu übernehmen.

Die Klägerin begehrt, die in der Generalversammlung vom 6. Dezember 1978 gefaßten Beschlüsse auf Fortführung der Generalversammlung, auf Bestellung des Werner Z zum weiteren Geschäftsführer, auf Ablehnung der Vertagung der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung um 20 000 000 S bis zur Vorlage der Bilanz 1977 und über die Kapitalerhöhung für nichtig zu erklären. Hilfsweise stellt sie das Eventualbegehren auf Feststellung der Nichtigkeit der im Hauptbegehren genannten Beschlüsse. Sie vertritt den Standpunkt, die Ladung zur Generalversammlung sei ihr nicht rechtzeitig zugestellt worden. Die Nichtzulassung Dris. Ph zur Stimmabgabe sei rechtswidrig gewesen. Außerdem bewirke der Beschluß über die Kapitalerhöhung eine Benachteiligung der Klägerin, weshalb er gesetz- und sittenwidrig sei. Die Bestellung des Werner Z sei nichtig, weil dieser einerseits in der Einladung nicht genannt gewesen sei und andererseits als durch den Beschluß Begünstigter auch nicht für die Aktiengesellschaft für S abstimmen hätte dürfen.

Die Untergerichte haben das Klagebegehren abgewiesen. Rechtlich vertraten sie im wesentlichen den Standpunkt, maßgebend für die bei Einberufung einer Generalversammlung einzuhaltende Frist sei lediglich der Gesellschaftsvertrag in der geltenden Fassung. Da dieser im Jahre 1978 keine eigene Einberufungsfrist enthalten habe, hätte die Frist des § 38 Abs. 1 GmbHG gegolten, die bezüglich der Generalversammlung vom 6. Dezember 1978 eingehalten worden sei. Für die Ausübung des Stimmrechtes bei der Generalversammlung wäre gemäß § 39 Abs. 2 GmbHG eine Spezialvollmacht notwendig gewesen, die ausdrücklich die Ausübung des Stimmrechtes erwähnt. Mangels Vorlage einer solchen Spezialvollmacht sei Dr. Ph für die Klägerin nicht stimmberechtigt gewesen. Die Nennung des in Aussicht genommenen weiteren Geschäftsführers in der Einladung zur Generalversammlung wäre gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG nicht erforderlich gewesen. § 39 Abs. 4 und 5 GmbHG sei einer Ausübung des Stimmrechtes des Werner Z für die Aktiengesellschaft für S nicht im Wege gestanden. Eine Kapitalerhöhung, durch die sich die Beteiligungsverhältnisse ändern, sei weder nach § 50 Abs. 4 GmbHG ausgeschlossen noch verstoße sie gegen die guten Sitten. Die von der Klägerin behauptete Verweigerung der Bilanzeinsicht sei einerseits für die Beschlußfassung betreffend die Kapitalerhöhung nicht kausal gewesen und könne andererseits eine Nichtigkeit im Sinne des § 41 GmbHG nicht begrunden. Der diesbezügliche Beschluß habe dem Gesetz nicht widersprochen. Er sei vielmehr aus wirtschaftlichen Gründen dringend geboten gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Ob grundsätzlich für die Auslegung eines Gesellschaftsvertrages einer GesmbH nur der Wortlaut des Vertrages oder auch ein davon abweichender Wille der Vertragspartner maßgebend ist, muß hier nicht geprüft werden. Die Klägerin hat sich in der Klage auf einen nicht mehr gültigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrages berufen.

Fest steht, daß dieser Vertrag am 14. Juli 1953 durch eine Neufassung ersetzt worden ist. Zu dieser Neufassung hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz lediglich in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 17. April 1979 Stellung genommen, wobei sie die Weitergeltung der seinerzeit vereinbarten 14tägigen Einberufungsfrist aus dem Protokoll über die Generalversammlung vom 14. Juli 1953 ableitete.

Behauptungen über einen vom Protokoll über diese Generalversammlung abweichenden Parteiwillen hat sie nicht aufgestellt und auch keinerlei Beweise dafür angeboten. Die im Schriftsatz genannten Schreiben Dris. L enthalten lediglich für das Gericht nicht verbindliche Rechtsmeinungen einer an der Neufassung des Vertrages nicht beteiligten Person. Daß Dr. L einen damals zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen bezeugen hätte können, hat die Klägerin nie behauptet. Für die Feststellung des Parteiwillens steht daher nur das erwähnte Protokoll zur Verfügung. Nach diesem war Gegenstand der Tagesordnung die Abänderung und Neufassung des Gesellschaftsvertrages. Die Notwendigkeit hiefür ergab sich laut Protokoll aus der infolge der zwischenzeitig erfolgten Änderungen bewirkten Unübersichtlichkeit des Vertrages. Es sollten die §§ 4 und 8 aufgelassen und die §§ 1, 2, 3, 5, 6, 7 und 9 abgeändert werden.

Dieser Wortlaut zeigt also, daß auch eine Änderung der §§ 6 und 7 beabsichtigt war. Ferner lassen die Ausführungen zu Beginn der Generalversammlung nur den Schluß zu, daß nunmehr ausschließlich der Wortlaut des neu gefaßten Vertrages maßgebend sein sollte. Das Weiterbestehen von in der Neufassung nicht aufscheinenden Bestimmungen hätte dem Zweck der Neufassung, nämlich die bestehende Unübersichtlichkeit zu beseitigen, widersprochen. Dem erwähnten Protokoll kann also ein Wille der damaligen Alleingesellschafterin derart, daß neben der Neufassung auch noch darin nicht aufgenommene Bestimmungen des alten Vertrages weiter gelten sollten, nicht entnommen werden. Andere Verfahrensergebnisse, die einen solchen Schluß zuließen, liegen aber nicht vor.

Unabhängig von der Frage, inwieweit ein vom Vertragstext abweichender Parteiwille beachtlich wäre, muß also mangels Feststellung von Umständen, die einen solchen abweichenden Parteiwillen dartun könnten, von dem Fehlen einer vertraglichen Bestimmung über die bei Einladung zu einer Generalversammlung einzuhaltende Frist ausgegangen werden. Richtig haben daher die Untergerichte erkannt, daß für die Rechtzeitigkeit der Einladung die im § 38 Abs. 1 GmbHG festgesetzte 7 tägige Frist maßgebend ist. Da diese Frist bezüglich der Generalversammlung vom 6. Dezember eingehalten worden ist, muß von einer ordnungsgemäßen Einladung der Klägerin ausgegangen werden. Deren Hinweis auf interne Schwierigkeiten geht ins Leere, weil § 38 Abs. 1 GmbHG keine Verlängerung der dort genannten Frist infolge subjektiver, nur bei einem Gesellschafter liegender Umstände vorsieht.

Nach § 39 Abs. 3 GmbHG bedarf es zur Ausübung des Stimmrechtes durch einen Bevollmächtigten einer auf die Ausübung dieses Rechtes lautenden Vollmacht. Dieser Wortlaut läßt keinen Zweifel daran offen, daß darunter eine Spezialvollmacht zu verstehen ist, die ausdrücklich auf die Ausübung des Stimmrechtes zu lauten hat (Kastner, Gesellschaftsrecht[3], 274; 6 Ob 812, 813/77 u. a.). Die Ansicht Gellis" (Kommentar z. GmbHG, 136 Anm. 15), derzufolge eine Vollmacht zur Vertretung eines Gesellschafters bei der Generalversammlung auch zur Ausübung des Stimmrechtes berechtige, findet im Gesetzeswortlaut, der ausdrücklich eine auf die Ausübung des Stimmrechtes lautende Vollmacht fordert, keine Deckung. Dieser Voraussetzung hat die dem Dr. Ph erteilte Vollmacht nicht entsprochen. Warum dies der Fall war, ist unerheblich. Insbesondere kann die Klägerin das Erfordernis einer Spezialisierung der Vollmacht nicht mit dem Hinweis auf ein eigenes Versäumnis und die dadurch verursachte Zeitnot aus der Welt schaffen.

Daß der Vorsitzende der Generalversammlung in anderen Tagesordnungspunkten Dr. Ph ohne wirksame Vollmacht zur Abstimmung zugelassen hat, gab diesem kein Recht auf Zulassung zur Abstimmung über einen weiteren Tagesordnungspunkt, zumal der Vorsitzende bereits zu Beginn der Generalversammlung unmißverständlich auf das Fehlen einer Spezialvollmacht verwiesen hatte. Auf welchen äußeren Tatbestand Dr. Ph bei dieser Sachlage vertraut und was dies für Rechtswirkungen gehabt haben sollte, ist unerfindlich. Mit Recht wurde sohin der Beschluß über die Kapitalerhöhung ohne die Bedachtnahme auf Dr. Ph gefaßt.

Auch aus § 38 Abs. 2 GmbHG kann nicht abgeleitet werden, daß in der Einladung zu einer Generalversammlung der Name des vorzuschlagenden Geschäftsführers genannt werden muß. Nach dieser Bestimmung ist in der Einladung der Zweck der Versammlung möglichst bestimmt zu bezeichnen. Der Zweck der Generalversammlung war u. a. die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers. Bezüglich der Person dieses Geschäftsführers war ein Antrag erforderlich. Die beabsichtigten Anträge müssen aber, wie sich aus § 38 Abs. 5 GmbHG ergibt, in der Einladung zur Generalversammlung nicht angegeben werden (Gellis, Kommentar 129). Würde man der gegenteiligen Auffassung der Klägerin folgen, wäre ein Gegenvorschlag seitens eines Gellschafters, der die Generalversammlung nicht einberufen hat, nicht möglich, was nicht Sinn der gesetzlichen Bestimmung sein kann.

§ 39 Abs. 5 GmbHG bestimmt, daß ein Gesellschafter, der selbst zum Geschäftsführer bestellt werden soll, bei der Beschlußfassung in der Ausübung seines Stimmrechtes nicht beschränkt ist. Ist also der Gesellschafter selbst nicht beschränkt, kann dies umso weniger für ein Organ eines Gesellschafters gelten, wenn dieses zum Geschäftsführer bestellt werden soll. Im übrigen kann von einem Sondervorteil im Sinne des § 39 Abs. 4 GmbHG nur dann gesprochen werden, wenn der Gesellschaft oder den übrigen Gesellschaftern auf Grund des betreffenden Generalversammlungsbeschlusses ein wirtschaftlicher Nachteil erwächst oder erwachsen kann (SZ 47/143 u. a.). Dies ist bezüglich der Bestellung des Werner Z nicht der Fall. Allfällige Gehaltsansprüche des Geschäftsführer waren nicht Gegenstand der Beschlußfassung. Sollten solche im allgemeinen vorgesehen sein, würden sie unabhängig von der Person des Geschäftsführers bestehen. Demnach sind zu erwartende Gehaltsansprüche kein nach § 39 Abs. 4 GmbHG wirksames Argument gegen das Stimmrecht einer als Geschäftsführer in Aussicht genommenen Person.

Unter dem Begriff der "durch den Vertrag einzelnen Gesellschaftern eingeräumten Rechte" im Sinne des § 50 Abs. 4 GmbHG fallen nur die Individualrechte und der Anspruch auf gleichmäßige Behandlung mit den anderen Gesellschaftern (Kostner, Die Gesellschaft mbH[2], 70; SZ 38/87; EvBl. 1958/322 u. a.).

Die Erhöhung des Stammkapitals setzt gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages voraus, demnach gemäß § 50 Abs. 1 GmbHG nicht Stimmeneinhelligkeit, sondern nur eine qualifizierte Stimmenmehrheit. Es ist klar, daß die Erhöhung des Stammkapitals dann zu einer Verschiebung der Beteiligungsverhältnisse führen muß, wenn die Beteiligung an dem Erhöhungskapital nicht den ursprünglichen Gesellschaftsanteilen entspricht. Aus diesem Gründe sieht § 52 Abs. 3 GmbHG ein Vorrecht der bisherigen Gesellschafter zur Übernahme der neuen Stammeinlagen nach Verhältnis der bisherigen vor. Die Wirksamkeit des Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals ist also nicht von der Übernahme durch die bisherigen Gesellschafter abhängig. Diese haben nur ein Vorrecht zur Übernahme. Daraus ergibt sich, daß sie im Falle der Nichtausübung dieses Vorrechtes eine Verschiebung der Beteiligungsverhältnisse in Kauf nehmen. Sie können sich daher in einem solchen Fall nicht auf § 50 Abs. 4 GmbHG berufen, um so die Übernahme dieser Stammanteile durch einen Dritten zu verhindern (Kostner, Die GesellschaftmbH[2], 73; Kostner, NZ 1951, 26).

Der Klägerin wurde die Übernahme der neuen Stammanteile im Verhältnis zu ihrer bisherigen Beteiligung angeboten. Sie hat von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht. Warum sie dies unterlassen hat, ist unerheblich. Eine Erhöhung des Stammkapitals wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Gesellschafter wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die neuen Stammanteile zu übernehmen. Daß aber der Beschluß über die Erhöhung des Stammkapitals nur in der Absicht gefaßt worden ist, die Klägerin zu schädigen, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Vielmehr steht fest, daß diese Erhöhung einer wirtschaftlichen Notwendigkeit entsprochen hat.

Mangelnde Einsicht in die Bilanz war für die angefochtenen Beschlüsse nicht kausal, weil die Klägerin bei der Generalversammlung, in der diese Beschlüsse gefaßt worden sind, bezüglich der Stimmabgabe nicht vertreten war. Es erübrigt sich daher eine Auseinandersetzung mit der Frage, in welchem Umfang ein Gesellschafter Anspruch auf Bilanzeinsicht hat.

Es ergibt sich sohin, daß die angefochtenen Beschlüsse keinerlei rechtliche oder vertragliche Bestimmungen verletzt haben und daß sie in einer ordnungsgemäß anberaumten und abgehaltenen Generalversammlung gefaßt worden sind. Demnach kann eine Nichtigkeit im Sinne des § 41 GmbHG nicht gegeben sein, weshalb sich eine Untersuchung des Wesens der dort genannten Anfechtung erübrigt. Entsprechen die in einer ordnungsgemäß anberaumten Generalversammlung gefaßten Beschlüsse dem Vertrag und dem Gesetz und sind sie auf ordnungsgemäße Art zustande gekommen, scheidet eine Anfechtung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten auf jeden Fall dann aus, wenn kein zusätzlicher Umstand vorliegt, der allenfalls eine andere Beurteilung zulassen könnte.

Auf die in der Literatur (Kastner, Gesellschaftsrecht, 277; Plöchl, JBl. 1957, 311; Gellis, Kommentar, 145) behandelte Frage, ob und inwieweit Verstöße gegen die guten Sitten zu einer erfolgreichen Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen führen können, muß nicht eingegangen werden, weil die von der Klägerin für diesen Anfechtungsgrund angeführten Umstände schon im Hinblick auf die mangelnde Vertretung bei der Stimmabgabe unbeachtlich wären. Darüber hinaus sind sie im Hinblick auf die festgestellte wirtschaftliche Notwendigkeit der Kapitalerhöhung - wie bereits oben dargelegt wurde - keinesfalls jenen von der Literatur bespielsweise aufgezählten Fällen zuzuordnen, die auch unabhängig vom Zustandekommen eines Generalversammlungsbeschlusses und unabhängig von dessen Gesetzmäßigkeit eine allfällige Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten begrunden könnten.

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