Normen
Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung Art5 I Abs4 lita
Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung Art7 I Abs7
VersVG §105
Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung Art5 I Abs4 lita
Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung Art7 I Abs7
VersVG §105
Spruch:
Nach Art 5 I Abs 4 lit a AHVB werden die außergerichtlichen Kosten der Abwehr eines von einem Dritten selbst unbegrundetermaßen erhobenen Anspruches von der Versicherung umfaßt, "soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist". Aus dieser Einschränkung aber geht hervor, daß die außergerichtliche Rechtsverteidigung zum Unterschied von der gerichtlichen (Art 7 I Abs 7 AHVB) dem Versicherer nicht vorbehalten ist
OGH 21. 4. 1971, 7 Ob 30/71 (LG Linz 13 R 342/70; BG Linz 10 C 32/70)
Text
Nach der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest: Die D-Metallhandels-GmbH Wien, hatte auf Grund der Vermittlung durch die Klägerin an die Eduard H-Nährmittelfabrik, L, Palettenregale geliefert, die am 15. 3. 1967 einstürzten. Zur Abwehr der in diesem Zusammenhang von den Rechtsvertretern der beiden eben genannten Unternehmen gegen sie außergerichtlich geltend gemachten Schadenersatzforderungen nahm die Klägerin die Dienste des nunmehrigen Klagsanwaltes in Anspruch, wodurch Kosten in der Höhe des eingeklagten Betrages von S 2112.- entstanden. Die Beklagte, bei der zur fraglichen Zeit sowohl die Klägerin als auch die Firmen D und H gegen Haftpflicht versichert waren, hatte von dem Schadensereignis alsbald erfahren, worauf sie von der Klägerin die Erstattung einer Schadensmeldung verlangte. Dies lehnte jedoch die Klägerin telephonisch mit dem Hinweis ab, daß sie den Vertragsabschluß über die Palettenregale lediglich vermittelt habe und sie daher ohnehin nicht haftbar gemacht werden könne. Die gleiche Auffassung vertrat auch der Klagevertreter in seinem Schreiben an die Beklagte vom 1. 4. 1967, der er zugleich das von ihr übersandte Formular für eine Schadensanzeige unausgefüllt zurückschickte. In der Folge kam es zwischen den Firmen D und H zu einer gütlichen Bereinigung der strittigen Angelegenheit. Als der Klagevertreter davon erfahren hatte, ließ er der Beklagten am 10. 10. 1967 seine Honorarnote betreffend die durch seine Tätigkeit für die Klägerin aufgelaufenen Kosten zugehen. Die Beklagte verweigert deren nunmehr mit Klage eingeforderte Bezahlung. Sie wendete ein, die Klägerin habe wegen Unterbleibens einer ordnungsgemäßen Schadensmeldung ihren Versicherungsanspruch verwirkt; auch sei ihr Anwalt nicht einvernehmlich betraut worden. Das Versicherungsvertragsverhältnis zwischen den Streitteilen grundet sich auf die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963). Diese lauten in Art 5 I Abs 4 lit a: "Die Versicherung umfaßt auch die gerichtlichen und außerordentlichen Kosten der Abwehr des von einem Dritten erhobenen Anspruches, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist, und zwar auch dann, wenn sich der Anspruch als unbegrundet erweist."
Art 6: "Versicherungsfall ist bei Personenschäden und
Sachbeschädigungen ... das Schadensereignis, bei reinen
Vermögensschäden ... der Verstoß, als deren (richtig: dessen) Folge
Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer erhoben werden können."
Art 7 I Abs 2: "Macht der Dritte einen Entschädigungsanspruch geltend, so hat der Versicherungsnehmer hievon spätestens innerhalb einer Woche, nachdem er von der Anspruchserhebung Kenntnis erlangte, dem Versicherer Anzeige zu erstatten."
Art 7 I Abs 7: "Kommt es zum Prozeß über den Haftpflichtanspruch, so hat der Versicherungsnehmer die Prozeßführung dem Versicherer zu überlassen, dem vom Versicherer bestellten oder bezeichneten Anwalt Vollmacht und alle von diesem oder dem Versicherer für nötig erachteten Aufklärungen zu geben."
Art 7 II: "Die Verletzung einer der dem Versicherer gegenüber nach dem Art 7 I zu erfüllenden Pflichten hat nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen über die Verwirkung (siehe § 6 VersVG ...) den Verlust des Rechtes auf die Leistung des Versicherers zur Folge."
Das Erstgericht erkannte nach dem Klagebegehren. Wie es in rechtlicher Beziehung ausführte, sei ein Versicherungsfall nach Art 6 AHVB nicht eingetreten, weil die Klägerin den Einsturz der Regale nicht zu vertreten habe; daher habe ihrerseits auch keine Anzeigepflicht bestanden. Überdies stelle der Rechtsstandpunkt der Beklagten, wonach sie infolge Verweigerung der Schadensmeldung leistungsfrei geworden sei, einen überspitzten Formalismus dar. Ihre Verbindlichkeit zum Ersatz der fraglichen Anwaltskosten sei somit nach Art 5 I Abs 4 lit a AHVB zu bejahen.
Die zweite Instanz gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren in Abänderung des Ersturteiles ab. Dieses gerate dem Berufungsgericht zufolge mit sich selbst in Widerspruch, indem es im Hinblick auf Art 6 AHVB das Vorliegen eines Versicherungsfalles verneine, nichtsdestoweniger aber die nur aus einem solchen ableitbare Leistungspflicht der Beklagten für gegeben erachte. Nach Art 5 I Abs 4 lit a AHVB sei der Versicherungsfall auch dann eingetreten, wenn sich der gegen den Versicherungsnehmer erhobene Anspruch des Dritten als unbegrundet erweise. Allerdings habe die Unterlassung der Schadensmeldung einen Anspruchsverlust gemäß Art 7 II AHVB nicht bewirkt, weil die Beklagte über das Schadensereignis, unmittelbar nachdem es sich zugetragen hatte, festgestelltermaßen durch die Firma H informiert worden sei, sie also in anderer Weise vom Eintritt des Versicherungsfalles Kenntnis erlangt habe (§ 153 Abs 1, § 33 Abs 2 VersVG). Die Leistungsfreiheit der Beklagten ergebe sich aber aus Art 7 I Abs 7 AHVB. Da nämlich dem Versicherer die Beauftragung eines Rechtsanwaltes für eine Prozeßführung vorbehalten sei, gelte dies umso mehr für die außergerichtliche Abwehr eines Haftpflichtanspruches, die im allgemeinen eine anwaltliche Vertretung weniger dringlich erfordere. Im gegenwärtigen Fall komme hinzu, daß die Klägerin selbst von vornherein davon ausgegangen sei, daß ihre Inanspruchnahme seitens der Firma D und H keinen Erfolg verspreche. Schließlich könne die Klägerin die von ihr behauptete Berechtigung, selbständig einen auf Kosten der Beklagten tätig werdenden Anwalt zu bestellen, auch nicht mit einer angeblichen Interessenkollision begrunden, die darin gelegen sein solle, daß neben ihr, der Klägerin, auch die Firmen D und H Haftpflichtversicherungsnehmer der Beklagten gewesen seien. Lasse doch letzteres einen solchen Widerstreit der Interessen nicht verständlich erscheinen, weil ja ohnehin schon vorweg festgestanden sei, daß die Beklagte aus dem Schadensereignis als Haftpflichtversicherer leistungspflichtig sein werde, wobei es für sie keinen Unterschied mache, gegenüber welchem Versicherungsnehmer dies der Fall sei.
Die Klägerin ficht das Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO an und beantragt, es iS der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.
Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit darin argumentiert wird, daß ein Versicherungsfall nicht eingetreten sei, entzieht allerdings, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Klägerin selbst ihrem Klagebegehren den Boden. Denn die Pflicht des Versicherers, Versicherungsschutz zu gewähren, setzt einen Versicherungsfall voraus, da diese Leistung nur unter der Bedingung seines Eintrittes versprochen ist (vgl Prölss, VersVG[17] Anm 2 B zu § 1). Die gegenteiligen Darlegungen in der Revision sind unschlüssig und folglich nicht geeignet, den Klagsanspruch zu stützen. Vielmehr ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß der Versicherungsfall allein dadurch, daß die Firmen D und H von der Klägerin Schadenersatz forderten, gegeben war, ohne daß es darauf ankam, ob diese Forderungen berechtigt erhoben wurden, da der vereinbarte Versicherungsschutz auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche in sich schließt (Art 5 I Abs 4 lit a AHVB).
Beizustimmen aber ist der Revisionswerberin darin, daß sie sich
gegen den vom Berufungsgericht aus Art 7 I Abs 7 AHVB gezogene
Größenschluß, demzufolge die Bestellung eines Rechtsanwaltes für den
Versicherungsnehmer nicht nur in gerichtlichen, sondern erst recht
in außergerichtlichen Auseinandersetzungen ausschließlich Sache des
Versicherers sei. Die eben erwähnte Bestimmung regelt diesen Belang
lediglich für den Prozeßfall. Dagegen handelt Art 5 I Abs 4 lit a
AHVB, der inhaltlich und weitgehend auch im Wortlaut dem § 150 Abs 1
Satz 1 und 2 VersVG entspricht, unter anderem von den
außergerichtlichen Kosten der Abwehr eines von einem Dritten selbst
unbegrundetermaßen erhobenen Anspruches und bestimmt, daß sie von
der Versicherung umfaßt werden, "soweit die Aufwendung der Kosten
den Umständen nach geboten ist". Aus dieser Einschränkung aber geht
hervor, daß die außergerichtliche Rechtsverteidigung zum Unterschied
von der gerichtlichen (Art 7 I Abs 7 AHVB) dem Versicherer nicht
vorbehalten ist, denn andernfalls wäre jener Hinweis, daß der
Versicherer Kosten der fraglichen Art nur nach Maßgabe ihres im
Einzelfall bestandenen Erfordernisses zu ersetzen hat, sinnlos,
würde er doch geradezu bedeuten, daß ein unnötiger Kostenaufwand des
Versicherers zu Lasten des Versicherungsnehmers ginge (ähnlich Bruck
- Möller - Johannsen, Komm zum VersVG IV 288 letzter Abs). Der
Klägerin war es somit nach dem Versicherungsvertrag, auch ohne daß sie vorher das Einvernehmen mit dem Beklagten hergestellt hatte, nicht verwehrt, als Versicherungsnehmer die außergerichtlich geltend gemachten Ansprüche ihrer Gegner selbständig zu bekämpfen. Nun können aber im Rahmen einer solchen außergerichtlichen Abwehr die Kosten der Befassung eines Rechtsanwaltes durch den Versicherungsnehmer nicht von vornherein als ungewöhnlich bezeichnet werden (vgl Bruck - Möller - Johannsen aaO 290 Abs 2). Daß sie im vorliegenden Fall nach der Lage der Dinge geboten waren, läßt sich entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht deshalb verneinen, weil der Klägerin die gegen sie gerichteten Schadenersatzforderungen der Firmen D und H rechtlich unhaltbar erschienen. Denn immerhin wurden deren Ansprüche ihr gegenüber von je einem Rechtsanwalt vertreten, so daß es für die Klägerin, auch wenn sie von der Unstichhältigkeit der gegnerischen Ansprüche überzeugt war, nahe liegen mußte, die durch diesen Rechtsbeistand zu besorgende Überlegenheit der Gegenseite dadurch auszugleichen, daß auch sie sich der Hilfe eines Rechtsanwaltes versicherte. Die damit verbundenen Auslagen stellen daher keinen unangemessenen Aufwand zur Abwehr der in Frage stehenden außergerichtlichen Inanspruchnahme der Versicherungsnehmerin dar. Dabei kann unerörtert bleiben, ob und wieweit der Umstand, daß für alle drei Beteiligten, also die Firma D, die Firma H und die Klägerin der Haftpflichtversicherer der nämliche war, etwa infolge bestimmter Verschuldensquoten eine Interessenkollision mit sich bringen konnte und daher auch deshalb die Anwaltsbestellung durch die Klägerin tunlich gewesen sein mag. Die Höhe des eingeklagten Kostenersatzes wurde außer Streit gestellt, was besagt, daß die Erbringung der vom klägerischen Anwalt verzeichneten Leistungen und deren richtige Verrechnung nicht strittig sind. Nach all dem ist das dem Klagebegehren stattgebende Ersturteil in der gegebenen Rechtslage begrundet.
Der Revision war daher spruchgemäß Folge zu geben.
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