OGH 7Ob29/86

OGH7Ob29/8610.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther K***, Invalidenrentner, Innsbruck, Pontlatzerstraße 44, vertreten durch Dr. Rudolf Wieser und Dr. Friedrich Hohenauer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei DER A*** Allgemeine Versicherungs-AG, Wien 1., Hoher Markt 10-11, vertreten durch Dr. Bernhard Prochaska und Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 859.621,75 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. März 1986, GZ. 5 R 50/86-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 1985, GZ. 13 Cg 338/85-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.964,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.200,-- Barauslagen und S 1.524,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kaufte am 3. Jänner 1983 bei der Firma R*** Aktiengesellschaft (im folgenden nur Firma R***) einen PKW Mercedes 500 SEC, für den er bei der beklagten Partei eine Vollkaskoversicherung zum Neuwert für die Zeit bis 16. Juni 1983 abschloß. Der Versicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskound Insassenunfallversicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (AKIB) zugrunde. Nach Art. 12 B Abs.1 lit.a der AKIB ersetzt der Versicherer in der Neuwertversicherung im ersten auf den Tag der Erstzulassung folgenden Jahr einen Schaden bis zur Höhe des Listenpreises des versicherten Fahrzeuges im Zeitpunkt des Schadens, höchstens jedoch den Preis, zu dem das Fahrzeug erworben wurde. Der Kläger behauptete, das Fahrzeug sei ihm am 30. April 1983 gestohlen worden, und begehrt Ersatzleistung in Höhe des Kaufpreises von S 904.865,-- abzüglich des 5 %-igen Selbstbehaltes, sohin S 859.621,75 samt Anhang.

Die beklagte Partei beruft sich unter anderem auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Aufklärungspflicht. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen betrug der Kaufpreis mit Sonderausstattung S 780.000,-- einschließlich Umsatzsteuer. Der Kläger gab einen gebrauchten Mercedes 500 SE, Baujahr 1980, in Zahlung, der mit einer Gutschrift von S 380.000,-- verrechnet wurde. Die Differenz von S 400.000,-- wurde vom Kläger bezahlt. Die Fahrzeuge der Modellreihe 500 sind mit vier Schlüsseln ausgestattet, die dem Kläger bei Übergabe des Fahrzeuges ausgefolgt wurden. Der Versicherungsantrag wurde vom Versicherungsvertreter der beklagten Partei Fritz S*** entgegengenommen, der das Fahrzeug bei der Lieferfirma besichtigte. Der Versicherungsantrag weist einen Listenpreis von S 896.000,-- aus. Wie dieser Preis ermittelt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger mietete im März 1983 in der R*** B*** in Peschiera am Gardasee eine Wohnung. Am 29. April 1983 fuhr er mit dem Mercedes nach Peschiera, wo er einige Tage verbringen wollte. Die Lebensgefährtin des KLägers Elisabeth T*** kam am 30. April 1983 mit ihrem eigenen PKW nach. Zum Tor der R*** hat jeder Mieter einen Schlüssel. Das Tor schließt sich nach Durchfahren einer Lichtschranke selbsttätig. Als der Kläger mit seiner Lebensgefährtin am Abend des 30. April 1983 gegen 22 Uhr nach einer Ausfahrt in die R*** kam, war das Tor offen. Der Mechanismus war durch Abdecken der Lichtzelle mit einem Lorbeerblatt außer Funktion gesetzt worden. Der Kläger stellte den PKW auf dem Parkplatz der R*** in Sichtweite seiner Wohnung ab und versperrte ihn. Am nächsten Morgen war das Fahrzeug nicht mehr da. Der Kläger fuhr nach Verständigung des Polizeipostens in Peschiera durch den Sohn des Hausmeisters mit diesem zur Quästur nach Verona, wo er die Diebstahlsanzeige erstattete. Im PKW befanden sich die Autopapiere und ein Fahrzeugschlüssel, der als Reserveschlüssel im Fahrzeug verwahrt wurde. Am 2. Mai 1983 erstattete der Kläger bei der Landesdirektion der beklagten Partei in Innsbruck eine Schadensmeldung. Der Schadensreferent der beklagten Partei verlangte unter anderem die Beibringung der Originalrechnung. Der Kläger ließ sich daraufhin von der Firma R*** eine Listenpreisaufstellung geben, nach der der Wert des Fahrzeuges S 905.515,-- beträgt. In der Folge verlangte der Schadensreferent der beklagten Partei die Übergabe aller dem Kläger bei Lieferung des Fahrzeuges ausgehändigten Fahrzeugschlüssel, den Typenschein und die Rechnungsdurchschrift. Am 30. Juni 1983 übergab der Kläger einem Angestellten der beklagten Partei den Typenschein, die ihm verbliebenen drei Fahrzeugschlüssel und eine Bestätigung der Firma R*** vom 28. Juni 1983, wonach der Neuwert des Fahrzeuges einschließlich Umsatzsteuer S 904.865,-- beträgt. Der Kläger erklärte, die Rechnung nicht beibringen zu können, da er diese nicht mehr besitze. Am 1. Juli 1983 teilte die beklagte Partei dem Kläger mit Einschreibebrief mit, daß bei der Firma R*** eine Rechnungsdurchschrift aufliege, diese jedoch nur mit Zustimmung des Klägers ausgefolgt werde. Die beklagte Partei gelangte bis zur Tagsatzung am 26. November 1985 nicht in den Besitz der Rechnungsdurchschrift. Diese wurde dem Gericht vom Geschäftsleiter der Firma R*** bei dessen Zeugeneinvernahme übergeben. Es konnte nicht festgestellt werden, daß die Übergabe der Rechnungsdurchschrift im Auftrag des Klägers erfolgte. Eine gegen den Kläger wegen des Verdachtes des Versicherungsbetruges eingeleitete Voruntersuchung wurde gemäß § 109 StPO eingestellt. Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe der Kläger seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, daß er der beklagten Partei anstelle einer Rechnungsdurchschrift zwei Aufstellungen über den Listenpreis bzw. den Neuwert des Fahrzeuges vorgelegt habe, die vom bezahlten Kaufpreis erheblich abgewichen seien. Der Kläger habe hiebei vorsätzlich gehandelt. Für eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht genüge das bei einem Versicherungsnehmer vorauszusetzende Bewußtsein, daß er im Falle der Inanspruchnahme von Leistungen des Versicherers an der Aufklärung des Sachverhaltes nach Kräften mitzuwirken habe. Bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung trete bedingungslose Leistungsfreiheit des Versicherers ein. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es verneinte das Vorliegen eines Verfahrensmangels, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung und billigte auch dessen Rechtsansicht.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der behauptete Verfahrensmangel wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Nach Art.6 Abs.2 Z 2 AKIB hatte der Kläger nach Eintritt des Versicherungsfalles mit der Sanktion der Leistungsfreiheit des Versicherers nach Maßgabe des § 6 Abs.3 VersVG die Obliegenheit zu erfüllen, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen. Sinn der Aufklärungspflicht ist es, den Versicherer in die Lage zu setzen, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalles zu treffen (ZVR 1984/190; VersR 1973, 1179 u. a.; Stiefel-Hofmann AKB 13 Rdz 41 zu § 7). In der Kaskoversicherung sind im Rahmen der Aufklärungspflicht auch die für die Feststellung des Entschädigungsbetrages wichtigen Angaben zu machen (Stiefel-Hofmann aaO Rdz 44). Diese Aufklärungspflicht soll den Versicherer in die Lage versetzen, die Möglichkeiten zur Überprüfung der Angaben des Versicherungsnehmers auszuschöpfen, und ihn besonders vor betrügerischen Machenschaften schützen (7 Ob 55/83). Nach Art.12 B Abs.1 lit.a AKIB ist der Entschädigungsbetrag mit dem Preis begrenzt, zu dem das Fahrzeug erworben wurde. Unrichtige Angaben über den Kaufpreis des gestohlenen Fahrzeuges stellen daher eine Verletzung der Aufklärungspflicht dar (ZVR 1985/34; VersR 1976, 849; vgl. auch Stiefel-Hofmann aaO; Pienitz-Flöter, Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung 4 , 80, § 7,19).

Nach dem Verlangen der beklagten Partei auf Vorlage der Originalrechnung oder einer Rechnungsdurchschrift mußte dem Kläger mit Rücksicht auf die vereinbarte Begrenzung der Entschädigungspflicht die Bedeutung des Kaufpreises für die Schadensliquidierung klar sein. Wenn der Kläger auf dieses Verlangen eine Bestätigung über den Listenpreis bzw. den Neuwert des Fahrzeuges ohne weitere Erklärung mit der Behauptung vorlegte, zur Beibringung der Rechnung nicht in der Lage zu sein, konnte dies die beklagte Partei nur so verstehen, daß das Fahrzeug zum Listenpreis gekauft wurde und auf dieser Basis der Schaden zu liquidieren sei. Der Kaufpreis betrug jedoch nach den Feststellungen der Vorinstanzen nur S 780.000,--, sodaß die Vorinstanzen dem Kläger zutreffend eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht angelastet haben. Der Revision ist zwar zuzugeben, daß der Rechnungsbetrag mit dem tatsächlich bezahlten Kaufpreis nicht ident sein muß. In einem solchen Fall obliegt es aber dem Versicherungsnehmer, den Versicherer darüber aufzuklären und die Umstände darzulegen, aus denen sich der tatsächliche Kaufpreis ergibt. Dies wurde vom Kläger unterlassen und auch nicht einmal behauptet, daß die Rechnung nicht den tatsächlich bezahlten Kaufpreis ausweise. Bei dem Betrag von S 896.000,-- im Versicherungsantrag handelt es sich um den dort ausgewiesenen Listenpreis. Selbst wenn aber der Kaufpreis vom Versicherungsvertreter der beklagten Partei anläßlich der Antragstellung in dieser Höhe erhoben worden sein sollte, käme diesem Umstand schon deshalb keine Bedeutung zu, weil das Wissen des Versicherungsvertreters dem Versicherer gemäß § 44 VersVG nicht zuzurechnen ist.

Insoweit sich die Revision gegen die dem Kläger von den Vorinstanzen angelastete Schuldform wendet und davon ausgeht, daß der Kaufpreis laut Rechnung jedenfalls unrichtig war, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Da sich die Aufklärungspflicht, wie bereits oben dargelegt wurde, auch auf die für die Ermittlung des Schadensbetrages wichtigen Umstände erstreckt, ist auch das Argument verfehlt, daß die Leistungspflicht der beklagten Partei betreffende Umstände nicht betroffen worden seien. Bei vorsätzlicher Verletzung einer Obliegenheit im Sinne des § 6 Abs.3 VersVG tritt nach ständiger Rechtsprechung bedingungslos die Leistungsfreiheit des Versicherers ein (VersR 1977, 535; SZ 47/116 uva.). Dem Berufungsgericht ist daher auch darin beizupflichten, daß der Grundlage der Prämienberechnung in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zukommt.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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