OGH 7Ob304/00g

OGH7Ob304/00g20.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Simon S*****, vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Einwilligung (Streitwert S 15.000), über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 26. Juli 2000, GZ 3 R 202/00s-9, womit aus Anlass der Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 21. April 2000, GZ 3 C 2183/99w-5, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 3.248,64 (darin enthalten S 541,44 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Agrargemeinschaft M***** Alpe ist bücherliche Eigentümerin der knapp über 28 ha umfassenden, in der Katastralgemeinde Z*****, U***** bei H***** gelegenen "M***** Alpe". Die Streitteile haben als Eigentümer je einer von vier sog Stammsitzliegenschaften je 1/6 der - zur Nutzung des Alpgrundstückes berechtigenden - Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft. Je 2/6 der Anteilsrechte sind mit den Stammsitzliegenschaften verbunden, die im Eigentum des Lorenz S***** und des Peter S***** jun stehen.

Mit der - allein gegen den Beklagten gerichteten - Klage begehrt der Kläger, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die grundbücherliche Richtigstellung der Anteilsrechte an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft in der Form einzuwilligen, dass die Anteilsrechte auf 1/7-Anteile (statt 1/6-Anteile) abgeändert würden, wobei auf ihn, den Kläger, 2/7 der Anteilsrechte zu entfallen haben. Der Kläger brachte dazu im Wesentlichen vor, irrtümlich sei unberücksichtigt geblieben, dass ursprünglich auch mit einem weiteren, nun in seinem Eigentum stehenden Grundstück ein weiteres Anteilsrecht (von 1/7) an der M***** Alpe verbunden gewesen sei.

Der vor dem Erstgericht nicht anwaltlich vertretene Beklagte beantragte die Klage abzuweisen. Die gegebene Eigentumsaufteilung bestehe seit mehr als 100 Jahren. Im Übrigen habe diesbezüglich bereits ein Verfahren vor der Agrarbezirksbehörde und dem Landesagrarsenat stattgefunden, wobei das dort gestellte gleichlautende Begehren des Klägers abgewiesen worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Kläger sei der Beweis, dass Anteilsrechte auch mit einem weiteren, in seinem Eigentum stehenden Grundstück verbunden seien, nicht gelungen.

Das Gericht zweiter Instanz hat aus Anlass der Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung das Ersturteil und das nach der Klageerhebung stattgefundene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen. Der Kläger habe die Einwilligung des Beklagten zur Richtigstellung der Anteilsrechte der Stammsitzliegenschaften der Streitteile an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft begehrt und lediglich als Folge auch die Unterfertigung der zur grundbücherlichen Richtigstellung notwendigen Anträge verlangt. Die Entscheidung über dieses vom Kläger erhobene Begehren obliege aber nicht dem Gericht, sondern der Agrarbehörde. Diese entscheide gemäß § 51 Abs 2 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 (K-FLG) (ua) über Streitigkeiten, die zwischen den Mitgliedern einer Agrargemeinschaft untereinander entstehen. Gemäß § 49 Abs 1 K-FLG habe die Behörde auch festzustellen, welche Grundstücke agrargemeinschaftliche seien und wem sie gehörten, insbesondere ob das Eigentum daran mehreren gemeinschaftlich Nutzungsberechtigten als Miteigentümern oder einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft zustehe. Zu verweisen sei auch auf § 13 Abs 1 K-FLG, wonach die Agrarbehörde mit Ausschluss des Rechtsweges über Streitigkeiten zu entscheiden habe, die zwischen der Zusammenlegungsgemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Gemeinschaftsverhältnis entstünden. In diesem Sinne besage auch schon das Gesetz vom 5. Juli 1885, gültig für das Herzogtum Kärnten (Landesgesetz- und Verordnungsblatt 1885, XXII. Stück) in seinem § 22, dass die Instruktion von Parteistreitigkeiten in Teilungs- und Regulierungsangelegenheiten sowie die Vorbereitung, Feststellung und Ausführung des Teilungs- und Regulierungsplanes dem Lokal- bzw Landeskommissär zustehe; gemäß § 95 hätten die in diesem Verfahren von den dazu berufenen Behörden geschöpften rechtskräftigen Erkenntnisse und genehmigten Vergleiche die Rechtswirkung gerichtlicher Erkenntnisse bzw Vergleiche. Diese Bestimmungen besagten, dass nicht das Gericht, sondern vielmehr die Agrarbehörden bindend nicht nur über den Bestand und die inhaltlichen Regelungen einer Agrargemeinschaft zu entscheiden hätten, sondern dass dies auch auf alle Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern zutreffe. Die Intention des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes gehe dahin, alle agrargemeinschaftlichen Angelegenheiten weitestgehend aus der gerichtlichen Kompetenz herauszuhalten. Der Begriff "Streitigkeiten" sei daher im weitstens Sinn zu verstehen. Über das Rechtsschutzbegehren des Klägers habe daher nicht das Gericht, sondern die Agrarbehörde zu entscheiden, deren abweisliche Entscheidung bereits vorliege. Nach den Bescheiden der Agrarbezirksbehörde Villach sowie dem Erkenntnis des Landesagrarsenates vom 28. 1. 1991 sei der Regulierungsplan des Gemeinschaftsbesitzes M***** Alpe materiell und formell rechtskräftig. Gleichlautende Anträge des nunmehrigen Klägers seien von der Agrarbezirksbehörde mit Bescheiden vom 14. 2. 1996 und 16. 9. 1998 zurückgewiesen worden. Da das Begehren des Klägers auf "Richtigstellung der Anteilsrechte" nach den angeführten Bestimmungen des K-FLG einen Ausnahmetatbestand von der grundsätzlichen Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung in bürgerlichen Rechtssachen darstelle, sei der Gerichtsweg im vorliegenden Fall unzulässig und der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO gegeben.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Klägers, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Der Beklagte stellt in seiner Rekursbeantwortung den Antrag, die angefochtene Entscheidung der zweiten Instanz zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel des Klägers ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ungeachtet des Werts des Entscheidungsgegenstandes und unabhängig von der Frage zulässig, ob eine erhebliche Rechtsfrage zu lösen ist (Kodek in Rechberger**2 Rz 3 zu § 519 mwN; RIS-Justiz RS0043882 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen); es ist aber nicht berechtigt.

Da der erkennende Senat die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses hingegen für zutreffend erachtet, reicht es aus, auf deren Richtigkeit hinzuweisen und sie - auf die Ausführungen des Revisionsrekurses eingehend - wie folgt zu ergänzen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO):

Nach § 1 JN wird die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, soweit diese nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden verwiesen sind, durch die Gerichte ausgeübt. Ob die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind, ob also der Rechtsweg zulässig ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung (vgl SZ 50/70 uva) davon ab, ob es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt und die Entscheidung über den erhobenen Anspruch nicht durch ein Gesetz einer anderen Behörde zugewiesen wurde. Nach § 51 Abs 2 K-FLG entscheidet über Streitigkeiten, die zwischen den Mitgliedern einer Agrargemeinschaft untereinander oder mit dem gemeinsamen Verwalter oder zwischen einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und ihren Organen oder Mitgliedern aus dem Gemeinschaftsverhältnis entstehen, die Behörde. Unter Behörde sind gemäß §§ 97 ff K-FLG die (nach dem Gesetz vom 7. 2. 1950, LGBlNr 13/1950 eingerichteten) Agrarbehörden zu verstehen.

Die vom Rekurswerber vertretene Auffassung, die Zuständigkeit der Agrarbehörde sei im vorliegenden Fall gemäß § 98 Abs 4 lit b K-FLG nicht gegeben, ist unzutreffend. Nach dieser Gesetzesstelle sind von der Zuständigkeit der Agrarbehörden ausgeschlossen: "Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an Liegenschaften, mit denen ein Anteil an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken, ein Nutzungs- oder Verwaltungsrecht oder ein Anspruch auf Gegenleistung bezüglich solcher Grundstücke verbunden ist". Im vorliegenden Fall streiten die Parteien aber nicht um Eigentum oder Besitz zur Nutzung der M***** Alpe berechtigenden Grundstückes, sondern es geht darum, ob an ein weiteres, unstrittig im Eigentum des Klägers stehendes Grundstück ebenfalls Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft M***** Alpe gebunden sind. Entgegen der Meinung des Rekurswerbers handelt es sich daher um eine Streitigkeit im Sinne des § 51 Abs 2 K-FLG, die nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 98 Abs 4 lit b zu subsumieren ist. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht unter Hinweis auf die (zu der § 51 Abs 2 K-FLG ganz vergleichbaren Bestimmung des § 35 Vlbg-FlurverfassungsG ergangenen) Entscheidung 7 Ob 518/84 = EvBl 1985/100 erkannt, dass der Begriff "Streitigkeiten" nach § 51 Abs 2 K-FLG im weitesten Sinn zu verstehen ist, da die Intention des Gesetzes erkennbar dahin geht, alle agrargemeinschaftlichen Angelegenheiten weitestgehend aus der gerichtlichen Kompetenz herauszuhalten.

Das Rechtsmittel des Klägers muss daher erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über Kosten der Rekursbeantwortung gründet sich auf § 41 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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