OGH 7Ob34/74

OGH7Ob34/7428.3.1974

SZ 47/38

Normen

JN §54 Abs2
KFG §63
VersVG §149
VersVG §158e
ZPO §411
ZPO §502 Abs3
JN §54 Abs2
KFG §63
VersVG §149
VersVG §158e
ZPO §411
ZPO §502 Abs3

 

Spruch:

Die Revision gegen einen 50.000 S nicht Übersteigenden bestätigenden Teil des Berufungsurteiles ist zulässig, auch wenn die Teilabänderung unter der Bagatellgrenze liegt und daher unanfechtbar ist; letztere darf allerdings keine bloße Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs. 2 JN betreffen und muß im rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang stehen

Neben der Direktlage nach § 63 KFG kann der geschädigte Dritte weiterhin den Weg der Exekution auf den Deckungsanspruch und der Driftschuldnerklage gegen den Versicherer wählen. Die Bindungswirkung des Urteils im Haftpflichtprozeß für dieses Verfahren hat unter der in SZ 3/26 bezeichneten Voraussetzung durch § 63 KFG keine Änderung erfahren

OGH 28 März 1974, 7 Ob 34/74 (OLG Graz 9 R 96/73; LG Klagenfurt 19 Cg 58/73)

Text

Der Kläger begehrt den restlichen Ersatz von Schaden seines Kraftfahrzeuges, die der Lenker eines PKW mit italienischem Kennzeichen am 23. September 1970 im Inland schuldhaft herbeiführte, nach Erwirkung eines rechtskräftigen Versäumungsurteiles gegen den Schädiger von der Beklagten aus der Schadenbehandlungsversicherung nach § 62 Abs. 3 KFG 1967 auf Grund Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruches, sowie hilfsweise nach § 63 Abs. 1 KFG 1967. Die Beklagte bestritt sowohl eine ordnungsgemäße Verständigung vom Haftpflichtprozeß als auch die Höhe des Klagsanspruches, der durch die Verurteilung des italienischen Lenkers noch nicht ihr gegenüber bindend festgestellt worden sei.

Das Erstrichter gab der Klage voll statt; das Berufungsgericht bestätigte im wesentlichen und wies bloß (unbekämpft) den Ersatzanspruch hinsichtlich der Kosten des Exekutionsverfahrens von 610 S samt Anhang ab. Nach den Feststellungen der Untergerichte hatte sich der Kläger am 11. Jänner 1971 zunächst an die B-Versicherungs-Gesellschaft um die Liquidierung seines Schadens gewendet. Diese lehnte den Anspruch mangels Bestehens einer Schadenbehandlungsversicherung ab. Die nun vom Kläger angerufene Beklagte teilte ihm mit, daß sie den Antrag samt Unfallprotokoll und Gelber Karte an die B-Versicherungs-Gesellschaft zur weiteren Behandlung übergeben habe, und ersuchte den Kläger, die weitere Korrespondenz in dieser Schadenssache mit der genannten Unternehmung zu führen. Die B-Versicherungs-Gesellschaft sandte dem Kläger unter Bezugnahme auf sein an die Beklagte gerichtetes Schreiben die Forderungsunterlagen zurück, damit er den Schadensfall gerichtlich geltend machen könne. Daraufhin klagte der Kläger den italienischen Lenker beim Landesgericht Klagenfurt und verständigte gleichzeitig mit dem Schreiben vom 19. März 1971 die B-Versicherungs-Gesellschaft von der Erhebung dieser Schadenersatzklage. Die nach Erwirkung eines rechtskräftigen Versäumungsurteiles an die B-Versicherungs-Gesellschaft erhobene Forderung, den zuerkannten Betrag zu überweisen, wurde von der genannten Versicherungsgesellschaft damit beantwortet, daß sie zwar im Gründe nach keinen Einwand erhebe, aber nicht bereit sei, überhöhte Ansprüche anzuerkennen. Auch die Beklagte lehnte die Bezahlung des mit dem Versäumungsurteil zugesprochenen Betrages ab, weil dieses gegen sie keine Wirkung habe.

Nach der Rechtsansicht der Untergerichte liegt eine ordnungsgemäße Verständigung des Versicherers gemäß § 63 Abs. 4 KFG von der Einbringung der Klage gegen den ausländischen Lenker vor. Die Beklagte, die sich dennoch an diesem Verfahren nicht beteiligt habe, müsse im Sinne der Entscheidung SZ 30/26 das Versäumungsurteil gegen sich gelten lassen. Das Kraftfahrgesetz 1967 habe an dieser Rechtslage nichts geändert.

Gegen den bestätigenden Teil des Berufungsurteiles erhebt die Beklagte die Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, das Berufungsurteil im angefochtenen Teil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern und die Rechtslage an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist zulässig, obwohl die bekämpfte Teilbestätigung den Betrag von 50.000 S nicht übersteigt und die Teilabänderung unter der Bagatellgrenze liegt. Der Ausschluß der Revision nach § 502 Abs. 3 ZPO hinsichtlich "bestätigender" Urteile des Berufungsgerichtes betrifft nur den Fall der vollen Bestätigung (JB. 156 neu). Ihm stellt der zweite Satz des § 502 Abs. 3 ZPO idF der ZP-Novelle BGBl. 291/1971 Jusdrücklich nur den Fall einer Abänderung im Ausspruch über Nebenforderungen gleich. Bei einer, wenn auch unter der Bagatellgrenze bleibenden Teilabänderung in bezug auf die Hauptsache bleibt es daher bei der Zulässigkeit der Revision gegen den über der Bagatellgrenze gelegenen bestätigenden Teil des Berufungsurteiles (ebenso bereits 2 Ob 225/72, 1 Ob 173/73 und 5 Ob 2/74) Der Sonderfall mehrerer, mangels eines rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs voneinander unabhängigen, rechtlich selbständigen Klagsansprüche, von denen einer in beiden Unterinstanzen gleichlautend entschieden wurde (6 Ob 162/72 u. a.), oder jener der Bekämpfung von zwei jeweils unter der Bagatellgrenze liegenden Aussprüchen des Berufungsgerichtes liegt hier nicht vor. Zu prüfen bleibt allerdings, ob die mit der vorliegenden Deckungsklage geltend gemachten Kosten der auf Grund des Urteils im Haftpflichtprozeß gegen den Versicherungsnehmer geführten Exekution bloße Nebengebühren sind. Als solche sind Forderungen im Sinne des § 54 Abs. 2 JN zu verstehen (7 Ob 147/72 u. a.). Teile einer Gesamtforderung wie etwa eines Anfechtungsanspruches oder der Rückersatzforderung des Bürgen sind aber nicht als Nebengebühren-Forderungen anzusehen (Fasching I, 341). Im gleichen Sinn sind hier die Kosten des Haftpflichtprozesses nicht Nebengebühren der Klagsforderung, deren Gegenstand vielmehr der zur Einziehung überwiesene Anspruch des Überweisungsschuldners (Versicherungsnehmers) gegen den Drittschuldner ist (vgl. Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblau EO[4] zur Frage der sachlichen Zuständigkeit für die Drittschuldnerklage).

Die Revision ist nicht berechtigt.

Bis zur Gewahrung einer unmittelbaren Klage gegen den Versicherer durch § 63 Abs. 1 KFG 1967 konnte der geschädigte Dritte auch in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung den Versicherer nur auf dem Umweg der Erwirkung eines Leistungsurteils gegen den Schädiger (Versicherten) und der anschließenden Drittschuldnerklage auf Grund exekutiver Überweisung des Deckungsanspruches des Versicherten in Anspruch nehmen. In diesen Fallen hatte nach herrschender auch von der Beklagten nicht in Zweifel gestellter Rechtsansicht das im Haftpflichtprozeß ergangene Urteil gegen den Haftpflichtversicherten mit Rücksicht auf die Rechtsnatur und den Zweck des Haftpflichtversicherungsantrages die Bindungswirkung, daß die Ersatzpflicht des Versicherten nach Bestand und Betrag in Deckungsprozeß gegen den Versicherer nicht nachgeprüft werden durfte, sofern dieser sich am Prozeß beteiligt hatte oder vergeblich zur Intervention aufgefordert worden war (Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht 370 f.; Bruck - Möller, VVGB IV, 95 f.;

Prölß - Martin[19], 678; SZ 30/26; ZVR 1960/80 = VersR 1960, 935 mit Zustimmung von Wahle, ZVR 1960/91; ZVR 1971/143; EvBl. 1972/77;

ebenso BGH VersR 1956, 707 und MDR 1959, 465).

Strittig ist hier, ob diese Rechtslage durch die Einräumung des direkten Klagerechtes gegen den Versicherer nach § 63 KFG 1967 eine Änderung erfahren hat. Dies hat der Oberste Gerichtshof in der nicht veröffentlichten Entscheidung 7 Ob 82/70 nicht angenommen, und die neuerliche Prüfung gibt keinen Anlaß, hievon abzugehen:

Zunächst kann der Meinung des Berufungsgerichtes nicht gefolgt werden, daß durch die Gewährung einer unmittelbaren Klage des Geschadigten gegen den Haftpflichtversicherer der Umweg über die Drittschuldnerklage hinfällig geworden sei. Der geschädigte Dritte kann den ihm gegen einen durch eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung oder eine Schadenbehandlungsversicherung Versicherten zustehenden Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrages auch unmittelbar gegen den Versicherer geltend machen (§ 63 Abs. 1 KFG). Er muß diesen Weg aber nicht gehen, sondern kann die Ersatzpflichtigen gleich wie andere Gesamtschuldner (§ 891 ABGB, Gschnitzer in Klang[2] IV/1 297) einzeln, sukzessiv oder gemeinsam klagen und ebenso weiterhin den Umweg über die Drittschuldnerklage gegen den Versicherer wählen. Dem geschädigten Dritten sollte eine weitere, direkte Klage eingeräumt werden, ohne daß das Gesetz irgend einen Anhaltspunkt dafür bietet, daß diese nun allein zulässig sein sollte. Beide Wege stehen dem Geschädigten jetzt nebeneinander offen (Prölß - Martin[19], 701, Hirschberg, VersR 1973, 505 zum insoweit vergleichbaren § 3 dPflVersG).

Für die Meinung, daß nun ein stattgebendes Urteil im Haftpflichtprozeß keine Bindungswirkung für den Deckungsprozeß mehr habe, beruft sich der Revisionswerber zu unrecht auf die Bestimmung des § 63 Abs. 3 KFG 1967. Wenn dort ausgesprochen wird, daß ein Urteil, mit dem ein Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten rechtskräftig aberkannt wird, auch zugunsten des an diesem Prozeß nicht beteiligten zweiten Leistungspflichtigen wirkt, so ist zwar der Gegenschluß erlaubt, daß eine solche Wirkung einem stattgebenden Urteil im ersten Prozeß nicht allgemein zukommt. Das mag im besonderen, ohne hier geprüft werden zu müssen, auf einen nachfolgenden zweiten Direktprozeß zutreffen. Eine Änderung der Rechtslage für den Deckungsprozeß auf Grund Drittschuldnerklage ist hingegen weder aus dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte der neuen Bestimmung zu erkennen. Der erklärte Zweck der Einführung der Direktklage war es bloß, das von Österreich ratifizierte Europäische Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge im Art. 6 Abs. 1 seines Anhanges 1 zu erfüllen, wonach "die geschädigte Person einen eigenen Anspruch gegen den Versicherer hat" (Erl. Bemerkungen der Regierungsvorlage, 186 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XI. GP). Auch ist die bisher angenommene Bindungswirkung kein Fall einer erweiterten Rechtskraft (Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, 370 f.; Bruck - Möller, VersvG 8, IV, 95). Daher geht auch der Hinweis der Revisionswerberin auf eine notwendige Streitgenossenschaft der Haftungspflichtigen bei gemeinsamer Inanspruchnahme durch Direktklage nach § 63 KFG ins Leere.

Die Neuregelung des § 63 Abs. 4 KFG 1967 entspricht dem auf den Deckungsanspruch früher anzuwendenden § 158d, Abs. 2 und § 158e Abs. 1 VersvG. Wenn das Gesetz wiederum fordert, daß der geschädigte Dritte, der seinen Schadenersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherten gerichtlich geltend macht, dies dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen hat, widrigenfalls sich die Haftung des Versicherers auf den Betrag beschränkt, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Pflicht zu leisten gehabt hätte, dann trifft weiterhin die Hauptbegründung für die schon früher angenommene Bindungswirkung des Haftpflichturteiles für den Deckungsprozeß zu, daß es nämlich Sache des ordnungsgemäß verständigten Versicherers wäre, sich schon im Haftpflichtprozeß um die Abwehr unbegrundeter Ansprüche zu kümmern (vgl. EvBl. 1972/77). Da das Urteil im Haftpflichtprozeß nur unter dieser Voraussetzung die Grundlage für den Deckungsanspruch bildet, geht schließlich die Annahme der Revisionswerberin fehl, daß mit der Direktklage gegen den Versicherten Einwendungen verhindert werden sollten.

Die in der Frage weiterer Bindungswirkung des Haftpflichturteils noch uneinheitlichen Lehrmeinungen zum ähnlichen § 3 des Pflichtversicherungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Prölß - Martin[19], 711; Stiefel - Wussow - Hofmann, Kraftfahrversicherung[9] 419 f.; Hirschberg, VersR, 1973, 504) können unerörtert bleiben, weil § 63 KFG gerade in dieser Frage von dem ausländischen Gesetz insoweit abweicht, als hier die Meldepflicht hinsichtlich der Klage samt der bisherigen Sanktion ihrer Verletzung in § 63 Abs. 4 KFG und ebenso die Geltung des § 158c VersVG allgemein für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in § 63 Abs. 5 KFG aufrechterhalten wurde. Abweichende Besonderheiten für die im vorliegenden Fall betroffene Schadenbehandlungsversicherung im Sinne des § 62 Abs. 3 KFG sind weder behauptet noch zu erkennen, weil diese Versicherung in § 63 KFG der Haftpflichtversicherung) hinsichtlich der Deckungspflicht gleichgestellt ist (Abs. 1 und Abs. 5).

Der in der Revision wiederholten Meinung, daß der K die Verständigung der B-Versicherungs-Gesellschaft der gesetzlich geforderten Verständigung des Vesicherers (des Verbandes der Beklagten nicht entsprochen habe, kann nicht gefolgt werden. Wohl hatte der geschädigte Dritte gemäß § 63 Abs. 4 KFG die gerichtliche Geltendmachung des Schadenersatzanspruches gegen den ersatzpflichtigen Versicherten dem "Versicherer" unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Wenn aber die Revisionswerberin im vorprozessualen Schriftwechsel den Kläger ausdrücklich anwies die weitere Korrespondenz in dieser Schadenssache mit der B-Versicherungs-Gesellschaft zu führen, dann muß ihr Versuch, aus der Befolgung dieser Anweisung eine formale Verletzung der Meldepflicht abzuleiten, in der Tat als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet werden.

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