OGH 7Ob383/55

OGH7Ob383/5512.10.1955

SZ 28/225

Normen

ABGB §1102
EO §151
EO §156
ABGB §1102
EO §151
EO §156

 

Spruch:

Vorauszahlung des Mietzinses und nachfolgende Versteigerung der Liegenschaft (§ 1102 ABGB.).

Entscheidung vom 12. Oktober 1955, 7 Ob 383/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Hietzing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Beklagte und seine Rechtsvorgängerin als Mieter der Wohnung Nr. 13 im Hause Wien XIV., J.-Gasse 7, bezahlten den Voreigentümern dieses Hauses einen Betrag von insgesamt 25.000 S. Dafür wurde dem Beklagten die Befreiung von der Bezahlung des Hauptmietzinses bis 1960 zugesichert. Die Klägerin hat das Haus im Zwangsversteigerungsverfahren erworben. In diesem wurde bei Schätzung der Liegenschaft auf die vom Beklagten und anderen Mietern geleisteten Zahlungen Rücksicht genommen und dementsprechend der Schätzwert niedrig angesetzt. Die Klägerin legte als betreibende Gläubigerin dem Exekutionsgericht den Entwurf der Versteigerungsbedingungen mit dem ermittelten Schätzwert von 233.000 S und einem geringsten Gebot von 116.500 S vor. Zu diesem geringsten Gebot wurde die Liegenschaft bei der Versteigerung der Klägerin zugeschlagen. In der Klage verlangte die Klägerin vom Beklagten die Bezahlung des rückständigen Zinses seit 1. Jänner 1953. Der Zinsberechnung legte sie den vom Beklagten und seiner Rechtsvorgängerin bezahlten Betrag von 25.000 S zugrunde und gelangt, indem sie diesen Betrag durch 12 teilte, zu einem Jahresmietzins von 2083 S 33 g.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und erkannte zu Recht, daß der Anspruch der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Zahlung eines Hauptmietzinses, also eines über den Anteil an den Betriebskosten und Abgaben hinausgehenden Entgeltes für die Benützung der Wohnung, vom 1. Jänner 1953 an dem Gründe nach zu Recht bestehe. Begrundet wurde dieser Ausspruch mit der Bestimmung des § 1102 ABGB.

Das Berufungsgericht hob das Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nicht gefolgt werden kann der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Zinsvorauszahlung gemäß § 1102 ABGB. dem neuen Erwerber gegenüber ohne Rücksicht auf ihre grundbücherliche Eintragung auch dann rechtsverbindlich sei, wenn dieser von den Zinsvorauszahlungen und dem genauen Inhalt der getroffenen Vereinbarung vor dem Erwerbe der Liegenschaft Kenntnis erhalten hat. Diese Ansicht widerspricht dem klaren Wortlaut des § 1102 ABGB., der nur auf die grundbücherliche Eintragung der Zinsvorauszahlung und nicht auf den guten Glauben des Erwerbers abgestellt ist, und findet auch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und im Schrifttum keine Stütze.

Auch aus dem vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstande, daß die Zinsermäßigung nach erhaltenem Baukostenvorschuß nur die adäquate Gegenleistung des Vermieters dafür darstelle, daß das Bestandobjekt aus Mitteln des Bestandnehmers erst in einen benützbaren Zustand gebracht wurde, läßt sich die Nichtanwendbarkeit des § 1102 ABGB. nicht folgern. § 1102 ABGB. gilt für alle Fälle, in denen der Bestandgeber den Zins voraus aus der Liegenschaft gezogen hat (Klang zu § 1102 ABGB.), mag dies auch unter dem Titel der Forderung eines Baukostenbeitrages geschehen sein und mögen auch die bezahlten Beträge tatsächlich zur Instandsetzung des Bestandobjektes verwendet worden sein. In allen diesen Fällen steht dem Erwerber der Liegenschaft grundsätzlich das Recht zu, den Bestandzins ungeachtet der an seine Rechtsvorgänger geleisteten Zahlungen zu verlangen. Allerdings steht ihm nur das Recht zu, höchstens den gesetzlichen, bzw. bei mieterschutzfreien Wohnungen den angemessenen, Zins zu verlangen; einen Anspruch auf nochmalige Leistung des gezahlten Baukostenbeitrages, indem er diesen, wie es im vorliegenden Fall die Klägerin getan hat, auf die Jahre, für die Zinsfreiheit zugesichert wurde, verteilt, hat er keinesfalls. Dies ist aber eine Frage, die nicht den derzeit zur Entscheidung stehenden Grund, sondern nur die Höhe des Anspruches betrifft.

Obwohl also die Argumente des Berufungsgerichtes für die Aufhebung des Urteils erster Instanz einer Prüfung nicht standhalten, ist sie im Ergebnis dennoch gerechtfertigt. Denn die Klägerin hat im Exekutionsverfahren als betreibende Gläubigerin selbst die Versteigerungsbedingungen gelegt, die einen Schätzwert zur Grundlage hatten, der unter Berücksichtigung der Vorauszahlungen der Mieter erstellt worden war. Nur dieser Art von Schätzung war es zu verdanken, daß die Klägerin die Liegenschaft um ein besonders geringes Meistbot erwerben konnte. Die von den Mietern geleisteten Vorauszahlungen sind ihr daher schon einmal zugute gekommen. Sie will nun, indem sie für dieselbe Zeit, für die diese Vorauszahlungen geleistet wurden, Mietzinse von den Mietern verlangt, sich nochmals einen Vermögensvorteil verschaffen, wobei sie einen Rechtsstandpunkt einnimmt, der der Rechtslage, die der Schätzung im Zwangsversteigerungsverfahren zugrunde gelegt wurde, entgegengesetzt ist. Dieses Vorgehen der Klägerin muß, als ein gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten angesehen werden und würde, wenn es von Erfolg begleitet wäre, zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Klägerin führen. Daraus folgt, daß streitentscheidend die Frage ist, um welchen Betrag sich das geringste Gebot im Zwangsversteigerungsverfahren erhöht hätte, wenn die vom Beklagten und deren Rechtsvorgängerin bezahlten Beträge nicht geleistet oder in der Schätzung nicht berücksichtigt worden wären. Zur Prüfung dieser Frage ist die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils erforderlich. Denn um den erwähnten Differenzbetrag vermindern sich die von dem Beklagten für zwölf Jahre zu zahlenden Hauptmietzinse, und wenn dieser Differenzbetrag den Betrag der zu zahlenden Hauptmietzinse erreicht, entfällt für den Beklagten die Verpflichtung, für den erwähnten Zeitraum Hauptmietzins zu zahlen, vollkommen.

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