OGH 7Ob505/87

OGH7Ob505/8729.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Anna P***-T***, ohne Beruf, Wien 3., Neulinggasse 52/37, vertreten durch Dr. Werner Schwind, Rechtsanwalt in Wien, wider den Beklagten und den Gegner der gefährdeten Partei Ali Abed T***, Kaufmann, Wien 18., Pötzleinsdorferstraße 50/8, vertreten durch Dr. Wolfgang Emberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Unterhaltes (Streitwert 360.000 S), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 30. Oktober 1986, GZ. 47 R 2092/86-69, womit der Beschluß (einstweilige Verfügung) des Bezirksgerichtes Döbling vom 15. Juli 1986, GZ. 1 C 3/83-62, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Gewährung eines vorläufigen Unterhaltes von monatlich 30.000 S für die Zeit vom 5. Oktober 1984 bis 27. November 1985 richtet, wird ihm nicht Folge gegeben.

Im übrigen (Abweisung eines Begehrens auf Gewährung eines vorläufigen Unterhaltes von monatlich 30.000 S für die Zeit vom 9. Mai 1983 bis 4. Oktober 1984 und im Kostenpunkt) wird dem Rekurs Folge gegeben. In diesem Umfang wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung

Die Streitteile haben am 10. September 1974 miteinander in Kuweit die Ehe geschlossen. Die Antragstellerin besitzt die polnische, der Antragsgegner die jordanische Staatsbürgerschaft. Der letzte gemeinsame eheliche Wohnsitz war in Wien.

Als der Antragsgegner am 19. April 1980 vorzeitig von einem Auslandsaufenthalt zurückkehrte, traf er die Antragstellerin nicht in der Wohnung an. Nachdem diese etwas später in Begleitung mehrerer Personen zurückgekommen war, ließ er sie nicht mehr in die Ehewohnung. Am 20. April 1980 teilte er der Antragstellerin mit, daß er nach Kuweit fahren und sich scheiden lassen werde. Am 20. Mai 1980 verlangte er von der Antragstellerin, daß sie aufgrund einer in Kuweit vollzogenen Scheidung nach Polen zurückkehren solle. Er gab ihr etwa 40.000 bis 50.000 S. Die Antragstellerin blieb eineinhalb Jahre in Polen, wohin ihr der Antragsgegner wieder Geldbeträge überwies. 1981 oder 1982 hat die Antragstellerin in Polen den Taxifahrer Josef D*** kennengelernt, mit ihm gelebt und geschlechtliche Beziehungen unterhalten. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Warschau vom 4. Oktober 1984, Zl. XII C 598/84 , wurde die Ehe der Streitteile aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Diese Entscheidung wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für Justiz vom 27. November 1985, Zl. 714.628/2-I 9/85, anerkannt.

Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner mit der am 27. Jänner 1983 eingebrachten Klage einen monatlichen Unterhalt von 30.000 S. Im Zuge dieses Verfahrens beantragte sie am 9. Mai 1983 (ON 15) die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf Gewährung eines vorläufigen Unterhaltes in der gleichen Höhe. Das Erstgericht hat rechtskräftig die Einreden des Antragsgegners der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes sowie der nicht gegebenen Anwendbarkeit des österreichischen Rechtes abgewiesen. Es hat der Antragstellerin für die Zeit vom 9. Mai 1983 bis 27. November 1985 einen einstweiligen monatlichen Unterhalt von 30.000 S zuerkannt und das Mehrbegehren abgewiesen. Das Rekursgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß den gesamten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen. Es vertrat hiebei die Rechtsansicht, die Antragstellerin habe durch die Aufnahme geschlechtlicher Beziehungen zu einem anderen Mann ihren Unterhaltsanspruch verwirkt.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Antragstellerin gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zum Teil gerechtfertigt.

Zur Frage des anzuwendenden Rechtes wird auf die zutreffenden und nicht mehr bekämpften Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen. Sowohl die Klage als auch der im Zuge des aufgrund der Klage eingeleiteten streitigen Verfahrens gestellte Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gehen von dem noch damals aufrechten Bestand der Ehe aus. Für die Beurteilung der Bescheinigung eines Unterhaltsanspruches wäre daher die Bestimmung des § 94 ABGB maßgebend. Nach den getroffenen Feststellungen wurde die Ehe jedoch am 4. Oktober 1984 aus beiderseitigem Verschulden rechtskräftig geschieden. Demnach könnte ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin nur mehr unter den Voraussetzungen des § 68 EheG bestehen. Bezüglich des Vorliegens dieser Voraussetzungen fehlt es an jeglicher Behauptung der Antragstellerin, sodaß von einer Bescheinigung ihres Unterhaltsanspruches ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung der Ehe keine Rede sein kann. Schon aus diesem Grunde mußte die Entscheidung des Rekursgerichtes für die Zeit ab dem 5. Oktober 1984 bestätigt werden.

Was den Anspruch für die Zeit bis zum 4. Oktober 1984 anlangt, hat auch das Rekursgericht, ebenso wie das Erstgericht, richtig erkannt, daß grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegeben wäre. Fraglich kann lediglich sein, ob dieser Unterhaltsanspruch verwirkt wurde oder nicht.

Nach § 94 Abs. 2 ABGB besteht der Unterhaltsanspruch des bisher Unterhaltsberechtigten nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes weiter, soferne nicht die Geltendmachung dieses Anspruches, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Ein Rechtsmißbrauch ist das Beharren auf einem im Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes begründeten Unterhaltsanspruches, der auch bei einem aufrecht gebliebenen gemeinsamen Haushalt nicht mehr zum Tragen gekommen wäre (6 Ob 506/82).

Bei der Beurteilung der Frage des Gewichtes der der Ehefrau zur Last gelegten Eheverfehlungen und ihrer Eignung, ein Erlöschen des Unterhaltsanspruches bei aufrechtem Bestand der Ehe herbeizuführen, darf aber auch das Verschulden des anderen Teiles nicht vernachlässigt werden. Immer ist auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen (EFSlg. 35.191, 35.190 ua.). Die Verwirkung des Unterhaltsanspruches nach § 94 Abs. 2 ABGB ist zu bejahen, wenn die Geltendmachung und die Gewährung eines Unterhaltsanspruches wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten als grob unbillig erschiene (EvBl. 1979/83, EFSlg. 35.197 ua.). Nur bei so groben Verfehlungen des anderen Ehegatten ist eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches dem Grunde nach anzunehmen, die die Geltendmachung des Anspruches als Rechtsmißbrauch erscheinen lassen. Dabei ist einerseits das objektive Gewicht der als bescheinigt angenommenen ehewidrigen Verhaltensweise in Betracht zu ziehen, andererseits auch das Maß der subjektiven Verantwortlichkeit des Ehegatten, der auf vorläufigen Unterhalt Anspruch erhebt (RZ 1978/45, EFSlg. 35.191 ua.).

Im vorliegenden Fall steht nun fest, daß die Antragstellerin noch während des aufrechten Bestandes der Ehe Ehebruch begangen hat. An sich handelt es sich beim Ehebruch um eine schwere Eheverfehlung. Nicht unberücksichtigt können jedoch die Umstände des Einzelfalles bleiben. Im vorliegenden Fall ist es zur Trennung zwischen den Ehegatten ausschließlich auf Initiative des Antragsgegners gekommen, der, ohne einen festgestellten gerechtfertigten Grund, die Antragstellerin zum Verlassen der Wohnung aufgefordert und sie in das Ausland geschickt hat. Erst nachdem ihr der Antragsgegner mitgeteilt hatte, daß die zwischen ihnen bestehende Ehe seiner Meinung nach in Kuweit rechtskräftig aufgelöst worden ist, sohin für die Antragstellerin einwandfrei feststand, daß der Antragsgegner die bestehende Ehe für ihn als nicht mehr wirksam betrachtete, hat die Antragstellerin geschlechtliche Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen. Unter diesen Umständen kann die Aufnahme dieser geschlechtlichen Beziehungen als nicht derart schwerer Verstoß gewertet werden, daß hiedurch der Unterhaltsanspruch grundsätzlich verwirkt wäre. Hiebei ist auch zu berücksichtigen, daß die Antragsgegnerin kaum die rechtliche Richtigkeit der ihr vom Antragsgegner mitgeteilten Wirkung einer Ehescheidung in Kuweit beurteilen hätte können.

Entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichtes ist also von einer Verwirkung des Unterhaltsanspruches der Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe im Provisorialverfahren nicht auszugehen. Vielmehr hat die Antragstellerin dem Grunde nach ihren Anspruch bis zu dem genannten Zeitpunkt bescheinigt. Ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht hat sich das Rekursgericht mit der im Rekurs gegen die erstgerichtliche Entscheidung erhobenen Rüge betreffend die Höhe des Unterhaltsanspruches der Antragstellerin nicht auseinandergesetzt. Da es sich hiebei um eine bloße Frage der Bemessung des Unterhaltes handelt, deren Beurteilung dem Obersten Gerichtshof entzogen ist, mußte die Entscheidung des Rekursgerichtes, soweit sie jenen Zeitraum betrifft, für den die Antragstellerin grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch bescheinigt hat, aufgehoben werden. Das Rekursgericht wird für diesen Zeitraum den Rekurs des Antragsgegners gegen die erstgerichtliche Entscheidung einer Erledigung zuzuführen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 402 und 78 EO sowie die §§ 52 und 50 ZPO.

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