OGH 7Ob48/05t

OGH7Ob48/05t30.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerald Gundomar K*****, vertreten durch Dr. Hans Georg Mayer und Mag. Dr. Hans Herwig Toriser, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch Ortner Pöch Foramitti, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 36.336,42 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 4. November 2004, GZ 2 R 165/04f-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 11. Mai 2004, GZ 43 Cg 55/03s-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Soweit in der Revision Nichtigkeit des Berufungsurteiles geltend gemacht wird, wird diese verworfen; im Übrigen wird der Revision keine Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 1.754,82 (hierin enthalten EUR 292,47 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

1997 hatte der Kläger mit Mag. Claudia B***** von der beklagten Partei Gespräche zum Abschluss eines Versicherungsvertrages für eine Kreditversicherung geführt, wobei auch besprochen wurde, dass der Kläger auch Kunden in Deutschland hat, wobei erörtert wurde, dass er für von ihm gelieferte Waren einen Eigentumsvorbehalt zu vereinbaren habe. Eine Zusage B*****, dass der vom Kläger in seinen Lieferscheinen und Rechnungen enthaltene Hinweis „Die gelieferte Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung unser Eigentum" hiefür ausreiche, erfolgte nicht. B***** sagte lediglich zu, dass „die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes im ersten Versicherungsjahr nicht gelten solle". Nicht festgestellt werden kann, dass die beklagte Partei mit der vom Kläger gewählten Form eines Eigentumsvorbehalts für Kunden in Deutschland einverstanden gewesen wäre und dass dem Kläger bei Abschluss des Versicherungsvertrages ein Merkblatt der beklagten Partei über den Eigentumsvorbehalt in Deutschland (in Gestalt der aktenkundigen Beilage 9) ausgehändigt worden wäre.

Am 29. 9. 1997 stellte der Kläger sodann einen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages und stellte die beklagte Partei am 6. 10. 1997 den Versicherungsschein Nr 8***** über eine Globalversicherung Ausland (EAW) und Inland (GOW) aus, auf dessen erster Seite auf die Geltung der Bestimmungen des Versicherungsscheines, der Zusatzbedingungen, der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Globalversicherung - Ausfuhr mit Wirtschaftlicher Deckung (AVB-GAW) und der besonderen Versicherungsbedingungen für Inlandsforderungen (BVB-O) hingewiesen wurde. Als Versicherungsnehmer schien der Kläger auf; an Ländern waren ausdrücklich Deutschland und Österreich genannt; das äußerste Kreditziel war mit vier Monaten angegeben; schließlich der Versicherungsbeginn mit 1. 12. 1997 und das Versicherungsende mit 30. 11. 1998.

In § 4 Z 3 der AVB-GAW wird das Ende des Versicherungsschutzes wie folgt reglementiert:

„Der Versicherungsschutz erlischt für alle versicherten Forderungen mit Beendigung des Versicherungsvertrages, soweit nicht der Versicherungsfall eingetreten ist."

Der Versicherungsfall wird in § 9 wie folgt geregelt:

„§ 9 Versicherungsfall

1. Der Versicherungsfall tritt ein, wenn der Kunde zahlungsunfähig wird.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn

a) das Konkursverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung vom Gericht mangels Masse abgelehnt worden ist oder

b) das gerichtliche Ausgleichsverfahren eröffnet worden ist oder

c) mit sämtlichen Gläubigern ein außergerichtlicher Ausgleich - ausgenommen ein Stundungsausgleich - zustande gekommen ist oder

d) eine vom Versicherungsnehmer vorgenommene Zwangsvollstreckung nicht zur vollen Befriedigung geführt hat oder

e) infolge nachgewiesener ungünstiger Umstände eine Bezahlung aussichtslos erscheint, weil eine Zwangsvollstreckung, ein Konkursantrag oder eine andere gegen den Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg verspricht.

2. Als Zeitpunkt für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gilt

im Falle a) und b) der Tag des Gerichtsbeschlusses,

im Falle c) der Tag, an dem sämtliche Gläubiger ihre Zustimmung zum Ausgleich gegeben haben,

im Falle d) der Tag der Zwangsvollstreckung,

im Falle e) der Tag, an dem auf Grund entsprechenden Beweismaterials die Aussichtslosigkeit von Maßnahmen gegen den Schuldner angenommen werden muß.

3. Der Versicherungsfall tritt auch ein, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Kunden nach Lieferung oder Leistung wegen Verschlechterung seiner Bonität droht und die Ware, soweit sie sich noch in der Verfügungsgewalt des Versicherungsnehmers befindet oder zurückgenommen worden ist, im Einvernehmen mit dem Versicherer bestmöglich anderweitig verwertet wurde und dabei ein Mindererlös entstanden ist.

Als Tag des Eintritts des Versicherungsfalles gilt hier der Tag, an dem der Ausfall nach anderweitiger Verwertung der Ware feststeht."

Die erwähnten Zusatzbedingungen regeln schließlich in Nr 6.0 den Eigentumsvorbehalt für Deutschland wie folgt:

„6.1 Forderungen aus Warenlieferungen sind nur versichert, wenn und soweit der Versicherungsnehmer den einfachen Eigentumsvorbehalt und seine Erweiterungen in Form der Verarbeitungs-, Kontokorrent-/Salden- und Vorausabtretungsklausel rechtswirksam vereinbart hat.

6.2 Abweichungen oder Einschränkungen von diesen Eigentumsvorbehaltsrechten zu Lasten des Versicherungsnehmers - insbesondere durch entgegenstehende Einkaufsbedingungen des Kunden - schließen den Versicherungsschutz nur dann nicht aus, wenn sie dem Versicherer bekannt gemacht worden sind und dieser den Versicherungsschutz schriftlich bestätigt hat.

6.3 Für Forderungen, die bis zum Ablauf des ersten Versicherungsjahres entstanden sind, besteht auch dann Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer den einfachen Eigentumsvorbehalt und seine Erweiterungen in Form der Verarbeitungs-, Kontokorrent-/Salden- und Vorausabtretungsklausel nicht vereinbart hat.

Im Einzelfall behält sich der Versicherer vor, den einfachen Eigentumsvorbehalt und seine Erweiterungen dennoch ausdrücklich zur Bedingung des Versicherungsschutzes zu machen."

Diese Klausel wurde der beklagten Partei zur Schadensbegrenzung aufgenommen, damit ein Teil der Ware noch zurückgeholt und die Schadenshöhe minimiert werden kann.

Am 28. 9. 2000 wurde zwischen den Streitteilen ein neuer Versicherungsschein ausgestellt, und zwar mit Versicherungsbeginn 1. 12. 1997 und Versicherungsende 30. 11. 2000 samt Hinweis auf Änderung ab 1. 2. 2000. Die Verweise auf die dafür geltenden Bedingungen blieben gleich; lediglich bei den Zusatzbedingungen kam eine neue Nr 1 betreffend die Vertragswährung hinzu, sodass die bisherige Nr 6 (den Eigentumsvorbehalt in Deutschland betreffend) nunmehr als Nr 7, jedoch mit sonst identem Wortlaut wie bisher, enthalten war. Eine Erhöhung der Versicherungssumme über den nunmehrigen Klagebetrag von S 500.000 (EUR 36.336,42) hinaus hatte die beklagte Partei mit Schreiben vom 14. 6. 2000 abgelehnt. Mit Schreiben vom 26. 9. 2000 kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag per 30. 11. 2000, was die beklagte Partei mit Schreiben vom 27. 9. 2000 zur Kenntnis nahm.

Am 4. und 17. 10. 2000 legte der Kläger seinem in Deutschland ansässigen Kunden T***** GesmbH (im Folgenden kurz: T*****) für Warenlieferungen Rechnungen über DM 100.000, welche den bereits eingangs wiedergegebenen Vermerk „Die gelieferte Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung unser Eigentum" enthielten. Vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung mit diesem Kunden hatte der Kläger vereinbart, dass Warenlieferungen nur gegen einfachen Eigentumsvorbehalt erfolgen sollen. T***** war schon vor dem 30. 11. 2000 nicht mehr in der Lage, ihre wesentlichen fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen; es bestanden erhebliche Mietzinsrückstände sowie zum Teil auch Lohnsteuerrückstände, rückständige Sozialversicherungsabgaben und Lieferantenverbindlichkeiten in Höhe von ca DM 2 Mio. Bis dahin hatte T***** zwar frühere Rechnungen des Klägers (auch) nicht innerhalb des Zahlungszieles von 30 Tagen beglichen, aber doch innerhalb von zwei bis zweieinhalb Monaten; eine Kreditzielüberschreitung von vier Monaten konnte nicht festgestellt werden und hat der Kläger auch keine Stundungsvereinbarungen getroffen.

Am 29. 11. 2000 (also einen Tag vor Ende des Versicherungsvertrages) teilte der Kläger der beklagten Partei mit, telefonisch von der „Inhaberin" der T***** informiert worden zu sein, dass sie die noch ausstehenden Rechnungen des Klägers nicht bezahlen könne, weil sie auch neben anderen Rechnungen die ausstehenden Gehälter ihrer Angestellten nicht bezahlen könne. Der Kläger verwies hiezu ua auch auf § 9 Z 1 lit e der AVB-GAW und übermittelte der beklagten Partei dazu ein Mahnschreiben und drei Rechnungen. Tatsächlich wurde über das Vermögen der T***** erst am 2. 2. 2001 in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Von den vom Kläger an T***** gelieferten Waren sind bei Konkurseröffnung noch rund 20 Kleidungsstücke vorhanden gewesen; „es wäre in keinem wirtschaftlichen Verhältnis gestanden, wenn der Kläger nach Deutschland zu diesem Kunden gefahren wäre und diese rund 20 Jacken abgeholt hätte." Im Konkursverfahren über T***** ist nur mit einer äußerst geringen bis gar keiner Quote zu rechnen.

Mit der am 3. 10. 2001 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 500.000 (EUR 36.336,42) samt 4 % Zinsen seit 30. 11. 2000. T***** schulde ihm aufgrund von Rechnungen vom 4. und 17. 10. 2000 (einschließlich Zinsen und Anwaltskosten) insgesamt DM 107.134,89. Durch sein Schreiben vom 29. 11. 2000 über die Nichtzahlung dieser Rechnungen habe er seinen Anzeige- und Verhaltenspflichten gegenüber der Beklagten genügt. Da T***** bereits vor dem 30. 11. 2000 zahlungsunfähig gewesen sei, sei auch der Versicherungsfall gemäß § 9 der AVB während der aufrechten Vertragslaufzeit eingetreten. Infolge nachgewiesener ungünstiger Umstände sei eine Bezahlung aussichtslos erschienen und hätte eine Zwangsvollstreckung, ein Konkursantrag oder eine andere gegen diesen Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg versprochen. Trotzdem verweigere die Beklagte die Auszahlung der Versicherungssumme und lehne ihre Deckungspflicht ab.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung, der Versicherungsfall sei nicht vor Beendigung des Versicherungsvertrages eingetreten. Bloße bilanzielle Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit im Sinne des deutschen Insolvenz- oder Strafrechtes sei kein Fall der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 9 AVB-GAW, der diesen Begriff im Sinne der Bedingungen abschließend definiere. Der Kläger habe auch (entgegen § 9) kein entsprechendes Beweismaterial vorgelegt, ja nicht einmal behauptet. Der Bericht des Masseverwalters vom 8. 6. 2001 und dessen Schreiben vom 9. 5. 2001 lägen mehr als ein halbes Jahr nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses und könnten daher eindeutig nicht den Eintritt des Versicherungsfalles im November 2000 bewirkt haben. Abgesehen davon sei auch keineswegs davon auszugehen, dass eine Zwangsvollstreckung, ein Konkursantrag oder eine Eintreibungsmaßnahme vor dem 30. 11. 2000 keinen Erfolg versprochen hätten. Überdies würden Lieferforderungen des Klägers nur insoweit Versicherungsschutz genießen, als sie durch Eigentumsvorbehalte gesichert seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich (zusammengefasst) dahin, dass kein Versicherungsschutz bestehe, weil der Versicherungsfall erst nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses eingetreten sei. Die Annahme, dass auch etwa ein Konkursantrag keinen Erfolg versprochen hätte, sei schon durch die bereits am 2. 2. 2001 erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der T***** widerlegt. Außerdem sei bis zum 30. 11. 2000 kein entsprechendes Beweismaterial für die Aussichtslosigkeit von Maßnahmen gegen den Schuldner zur Verfügung gestanden. Aufgrund der bloßen Übermittlung eines (einzigen) Mahnschreibens samt drei Rechnungen könne nicht beurteilt werden, ob irgendwelche Eintreibungsmaßnahmen gegen den Schuldner notwendig, ratsam, möglich oder aussichtslos gewesen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes und schloss sich auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an, dass der Versicherungsfall im Sinne der AVB erst nach dem Ende des Versicherungszeitraumes und damit des Haftungszeitraumes eingetreten sei. Die AVB ließen mit ihren Bestimmungen über den Eintritt des Versicherungsfalles mit der Zahlungsunfähigkeit des Kunden und Festlegung des für den Eintritt derselben maßgeblichen Zeitpunktes in § 9 Z 1 und 2 das (im Hinblick auf den Haftungszeitraum) berechtigte Interesse des Versicherers erkennen, den Versicherungsfall an zeitlich unverrückbare und nachweisbare Tatsachen zu knüpfen. Auch das nach § 9 Z 1 vorzulegende Beweismaterial (über die Aussichtslosigkeit von Maßnahmen gegen den Schuldner bezüglich ungünstiger Umstände, die eine Bezahlung aussichtslos erscheinen ließen, weil eine Zwangsvollstreckung, ein Konkursantrag oder eine andere gegen den Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg verspreche) bestimme den Zeitpunkt für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, ohne dass für die Anwendung der Unklarheitenregel Raum bestehe. Auf das Vorliegen eines entsprechenden Beweismaterials, nachdem die Aussichtslosigkeit von Maßnahmen gegen den Schuldner habe angenommen werden müssen, bis zum 30. 11. 2000 habe sich der Kläger im Verfahren gar nicht berufen, wenn er bloß darauf abgestellt habe, dass sich aus einem Schreiben des Masseverwalters vom 9. 5. 2001 ergeben hätte, dass T***** bereits am 30. 11. 2000 zahlungsunfähig gewesen sei. Woraus für den Kläger (oder die Beklagte) sonst deutlich hätte werden sollen, dass eine Aussichtslosigkeit von Maßnahmen gegen den genannten Kunden angenommen werden habe müssen, lasse sich auch aus den übrigen Behauptungen des Klägers nicht ableiten. Selbst erhebliche Außenstände und eine nach § 17 der deutschen Insolvenzordnung (InsO) gegebene Zahlungsunfähigkeit böten schließlich keinen Anhaltspunkt dafür, dass auch ein Konkursantrag als aussichtslose Maßnahme im Sinne des § 9 Z 1 lit e der AVB erscheinen habe müssen. Auch das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 9. 5. 2001, auf das sich der Kläger berufen habe, liege außerhalb des Haftungszeitraumes. Da das Vorliegen weiterer gesetzlicher Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung nicht erkennbar sei, sei das Vorbringen in der Berufung ohne weitere Bedeutung; der Kläger hätte den Vertrag in der vom Erstgericht vorgenommenen Auslegung niemals abgeschlossen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, da der Auslegung der AVB-GAW aus Sicht des Berufungsgerichtes Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu, soweit ersichtlich, nicht bestehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Nichtigkeit, der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung primär, das gegnerische Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen; in eventu diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht formulierten Grunde zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor, was gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner weiteren Begründung bedarf. Es kann hiezu daher genügen, darauf zu verweisen, dass Verfahrensmängel erster Instanz, welche bereits das Berufungsgericht verworfen hat, nach ständiger Rechtsprechung nicht mit Erfolg in der Revision neuerlich geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0106371; Kodek in Rechberger, ZPO² Rz 3 zu § 503) - hier bezüglich des von der klagenden Partei beantragten Zeugen W***** sowie ihres Antrages auf ergänzende Einvernahme des Zeugen Dr. K***** vor dem erkennenden Gericht. Soweit die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes - im Zusammenhang mit dem vom Kläger behaupteten, jedoch von den Vorinstanzen nicht als erwiesen angenommenen Einverständnis der beklagten Partei zu der von ihr gewählten Form eines Eigentumsvorbehaltes für Kunden in Deutschland laut Rechnungs- und Lieferscheinvermerk - überhaupt als nichtig, nämlich „nicht zureichend begründet iS des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO gewertet" wird, wird hiedurch versucht, den im Revisionsverfahren (§ 503 ZPO) nicht vorgesehenen Revisionsgrund einer beweismäßigen Bekämpfung untergerichtlicher Tatsachenfeststellungen in das Revisionsverfahren einzubringen, was aber von vornherein scheitern muss (Kodek, aaO Rz 1 zu § 503). Insoweit war das Rechtsmittel daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die (eigentliche) Rechtsrüge des Rechtsmittelwerbers lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der Terminus „Zahlungsunfähigkeit" in den AVB-GAW sei „im insolvenzrechtlichen Sinn sowie nach den Regeln des Handelsbrauchs bzw der Verkehrssitte auszulegen", ebenso seien die AVB „streng objektiv" auszulegen, wobei Unklarheiten im Sinne des § 915 ABGB zu Lasten des Versicherers gingen und besondere Bestimmungen (vorliegendenfalls die Regeln im insolvenzrechtlichen Sinn sowie des Handelsbrauchs und der Verkehrssitte) vor den AVB Vorrang hätten; diesbezüglich sei auf die „Gewohnheiten und Gebräuche in der Textilbranche" besonders hinzuweisen. Bezüglich des Umstandes, ob der Versicherungsfall für ein und denselben Forderungsfall mehrfach eintreten könne (nämlich sowohl im Zeitpunkt der Aussichtslosigkeit weiterer Maßnahmen als auch der Konkurseröffnung), liege eine zu Lasten der beklagten Partei als Verfasser gehende Unbestimmtheit der AVB vor. Die klagende Partei hätte bei Auslegung der AVB im Sinne der Vorinstanzen den Vertrag niemals abgeschlossen, zumal sie einerseits ständig ein Detektivbüro mit der Nachforschung über die aktuelle Zahlungsunfähigkeit der Kunden beschäftigen müsste, andererseits aber das versicherte Risiko (nämlich die Zahlungsunfähigkeit der Kunden, wenn diese fällige Verbindlichkeiten nicht in angemessener Frist befriedigten) vereitelt wäre, was „der ständigen Rechtsprechung des OGH" widerspreche. Vielmehr sei hier Zahlungsunfähigkeit „in rechtlicher Hinsicht" (gemeint im Sinne der AVB) zufolge der ausstehenden Lieferantenverbindlichkeiten von ca DM 2 Mio und damit auch der Versicherungsfall schon vor dem 30. 11. 2000 und damit noch bei aufrechtem Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen vorgelegen und damit der Klage Folge zu geben.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

Zunächst ist vorauszuschicken, dass sich der Kläger im Verfahren erster Instanz auf das Bestehen von Handelsbräuchen (speziell in der Textilbranche) nicht berufen hat, sodass sein diesbezügliches Vorbringen erst im Rechtsmittelverfahren gegen das Neuerungsverbot verstößt. Im Übrigen wäre die Feststellung, ob Handelsbräuche oder Usancen bestehen, eine nicht revisible Tatfrage (RIS-Justiz RS0042274). Des weiteren ist gleich vorweg darauf hinzuweisen, dass es sich bei der an mehreren Stellen des Rechtsmittels genannten Entscheidung „7 Ob 8 788" um ein offenkundiges Fehlzitat handelt; sollte damit die (an späterer Stelle genannte) Entscheidung 7 Ob 8/88 gemeint sein, so betraf diese einen Krankenversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten und Krankenhaustaggeldversicherung zugrunde lagen, also ein zur gegenständlichen Rechtssache völlig anders gelagerter Sachverhalt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass Allgemeine Vertrags- und damit auch Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis bzw einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer erschließen; ihre Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut nach den Vertragsauslegungsgrundsätzen der §§ 914 f ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0008901; RS0062323; RS0050063). Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung, dass für den (anspruchsbegründenden) Eintritt des Versicherungsfalles den Versicherungsnehmer die Beweispflicht trifft (RIS-Justiz RS0080003; RS0043438; RS0043563; 7 Ob 78/02z mwN). Ob es sich bei der hier in den Versicherungsbedingungen als Versicherungsfall umschriebenen „Zahlungsunfähigkeit" allenfalls um einen gedehnten (erstreckten) Versicherungsfall handelt (hiezu allgemein Schwintowski in Berliner Kommentar, Rn 47 zu § 1 und Höke in Versicherungsrechts-Handbuch Rn 14 zu § 19 sowie 7 Ob 65/02p mwN), kann dahingestellt bleiben, weil die Auslegung des § 9 der hier maßgeblichen AVB von den Vorinstanzen in nicht zu beanstandender Weise erfolgt ist, wobei die durch die bereits weiter oben erwähnte und seit 1. 1. 1999 in Deutschland geltende Insolvenzordnung unterschiedliche Terminologie (wonach die für den österreichischen Rechtsbereich typischen Ausdrücke „Konkursverfahren" und „Ausgleichsverfahren" unter den Begriff des „Insolvenzverfahrens" fallen: jüngst hiezu 9 Ob 135/04z) für diese Auslegung nicht weiter hinterfragt werden muss. Der im Zentrum der Beurteilung stehende Begriff der „Zahlungsunfähigkeit" ist nämlich, wie sich schon aus den Fallgruppen der lit a bis c des § 9 Z 1 AVB ergibt, jedenfalls konkurs-(insolvenz-)rechtlich verknüpft (vgl zur deutschen Bedingungslage etwa Hermann in Versicherungsrechts-Handbuch, Rn 26 ff zu § 39). Durch die Verbindung sämtlicher genannten Fälle durch das Wort „oder" ist auch (eindeutig) klargestellt, dass jeder dieser Tatbestände für sich den Versicherungsfall herbeizuführen geeignet ist, sodass es genügen muss, dass der Versicherungsnehmer den Nachweis zumindest einer dieser Tatbestände erbringt, im Zweifel für denjenigen, der die geringeren Beweis- und Abgrenzungsschwierigkeiten birgt (Prölss/Martin, VersVG27 Rn 31 zu § 1). Darüber hinaus ist die Aufzählung jedoch zufolge ihres abschließenden Tatbestandskataloges - entgegen der insoweit auch nicht näher begründeten Argumentation des Rechtsmittelwerbers - eine taxative und keine bloß demonstrative, wird doch hiefür auch nicht etwa im Einleitungssatz die Worte „beispielsweise", „insbesondere" odgl verwendet. Dass das Konkurs-(Insolvenz-)verfahren über die Kundin der Klägerin erst nach Ende des Versicherungsvertrages gerichtlich eröffnet wurde, ist unstrittig; ebenso, dass die übrigen Fälle des § 9 Z 1 lit b bis d vorliegendenfalls nicht erfüllt sind. Streitpunkt bildet (nur), ob Zahlungsunfähigkeit (und damit der Versicherungsfall) vor dem 30. 11. 2000 deshalb zugunsten des klägerischen Versicherungsnehmers zu bejahen sei, weil (lit e) „infolge nachgewiesener ungünstiger Umstände eine Bezahlung aussichtslos (erschien), weil eine Zwangsvollstreckung, ein Konkursantrag oder eine andere gegen den Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg (versprach)", wobei gemäß § 9 Z 2 letzter Halbsatz der Bedingungen als Zeit für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (und damit wiederum des Versicherungsfalles) im Falle der lit e „der Tag, an dem aufgrund entsprechenden Beweismaterials die Aussichtslosigkeit von Maßnahmen gegen den Schuldner angenommen werden muß" definiert wird. Diesen Nachweis der Aussichtslosigkeit hat der Kläger jedoch nach den maßgeblichen und für den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsachen-, sondern nur Rechtsinstanz ist, bindenden Feststellungsgrundlagen der Vorinstanzen nicht erbracht, begnügte er sich doch einen (!) Tag vor Ablauf des Versicherungsschutzes mit einer telefonischen Mitteilung, dass seine ausständigen Rechnungen von der Kundin nicht bezahlt würden und schloss er hiezu (seinem diesbezüglichen Fax vom selben Tag: Beilage J) nur ein Mahnschreiben und drei Rechnungen als Beilagen an. Wie hiedurch nachgewiesen worden sein soll, dass „eine Bezahlung aussichtslos erscheint, weil eine Zwangsvollstreckung, ein Konkursantrag oder eine andere gegen den Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg verspricht", bleibt unerfindlich. Dies haben auch die Vorinstanzen bereits zutreffend erkannt, sodass insoweit auch auf die rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichtes hiezu verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Eine unklare (und damit zu Lasten der beklagten Partei auszulegende) Bedingungslage vermag der erkennende Senat darin ebenfalls nicht zu erblicken.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte