Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 23.284,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.600 S Barauslagen und 1.789,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagenden Parteien haben sich zu der Arbeitsgemeinschaft A*** Pfändertunnel Bregenz zum Zwecke des Baues des für die Rheintalautobahn erforderlichen Tunnels zusammengeschlossen. Zur Abdeckung des mit diesem Bauvorhaben verbundenen Haftpflichtrisikos schlossen sie mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag unter Zugrundelegung der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung des Bauhaupt-, Bauneben- und Bauhilfsgewerbes (ABHB) und der Klausel II für Bauarbeitsgemeinschaften ab. Nach Punkt 3 der letztgenannten Klausel ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer oder derjenige, der im einzelnen Fall die Aufsicht führt, das die Haftpflicht auslösende Ereignis durch bewußtes Zuwiderhandeln gegen Baugesetze oder baubehördliche Bauvorschriften herbeigeführt hat. Die Sprengarbeitenverordnung wird den baugesetzlichen oder baubehördlichen Vorschriften gleichgehalten.
Am 14. März 1977 ereignete sich beim Transport von Arbeitern mit einem Motorfahrzeug durch den Tunnel zu ihrer Arbeitsstätte ein Unfall, bei dem der Mineur Rupert D***, der auf der Ladefläche des Zugfahrzeuges gestanden war, von diesem herabstürzte und vom angehängten Muldenkipper überfahren wurde. Er erlitt hiedurch schwere Verletzungen, die unter anderem zu einer Amputation des linken Oberarmes führten. Wegen dieses Vorfalles wurde der die Aufsicht führende Polier Johann H*** vom Landesgericht Feldkirch mit Urteil vom 29. September 1982, Bl 75/81, des Vergehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB für schuldig erkannt, weil er als verantwortlicher Polier der A*** Pfändertunnel gesetzwidrig angeordnet habe, die ihm unterstellten Mineure sollten die Fahrt in das Innere des Pfändertunnels zu ihrem Arbeitsplatz auf der Ladefläche eines Unimogs machen.
Der Personentransport in dem Tunnel erfolgte überwiegend mit Willen und Wissen des Poliers H***. Am 14. März 1977 wies H*** die ihm unterstellten Mineure, weil sie schon zu spät daran waren, an, mit dem Unimog in den Stollen zu fahren. Rupert D*** stellte sich hinter einem Wasserfaß auf die Ladefläche, von wo er nach ca. 300 m Fahrt abstürzte. Dem Polier H*** war bekannt, daß diese Art des Transportes der Arbeiter in den Tunnel hinein gesetzwidrig war. Er hatte solche Fahrten in den Tunnel auf dem Unimog schon selbst mitgemacht. Daher war ihm auch die Gefährlichkeit eines Personentransportes auf dem Unimog bewußt.
Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) hat für Rupert D*** bisher Leistungen von 952.027,91 S erbracht und wird auch noch in Zukunft weitere Leistungen erbringen müssen. Sie erhebt gemäß § 334 ASVG gegen H*** Regreßansprüche.
Unter Berufung auf den Versicherungsvertrag begehren die klagenden Parteien von der Beklagten den Zuspruch der von der A*** begehrten 952.027,91 S und die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten im Rahmen des Versicherungsvertrages für weitere unfallsbedingte Verpflichtungen.
Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung unter anderem unter Berufung auf Punkt 3 der Klausel II für Bauarbeitsgemeinschaften, weil der Unfall auf die Verletzung baubehördlicher Vorschriften zurückzuführen sei.
Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen, wobei sie die Leistungsfreiheit der Beklagten unter anderem mit einer Verletzung des Punktes 3 der Klausel II für Bauarbeitsgemeinschaften begründeten.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Klägern gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Die Mängelrüge bezieht sich ausschließlich auf angebliche Verfahrensmängel bezüglich einer von der Beklagten behaupteten Obliegenheitsverletzung. Da jedoch, wie noch bei der Behandlung der Rechtsrüge auszuführen sein wird, das Klagebegehren bereits aus einem anderen Grund nicht gerechtfertigt ist, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der angeblichen Obliegenheitsverletzung, weshalb der behauptete Verfahrensmangel nicht gegeben ist. Daß die Art des Transportes der Arbeiter im vorliegenden Fall gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen hat, ergibt sich schon aus § 105 Abs. 2 und 4 der allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung in der Fassung BGBl. 32/1962 (Art. I Z 9 und 18). Diese Bestimmung regelt den Verkehr mit Fahrzeugen innerhalb von Betrieben. Nach deren Abs. 2 dürfen auf den Fahrzeugen Beifahrer nur ständig mitfahren, wenn für sie Beifahrersitze vorgesehen sind. Werden nur gelegentlich Beifahrer mitgenommen, müssen geeignete Standflächen und Anhaltevorrichtungen vorhanden sein. Beim Verkehr mit Fahrzeugen innerhalb von Betrieben ist nach Abs. 4 bei in Bewegung befindlichen Fahrzeugen insbesondere unbefugtes Mitfahren, Sitzen und Stehen auf Plätzen, die hiefür nicht vorgesehen sind, untersagt. Bei im Tunnel fahrenden Fahrzeugen muß für den Mitfahrer auf jedem Zug ein sicherer Standplatz vorhanden sein. Daß die Beförderung des verletzten Arbeiters diesen Vorschriften nicht entsprochen hat, können auch die Kläger nicht bestreiten.
Unbekämpft ist nunmehr die Feststellung, daß es sich bei H*** um jene Person gehandelt hat, die für den Arbeitgeber die Aufsicht auf der Arbeitsstelle führte, sohin um jene Person, die gemäß § 18 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes BGBl. 1972/234 für die Durchführung der Arbeiten verantwortlich war.
Zu prüfen war demnach nur, ob die erwähnten Vorschriften, gegen die H*** bewußt verstoßen hat (nach den getroffenen Feststellungen hat er nicht nur die Rechtswidrigkeit der gewählten Art der Beförderung gekannt, sondern diese geradezu angeordnet), als Bauvorschriften im Sinne der Klausel II für Bauarbeitsgemeinschaften anzusehen sind. Die oben erwähnten Bestimmungen sind zwar in der allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung enthalten. Aus § 2 der Bauarbeitenschutzverordnung BGBl. 267/1954 ergibt sich jedoch, daß bei den unter den Geltungsbereich dieser Verordnung fallenden Arbeiten, soferne im nachstehenden nichts anderes bestimmt ist, auch die einschlägigen Bestimmungen der allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung gelten. Diese Bestimmungen sind daher zum Inhalt der Bauarbeitenschutzverordnung geworden. Daß die Bauarbeitenschutzverordnung auf die vorliegenden Arbeiten anzuwenden ist, ergibt sich aus ihrem § 1, wonach ihre Bestimmungen für die Ausführung von Bauarbeiten aller Art gelten. Zu dem Punkt 3. der Klausel II für Bauarbeitsgemeinschaften gleichlautenden Punkt 3 Z 5 der Ergänzenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (EHVB) hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach (EvBl. 1971/22, 7 Ob 47/83 u.a.) ausgesprochen, daß es sich bei der Bauarbeitenschutzverordnung um eine Bauvorschrift handelt. Diese Verordnung regelt nämlich bautechnische Belange unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Gesundheit und der körperlichen Sicherheit der im Rahmen der Baufirma beschäftigten Personen. Die Bestimmung des Punktes 3 Z 5 EHVB (gleichlautend mit dem hier geltenden Punkt 3 der Klausel II für Bauarbeitsgemeinschaften) hat den gesamten Bereich des Baugeschehens im Auge. Sie will den Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung für Vorfälle befreien, die sich nur aufgrund der Mißachtung von gesetzlichen Vorschriften, die das Baugeschehen regeln, ereignen. Demnach sind die dort genannten "Bauvorschriften" nicht nur Vorschriften, die den rein technisch sachlichen Ablauf des Bauvorganges betreffen, sondern auch Vorschriften, die schlechthin den gesamten Bauvorgang, einschließlich des persönlichen Bereiches, zum Gegenstand haben. Die Ausschlußbestimmung will den Bauführer zur Einhaltung der für seinen Bereich geltenden gesetzlichen Bestimmungen, die die Sicherung des Baugeschehens gegen Unfälle schlechthin im Auge haben, veranlassen und nicht nur zur Einhaltung der bloß technischen Bestimmungen verpflichten.
Es steht demnach fest, daß der die Aufsicht führende Polier bewußt gegen ihm bekannte Bauvorschriften verstoßen hat. Da dieser Verstoß zu dem Unfall eines Arbeiters geführt hat, ist die Beklagte schon aus diesem Grunde leistungsfrei.
Es erübrigt sich sohin ein Eingehen auf die von der Beklagten noch geltend gemachten weiteren Gründe für ihre Leistungsfreiheit. Da die Kläger zur Gänze unterlegen sind, sind sie gemäß §§ 41 und 50 ZPO kostenersatzpflichtig.
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