Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.629,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 771,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat mit der beklagten Partei eine Unfallversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1965) zugrunde liegen. Der Art.8 der AUVB hat, soweit er hier von Bedeutung ist, folgenden Wortlaut:
"II.1. Ergibt sich innerhalb eines Jahres vom Unfalltage an gerechnet, daß eine dauernde Invalidität zurückbleibt, so ist
a) entweder aus der hiefür versicherten Summe die dem Grade der Invalidität entsprechende Versicherungsleistung (vgl. Art.10) zu erbringen oder b) ist der Versicherer berechtigt, den Grad der Invalidität, soweit er nicht nach Art.10 Pkt. 1, eindeutig feststeht, bis längstens 4 Jahre vom Unfalltage an jährlich neu feststellen zu lassen. III. Taggeld wird im Falle einer dauernden oder vorübergehenden Invalidität, im Rahmen des hiefür versicherten Betrages ..... mit der Maßgabe bezahlt, daß die Taggeldzahlungen spätestens mit dem auf den Unfalltag folgenden 365. Tag enden.
IV. Aufgewendete Heilkosten, die innerhalb eines Jahres nach dem
Unfalle zur Behebung seiner Folgen nach ärztlicher Verordnung
notwendig waren, werden bis zu der hiefür vorgesehenen
Versicherungssumme ..... ersetzt. V. Spitalgeld wird neben den
sonstigen versicherten Leistungen für einen Spitalaufenthalt, der
durch einen Unfall innerhalb eines Jahres nach seinem Eintritt
unbedingt notwendig ist ..... gezahlt."
Der Kläger erlitt am 22. Oktober 1979 einen Unfall, für den er damals die Versicherungsleistungen von der beklagten Partei erhielt. Nach dem beiderseitigen Vorbringen ist auch nicht strittig, daß die beklagte Partei dem Kläger damals die dem Grade der Invalidität entsprechende Versicherungsleistung erbrachte. Der Kläger behauptet, daß ab 1987 eine Verschlechterung der Unfallfolgen eingetreten sei und begehrt für sie die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm eine (im einzelnen näher bezeichnete) Verschlechterung der Unfallfolgen als erwiesen an, die dazu führte, daß sich der Kläger am 10. März 1987 einer Operation unterziehen mußte.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes erstrecke sich das versicherte Risiko gemäß Art.8 AUVB nur auf Unfallfolgen, die innerhalb eines Jahres nach dem Unfalltag eingetreten seien. Diese Frist sei eine Präklusivfrist. Nur bis 22. Oktober 1980 eingetretene Unfallfolgen seien daher deckungspflichtig.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil aus dessen Gründen und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-, nicht aber S 300.000,- übersteigt und die Revision nicht zulässig ist.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig. Strittig ist im Revisionsverfahren die Frage, ob der Versicherungsnehmer nach Verschlechterung der Unfallfolgen eine Erhöhung der Invaliditätsentschädigung verlangen kann, wenn eine dauernde Invalidität innerhalb der Jahresfrist festgestellt und entschädigt wurde (letzteres ist hier, wie schon eingangs gesagt wurde, nach dem beiderseitigen Vorbringen nicht strittig). Zu dieser Frage fehlt eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Nach Art.8 II.1. AUVB 1965 ist, wenn innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an eine dauernde Invalidität feststeht, a) entweder aus der hiefür versicherten Summe die dem Grade der Invalidität entsprechende Versicherungsleistung zu erbringen oder b) ist der Versicherer berechtigt, den Grad der Invalidität, soweit er nicht nach Art.10 Pkt.1, eindeutig feststeht, bis längstens 4 Jahre vom Unfalltage an jährlich neu feststellen zu lassen. Die Möglichkeit der Neufeststellung des Invaliditätsgrades soll ganz offensichtlich einer potentiellen Entwicklung des Leidenszustandes des Versicherungsnehmers Rechnung tragen und die Festsetzung der Invaliditätsentschädigung nach dem tatsächlichen Leidenszustand gewährleistet. Nach dem klaren Wortlaut des Art.8 II.1. lit b steht das Recht der Neufeststellung aber nur dem Versicherer zu und ist mit 4 Jahren vom Unfalltag an zeitlich begrenzt. Durch die zeitliche Begrenzung wird eine Verzögerung der Abwicklung des Versicherungsfalls verhindert. Sie schafft einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse an einer dem tatsächlichen Leidenszustand entsprechenden Festsetzung der Entschädigung und einer allzulangen Verzögerung der Abwicklung. Macht der Versicherer nach Bestimmung des Invaliditätsgrades von seinem Recht der Neufeststellung keinen Gebrauch und wird die Invaliditätsentschädigung ausbezahlt, so kann der Versicherungsnehmer bei Verschlimmerung des unfallbedingten Leidens keine Nachforderung stellen, der Versicherer kann die Entschädigungsleistung aber auch nicht (teilweise) zurückfordern, wenn im Ergebnis eine geringere oder gar keine Invalidität verbleibt (Bruck-Möller-Wagner, VVG8 VI/1 483 f). Im vorliegenden Fall wurde nicht einmal behauptet, daß die beklagte Partei von der Möglichkeit der Neufestsetzung des Invaliditätsgrades Gebrauch gemacht hätte. Zudem ist die Frist des Art.8 II.1. lit b längst abgelaufen. Beizupflichten ist der Revision darin, daß es nach Prölss-Martin (VVG24 1525) nur darauf ankommt, daß innerhalb der Frist eines Jahres vom Unfalltag an die Invalidität dem Grunde nach festgestellt wird, die Invaliditätsentschädigung aber nicht nur nach Maßgabe der für das erste Jahr nach dem Unfall festgestellten Unfallfolgen verlangt werden kann. Diese Ausführungen werden aber offensichtlich vom Revisionswerber mißverstanden. Prölss-Martin verweisen in einem Klammerzitat ausdrücklich auf § 13 Nr. 3 a der AUB. Danach sind der Versicherer und der Versicherungsnehmer berechtigt, den Grad der dauernden Arbeitsunfähigkeit während der ersten zwei Jahre nach Abschluß der ärztlichen Behandlung, längstens jedoch drei Jahre vom Unfalltage an, jährlich neu feststellen zu lassen. Eine ähnliche Bestimmung enthalten die AKB (§ 22 Abs 4). Auch in der Bundesrepublik Deutschland wird hiezu die Auffassung vertreten, daß das Verlangen auf Neufeststellung nur während der ersten drei Jahre vom Unfalltag an gestellt werden kann und die Parteien nach drei Jahren das Risiko in Kauf nehmen müssen, daß der dauernd verbleibende Invaliditätsgrad so festgestellt wird, wie ihn ärztliche Gutachter, der Ärzteausschuß oder das Gericht drei Jahre nach dem Unfall feststellen können (Wussow-Pürckhauer AUB5 250; Grimm, Unfallversicherung 190 f; VersR 1958, 507; vgl. auch Stiefel-Hofmann, Kraftfahrtversicherung14 789 Anm.17). Auch Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland können demnach den Standpunkt des Klägers nicht stützen. Daß Taggeld, Heilkosten oder Spitalgeld über den in den Punkten III, IV und V festgesetzten, hier längst abgelaufenen Zeitraum hinaus verlangt werden könnten, wird in der Revision ohnehin nicht mehr behauptet. Die festgestellte Verschlechterung im Leidenszustand des Klägers rechtfertigt somit keine Nachforderung.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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