Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 257,25 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von S 31.000,-
s. A. und bringt vor, es sei im Oktober 1983 zwischen den Streitteilen ein Einzelunfallversicherungsvertrag abgeschlossen worden, auf Grund dessen sie S 31.000,- gezahlt habe. Anläßlich des Vertragsabschlusses habe der Beklagte angegeben, lediglich im Jahre 1982 einen Unfall erlitten und keine Entschädigungsleistung erhalten zu haben. Tatsächlich habe sich aber herausgestellt, daß der Beklagte in den Jahren 1978 bis 1984 15 Schadensfälle erlitten und in den Jahren 1980 bis 1983 aus dem Titel der Dauerinvalidität S 100.000,- an Entschädigungsleistungen von anderen Gesellschaften erhalten habe. Die Klägerin sei deshalb mit Schreiben vom 21.1.1985 vom Versicherungsvertrag zurückgetreten.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, er übe als Zimmerer einen Beruf mit erhöhter Unfallsgefahr aus. Diese besondere Unfallsgefahr habe der Beklagte jedoch nie verheimlicht. Nach Kündigung seines Unfallversicherungsvertrages bei der Donau-Versicherungs-AG habe er den Versicherungsvertreter dieser Gesellschaft, Johann R***, ersucht, ihm beim Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages behilflich zu sein. Johann R*** habe einen Versicherungsantrag aufgenommen. Da weder der Beklagte noch Johann R*** Aufzeichnungen über die Unfälle des Beklagten gehabt hätten, habe Johann R*** erklärt, er werde dafür sorgen, daß der Versicherungsantrag in der Zentrale der Donau-Versicherungs-AG entsprechend ergänzt und erst dann an die Klägerin weitergeleitet werde. Diesem Versprechen sei Johann R*** auch nachgekommen. Die Klägerin könne sich daher nicht darauf berufen, nicht umfassend informiert worden zu sein.
Die Klägerin erwiderte, der Beklagte habe sich bei Abschluß des Versicherungsvertrages des Johann R*** und dieser der A*** G*** MBH (vormals: "D***") bedient. Der Beklagte habe es zu vertreten, wenn im Versicherungsantrag fehlerhafte oder mangelhafte Angaben gemacht worden seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:
Zwischen dem Beklagten und der Donau-Versicherungs-AG bestand ein Unfallversicherungsvertrag, den die Donau-Versicherungs-AG mit Schreiben vom 14.9.1983 gemäß Art. 17/II/b der Allgemeinen Bedingungen für die Unfall- und Fluggast-Unfallversicherung kündigte. Der Beklagte hatte von der Donau-Versicherungs-AG nach 15 Schadensfällen in den Jahren 1980 bis 1983 aus dem Titel der Dauerinvalidität Leistungen von S 100.000,- erhalten. Der Beklagte ersuchte daraufhin den Versicherungsvertreter der Donau-Versicherungs-AG, Johann R***, ihm beim Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages behilflich zu sein. Johann R*** nahm mit dem Beklagten den Antrag Beilage 1 auf. Die Frage, ob eine Unfallversicherung von einem Versicherungsunternehmen bereits abgelehnt oder gekündigt worden sei, wurde dabei mit "ja" beantwortet. Die Frage über bereits erlittene Unfälle wurde nicht beantwortet, weil weder der Beklagte, noch Johann R*** wußten, welche Unfälle der Beklagte bereits gehabt hatte.
Im Jahre 1983 hat die Donau Versicherungs-AG gemeinsam mit der Wiener Städtischen Versicherungs-AG in Wien ein Maklerbüro, "A*** V*** G*** MBH" (früher: "D***") betrieben.
Johann R*** übermittelte den Versicherungsantrag des Beklagten der Landesdirektion der Donau Versicherungs-AG in Eisenstadt mit einem Begleitschreiben, in dem er um die Ergänzung des Antrages durch Angabe der Vorverletzungen ersuchte. Der Beklagte und Johann R*** waren in dem Antrag um richtige und vollständige Angaben bemüht. Die Landesdirektion Burgenland der Donau Versicherungs-AG gab den Antrag des Beklagten an das Maklerbüro "A***" weiter. Diese Versicherungsmakler-Gesellschaft hat am 17.10.1983 ein "Erhebungsblatt" der Klägerin (Beilage III) zum Teil unrichtig beantwortet. So wurde zwar die Frage, ob der Beklagte bereits Unfälle erlitten habe, mit "ja" beantwortet, doch wurde hiezu nur die Jahreszahl 1982 angegeben. Die Frage nach Entschädigungen wurde verneint, obwohl als Unfallsfolge eine Invalidität im Ausmaß von 12 % angegeben wurde, und ebenso auch die Frage, ob dem Antragsteller die beantragte Versicherung von einem anderen Versicherer abgelehnt oder gekündigt wurde. Die Klägerin hat auf Grund der Angaben der "A***" mit dem Beklagten eine Einzelunfallversicherung abgeschlossen.
Der Beklagte wußte nicht, daß die "A***" eingeschaltet und für ihn tätig wurde. Er hatte keine Kenntnis von den Angaben der "A***" in Beilage III.
Der Beklagte hat von der Klägerin nach zwei Schadensfällen S 31.000,- erhalten.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die unrichtigen Angaben in Beilage III könnten nicht zu Lasten des Beklagten gehen. Die Klägerin sei daher nicht zum Rücktritt berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der Klage - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens, dessen Abweisung unbekämpft geblieben ist - statt und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes führte es in rechtlicher Hinsicht aus, es sei dem Beklagten als Verschulden anzurechnen, daß er den Versicherungsantrag Beilage 1 aus der Hand gegeben habe, ohne die Frage nach bereits erlittenen Unfällen beantwortet zu haben, und sich auf die ordnungsgemäße Beantwortung dieser Frage durch einen ihm unbekannten Dritten verlassen habe. Dem Beklagten sei auch die Antragstellung durch die "A***" zuzurechnen. Daß diese Gesellschaft bei der Beantwortung der in Beilage III gestellten Fragen kein Verschulden treffe, sei nicht behauptet worden. Die Klägerin sei daher berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten und die bereits erbrachte Versicherungsleistung zurückzufordern. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil eine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob dem Beklagten die Weitergabe des Antrages Beilage 1 in der vorliegenden Form als Verschulden zuzurechnen sei, und inwiefern er für das Verhalten der "A***" einzustehen habe, nicht vorliege.
Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte vertritt die Ansicht, daß ihn kein Verschulden daran treffe, daß die Klägerin von seinen früheren Unfällen und von der Kündigung des Vertrages durch die Donau Versicherungs-AG nicht Kenntnis erlangt habe. Er habe von der Einschaltung eines Maklerbüros nicht Kenntnis gehabt und dieses daher auch nicht bevollmächtigt und ermächtigt, in seinem Namen und auf seine Rechnung einen Versicherungsvertrag abzuschließen.
Die geltend gemachten Umstände vermögen den Beklagten nicht zu entlasten.
Nach § 16 Abs 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer bei Abschluß des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Ist dieser Vorschrift zuwider die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben, so kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten (§ 16 Abs 2 VersVG). Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Umstand kannte oder wenn die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist (§ 16 Abs 3 VersVG).
An die vom Versicherungsnehmer bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht anzuwendende Sorgfalt sind ganz erhebliche Anforderungen zu stellen, besonders dann, wenn die gestellten Fragen Individualtatsachen betreffen (SZ 52/65 mit weiteren Hinweisen ua.). Wird der Vertrag von einem Bevollmächtigten oder von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen, so kommt nach § 19 VersVG für das Rücktrittsrecht des Versicherers nicht nur die Kenntnis und die Arglist des Vertreters, sondern auch die Kenntnis und die Arglist des Versicherungsnehmers in Betracht. Der Versicherungsnehmer kann sich darauf, daß die Anzeige eines erheblichen Umstandes ohne Verschulden unterblieben oder unrichtig gemacht wurde, nur berufen, wenn weder dem Vertreter noch ihm selbst ein Verschulden zur Last fällt.
Der Beklagte hat den ihm bekannten Johann R***, der bei der Donau Versicherungs-AG als Versicherungsvertreter angestellt war, gebeten, ihm nach Kündigung des zuvor mit der Donau Versicherungs-AG bestandenen Unfallversicherungsvertrages beim Abschluß eines neuen Vertrages behilflich zu sein. Beim Ausfüllen des Antragsformulars wurde zwar die Frage, ob eine Unfallversicherung bereits gekündigt worden sei, richtig, die weitere Frage nach bereits erlittenen Unfällen aber gar nicht beantwortet. Johann R*** übersandte vielmehr den Antrag an die Donau Versicherungs-AG mit dem Ersuchen, ihn mit den Angaben der Vorverletzungen zu ergänzen und an das Maklerbüro "D***" (= "A***") - mit dem R*** die Aufnahme des Antrages und Übermittlung an das Maklerbüro abgesprochen hatte (AS 13) - weiterzuleiten. Es fehlte jeder Anhaltspunkt für die Annahme, daß Johann R*** hiebei eigenmächtig vorgegangen wäre.
Auszugehen ist vielmehr davon, daß er vom Beklagten zu dem beschriebenen Vorgehen zumindest schlüssig iS des § 863 ABGB bevollmächtigt wurde, mag auch die Art und Weise, wie Johann R*** dem Beklagten bei der Erlangung einer neuen Unfallversicherung behilflich sein werde, im einzelnen nicht abgesprochen und dem Beklagten das Einschreiten der "A***" bis zur Zusendung der Polizze durch die Klägerin (Beilage II), wie festgestellt, nicht bekannt gewesen sein. Es ist weiter keine Frage, daß die "A***" durch Johann R*** zumindest schlüssig bevollmächtigt wurde, einen Versicherungsantrag für den Beklagten bei einer ihr geeignet erscheinenden Versicherungsgesellschaft zu stellen, und daß die Anzeige zumindest eines erheblichen Umstandes nicht ohne Verschulden der "A***" unterblieben ist. Selbst wenn nämlich zugunsten der "A***" - Feststellungen hiezu fehlen - angenommen wird, die Donau Versicherungs-Gesellschaft sei dem Ersuchen des Johann R*** nur unvollständig nachgekommen und habe nur eine Vorverletzung des Beklagten im Jahre 1982
angegeben, muß es ihr doch als Verschulden angelastet werden, daß sie angegeben hat, der Beklagte sei von keinem anderen Versicherer gekündigt worden, obwohl dem Antrag Beilage 1 ausdrücklich das Gegenteil zu entnehmen ist.
Da § 19 VersVG den Bevollmächtigten dem Versicherungsnehmer gleichstellt, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn nur einer von beiden einen gefahrerheblichen Umstand kennt und ihn schuldhaft nicht oder nicht richtig anzeigt. Ein dem Bevollmächtigten übergebener Fragebogen wirkt zugleich gegen und für den Versicherungsnehmer. Verletzt einer von beiden schuldhaft die vorvertragliche Anzeigepflicht, so kann der Versicherer zurücktreten, auch wenn den anderen kein Verschulden trifft (Bruck-Möller, VersVG 8 I Anm. 5 zu § 19, iglS auch Anm. 84 und 90 zu § 6 und Anm. 12 zu § 19).
Da der "A***" als Bevollmächtigter ein Verschulden daran zur Last fällt, daß bei Schließung des Vertrages die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben ist, war die Klägerin berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten. Es erübrigen sich deshalb nähere Ausführungen darüber, ob auch den Beklagten ein Verschulden im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes trifft.
Nach § 20 Abs 2 VersVG war die Klägerin nach ihrem Rücktritt berechtigt, die von ihr bereits erbrachten Leistungen zurückzuverlangen.
Zu den Ausführungen des Berufungsgerichtes über eine (mangelnde?) Kausalität des nicht angezeigten Gefahrenumstandes auf den Eintritt des Versicherungsfalles iS des § 21 VersVG nimmt der Beklagte in der Revision nicht Stellung. Zwar ist die Lehre zur Frage, ob der Versicherungsnehmer darüber, ob § 21 VersVG zutrifft, ein Vorbringen erstatten muß, oder ob dies schon von Amts wegen zu prüfen ist, nicht einheitlich. Prölss/Martin (VersVG 23 163) und Bruck-Möller (VersVG 8 I Anm. 11 zu § 21) vertreten (unter Hinweis auf eine Entscheidung des deutschen Reichsgerichtes) die Ansicht, das Eingreifen des § 21 VersVG sei von Amts wegen zu prüfen; entgegengesetzter Meinung ist Ehrenzweig (Deutsches [österreichisches] Versicherungsvertragsrecht, S 95, Anm. 16). Eine Stellungnahme hiezu ist im vorliegenden Fall entbehrlich, weil zumindest der Beweis des ersten Anscheins (große Anzahl der Unfälle des Beklagten) dagegen spricht, daß eine Kausalität des nicht angezeigten Umstandes für die gegenständlichen Versicherungsfälle nicht gegeben sei.
Mit Recht hat sohin das Berufungsgericht der Klage stattgegeben, so daß der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)