OGH 7Ob333/98s

OGH7Ob333/98s1.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert M*****, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, wider die beklagte Partei Erich S*****, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 1.500,--, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. September 1998, GZ 1 R 440/98g-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Reutte vom 5. Juni 1998, GZ 2 C 257/98h-12, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.355,52 (darin S 225,92 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Beklagte bzw ein von ihm beauftragter Dritter brachte am 10. 6. 1997 das vom Sohn des Klägers in dessen Auftrag auf den Parzellen *****, ***** und *****, alle Grundbuch H*****, von einer Fläche von 1200 m2 abgemähtes und dort zum Trocknen liegen gelassenen Gras im Wert von S 1.500,-- an sich, um es für sich zu verwenden. Die genannten Grundstücke waren mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung zur Zahl IIIb2-ZA/255/2 aus dem Jahre 1980 in das Grundzusammenlegungsverfahren einbezogen worden, welches nach wie vor anhängig ist. Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 16. 11. 1987, Zahl IIIb2-ZA/255/156, wurde im Zuge dieses Zusammenlegungsverfahrens gemäß § 24 TFLG 1978 die vorläufige Übernahme des neu eingeteilten Gebietes von H***** angeordnet. Danach wurde das Abfindungsgrundstück ***** Hubert S*****, jenes mit der Nr. ***** Herta K***** geborene S***** und schließlich diejenigen mit den Nr. ***** und ***** Melanie P***** zugeteilt. In der Folge wurden die "Abfindungen" weiter nach Osten verschoben, sodaß alle oben genannten Grundstücke S***** zur Nutzung überlassen wurden. In der Folge machten sowohl Hubert S***** als auch der Beklagte gegenüber der Zusammenlegungsbehörde außerbücherliche Erwerbsvorgänge mit Melanie P***** geltend, nämlich Hubert S***** hinsichtlich der Gst. Nr. ***** und ***** des Grundbuches B*****, für welche Melanie P***** die Abfindung Gst. Nr. ***** (Nr. ***** stellte, wie bereits angeführt, eine Mehrabfindung dar) zugeteilt erhielt, und der Beklagte hinsichtlich der Gst. Nr. ***** und ***** Grundbuch H*****. In Anerkennung dieser außerbücherlichen Erwerbsvorgänge sowie weiterer vom Beklagten außerbücherlich von einer gewissen Christine B***** erworbenen Grundstücke teilte die Zusammenlegungsbehörde (allerdings nicht bescheidmäßig) Hubert S***** die Abfindung Nr. ***** und dem Beklagten (für die Gst. Nr. ***** und ***** Grundbuch H***** sowie die vorgenannten von Christine B***** erworbenen Grundstücke) die Abfindungsflächen Nr. ***** und ***** zu, welche jedoch nicht im hier gegenständlichen Bereich liegen. Der Kläger ist Pächter des Hubert S*****. Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, als Rechtsnachfolger der Melanie P***** hinsichtlich der hier gegenständlichen Fläche zu seinem Vorgehen berechtigt zu sein.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von S 1.500,-- sA aus den Rechtsgründen des Schadenersatzes bzw der ungerechtfertigten Bereicherung. Sein Verpächter sei Nutzungsberechtigter der gegenständlichen Grundstücke.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, er sei im Erbfolgeweg Eigentümer der gegenständlichen Grundstücke geworden und daher zur Einbringung des Heus berechtigt. Der Verpächter des Klägers, Hubert S*****, sei nur außerbücherlicher Eigentümer des Gst. Nr. ***** (gemeint wohl *****) nachrangig nach Melanie H*****, welche als grundbücherliche Eigentümerin dieser Parzelle aufscheine.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte, daß der Rechtsweg zulässig sei. Der vorliegende Streit sei zwar letztlich Ausfluß unterschiedlicher Auffassungen der Streitteile über das Eigentumsrecht an den hier strittigen Flächen, doch stelle die Frage des Eigentums nur eine Vorfrage für die Beurteilung des geltend gemachten Ersatzanspruches des Klägers dar. Ein solches Schadenersatz- bzw Bereicherungsbegehren sei nicht als Streitigkeit über eine Gegenleistung im engeren Sinne für die Benutzung des Grundstückes im Sinne des § 72 Abs 5 lit c des Tiroler Flurverfassungsgesetzes 1996 zu verstehen. Es sei davon auszugehen, daß der Verpächter des Klägers Hubert S***** der derzeitige Eigentümer der strittigen Grundstücke sei.

Das Berufungsgericht hob über Berufung des Beklagten das Ersturteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren mit der angefochtenen Entscheidung als nichtig auf und wies die Klage zurück. Gemäß § 72 Abs 4 TFLG 1978 erstrecke sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regulierungsverfahren, sofern sich aus dem Abs 7 nichts anderes ergebe, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung, Teilung oder Regulierung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes sei in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlosen, in deren Wirkungskreis diese sonst gehörten. Nach Abs 5 leg cit erstrecke sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde insbesondere auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken, solche über den Grenzverlauf derselben einschließlich der Streitigkeiten über den Grenzverlauf zwischen einbezogenen und nicht einbezogenen Grundstücken sowie solchen über Gegenleistungen für die Benutzung von in das Verfahren einbezogenen Grundstücken. Die Generalzuständigkeit der Agrarbehörde sei nach der Rechtsprechung großzügig auszulegen. Die Frage, ob eine solche vorläufige Zuteilung (etwa im Sinne des § 24 TFLG) mit der Wirkung des außerbücherlichen Eigentumserwerbes durch den Verpächter des Klägers erfolgt ist, könne jedoch nur von der Agrarbehörde entschieden werden. Wenngleich die Frage der Eigentümerstellung des Verpächters des Klägers als "Vorfrage" für die Aktivlegitimation des Klägers angesehen werden könne, sei die Zuständigkeit der Agrarbehörde gegeben, weil der innere Zusammenhang mit dem Zusammenlegungsverfahren zu bejahen sei und die Agrarbehörde nicht nur zur Beurteilung von dinglichen, sondern auch obligatorischen (und somit Schadenersatz- bzw Bereicherungs-)Ansprüchen zuständig sei, wenn die Frage der Aktivlegitimation und somit die Eigentümerstellung im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens strittig ist

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 72 Abs 4 TFLG 1978 idF des LGBl Nr. 18/1984 erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörden, sofern sich aus dem Abs 7 nichts anderes ergibt, von der Einleitung eines Zusammenlegungsverfahrens auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen (Prinzip der Kompetenzkonzentration). Während dieses Zeitraums ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehören. Gemäß § 72 Abs 5 TFLG erstreckt sich diese Zuständigkeit insbesondere auch auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken. Im vorliegenden Fall ist die Nutzung der gegenständlichen Grundstücke strittig. Die Berechtigung zur Nutzung stellt aber im vorliegenden Fall gemäß § 362 ABGB einen Ausfluß des Eigentums- (bzw Besitz-)Rechtes dar. Ob der für seine Aktivlegitimation beweispflichtige Kläger an den gegenständlichen Grundstücken nutzungsberechtigt ist, d.h. daß diese Grundstücke seinem Verpächter zur Nutzung überlassen worden sind, stellt eine nach § 72 Abs 5 der TFLG idF LGBl Nr. 18/1984 zu beurteilende Frage dar. Bei den vom Rekurswerber gebrauchten Beispielen ist nicht die Nutzung Gegenstand des Schadenersatzanspruches, sondern ein anderes schadensverursachendes deliktisches Verhalten. Den verfassungsrechtlichen Bedenken des Rekurswerbers hat der Verfassungsgerichtshof, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, mehrfach keine Bedeutung zugemessen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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