European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2001:0070OB00029.01T.0517.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Kosten des Zuständigkeitsstreits.
Begründung
Die in der Schweiz ansässige Klägerin begehrt von der Erstbeklagten, die ihren Sitz in Österreich hat, und der Zweitbeklagten, die ihren Sitz in Schweden hat, zur ungeteilten Hand die Bezahlung von sfr 230.000 samt Anhang. Zur Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Krems an der Donau stützte sich die Klägerin ‑ soweit dies noch für das Rekursverfahren von Bedeutung ist ‑ auf Art 6 Z 1 LGVÜ. Die Beklagten seien zunächst Teil des Konzerns der Rechtsvorgängerin der Klägerin gewesen. Im Mai 1996 seien die Beklagten "verkauft" worden und seien aus dem Konzern ausgeschieden. Die Klägerin habe sich verpflichtet, den Beklagten technisches Personal bis 1997 zur Verfügung zu stellen, so auch der Erstbeklagten den schon früher im Auftrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin bei ihr zur Überwachung und Überprüfung der Pollenproduktion tätigen Antonio R*****. Die Erstbeklagte habe sich verpflichtet, die Aufwendungen für das Personal plus 100 % "Overheadkosten" zu übernehmen. Die Zweitbeklagte, sie sei Alleingesellschafterin der Erstbeklagten gewesen, habe sich persönlich verpflichtet, die Auslagen für Antonio R***** zu begleichen. Weiters hätten sich die Erst‑ und Zweitbeklagte gemeinschaftlich verpflichtet, dass die Siebung und Verarbeitung von Rohrzucker bis Mai 1999 durch die Erstbeklagte durchgeführt werde. Die Klägerin habe 20 Tonnen nicht bearbeiteten Rohrzucker an die Erstbeklagte geliefert, diese habe jedoch weder den Zucker retourniert, noch die Veredelung durchgeführt. Die Klägerin habe für die nicht erfolgte Veredelung Zahlung geleistet. Zusätzlich seien noch weitere Schäden durch die Verweigerung der Zuckerbearbeitung entstanden. Die Zweitbeklagte habe zugesagt, für von der Erstbeklagten zu vertretende Schäden einzustehen.
Die Zweitbeklagte wandte die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes und den Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit mit der Begründung ein, dass die von der Klägerin behaupteten Verträge weder mit der Erstbeklagten noch der Zweitbeklagten abgeschlossen worden seien.
Das Erstgericht nahm ‑ soweit dies noch für das Rekursverfahren von Bedeutung ist ‑ als bescheinigt an, dass in einem vertraulichen Schreiben vom 8. 5. 1996 (Beilage ./M) der zu diesem Zeitpunkt zeichungsberechtigte Vorstandsvorsitzende der zweitbeklagten Partei mitgeteilt habe: "Was die Bedingungen betrifft, die A.B. C***** & C***** akzeptiert haben und die einen integrierenden Bestandteil des Verkaufes des Aktienpaketes darstellen, so sind dies folgende: ... C***** verpflichtet sich, für C***** während eines Zeitraums von drei Jahren die Verkapselung des Bakteriums SF 68 herzustellen und den Zuckervorrat seitens G***** zu produzieren. ...". In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass zwischen den Ansprüchen der Klägerin gegen die Erst‑ und Zweitbeklagte ein Zusammenhang bestehe, der eine gemeinsame Entscheidung über diese Klage geboten erscheinen lasse, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Zweitbeklagten Folge und hob den angefochtenen Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Ansicht, dass Art 6 Z 1 LGVÜ/EuGVÜ den Begriff der Konnexität als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraussetze. Die Art des Zusammenhangs sei vertragsautonom zu bestimmen. Zur Umschreibung des Zusammenhangs greife der EuGH auf die im Art 22 Abs. 3 LGVÜ/EuGVÜ enthaltene Definition zurück, wonach der erforderliche Zusammenhang dann gegeben sei, wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheine, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. Die Darlegungs‑ und Beweislast für die Voraussetzungen der Konnexität trage der Kläger. Es reiche die Gleichartigkeit des tatsächlichen oder rechtlichen Grundes aus. Eine Beurteilung der Rechtssache sei aber deshalb noch nicht möglich, weil sich das Erstgericht mit den Ansprüchen aus Zurverfügungstellung von Personal gar nicht auseinandergesetzt habe. Die Voraussetzungen der Konnexität seien nicht nur zu behaupten, sondern (im Bestreitungsfall) auch zu bescheinigen. Zu den weiteren Ansprüchen der Klägerin aus der Verletzung der Verpflichtung zur Siebung und Verarbeitung von Rohrzucker wies das Rekursgericht darauf hin, dass das Erstgericht lediglich die Mitteilung des zeichnungsberechtigten Vorstandsvorsitzenden als bescheinigt angenommen habe, aber kein Bescheinigungsverfahren dazu durchgeführt habe, ob diese Mitteilung auch zutreffend gewesen sei bzw welche Verpflichtung die Zweitbeklagte tatsächlich eingegangen sei. Erst nach Ergänzung des Bescheinigungsverfahrens werde die Beurteilung der Konnexität möglich sein.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof im Sinne des § 527 Abs 2 ZPO zulässig sei, weil der Frage des Ausmaßes der Beweislast für die Konnexität als Voraussetzung für den Gerichtsstand des Art 6 Z 1 LGVÜ/EuGVÜ erhebliche Bedeutung zukomme.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Beschluss wieder herzustellen.
Die Zweitbeklagte beantragte, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist zulässig, weil gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu Art. 6 Z 1 LGVÜ/EuGVÜ fehlt, er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Unstrittig zwischen den Parteien ist, dass das gegenständliche Prozessverhältnis nach dem LGVÜ zu beurteilen ist. Österreich und Schweden sind Mitgliedstaaten sowohl des EuGVÜ als auch des LGVÜ, die Schweiz jedoch nur des LGVÜ (vgl Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht6, Einl, Rn 47, Burgstaller, Internationales Zivilverfahrensrecht, Lugano‑Übereinkommen, Rz 2.7). Eine Auslegungszuständigkeit durch einen völkerrechtlich installierten Gerichtshof für das LGVÜ besteht nicht. Jedoch müssen die Vertragsstaaten des LGVÜ die bis zum 18. September 1988 ergangenen Entscheidungen des EuGH zum EuGVÜ als authentische Interpretation der inhaltlich übereinstimmenden Parallelnormen des LGVÜ akzeptieren (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Einl, Rn 89, Kropholler aaO, Rn 59 f). Nach 1988 ergangene Urteile sind zwar nicht formal bindend, doch sind die Vertragsstaaten angehalten, dieser Rechtsprechung im Sinne einer einheitlichen Auslegung zu folgen (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, vor Art 1 Rz 21, Burgstaller, aaO, Lugano‑Übereinkommen, Rz 2.11).
Gemäß Art 6 Z 1 LGVÜ/EuGVÜ kann, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, auch vor dem Gericht, in dessen Bezirk einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, verklagt werden. Es ist dabei allgemein anerkannt, dass aber zwischen den Klagsansprüchen gegen mehrere Beklagte ein gewisser Zusammenhang, eine Konnexität bestehen muss. Der zur Zuständigkeitsbegründung notwendige Charakter des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Klagen wird autonom bestimmt (EuGHSlg 1988, 5565, 5584 ‑ Kafelis/Schröder). Nach dem EuGH ist Art 22 Abs 3 LGVÜ/EuGVÜ zur Lösung der Frage nach dem Zusammenhang heranzuziehen. Demnach liegt ein Zusammenhang dann vor, wenn eine gemeinsame Verhandlung oder Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten (Czernich/Tiefenthaler aaO, Art 6, Rz 4 ff, Burgstaller aaO, Rz 2.90, Neumayr, LGVÜ/EuGVÜ, S 38, Geimer/Schütze, Art 6, Rn 17 f, Kropholler aaO, Art 6 Rn 7). Der EuGH bezeichnet es als Sache des nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist (Kropholler aaO mwN). Dieser Zusammenhang wird zu bejahen sein, wenn die Klagen im Wesentlichen tatsächlich oder rechtlich gleichartig sind (Geimer/Schütze aaO Rn 20). Allgemein bejaht wird dieser Zusammenhang bei Gesamtschuldnerschaft und Bürgschaft (Geimer/Schütze aaO, Kropholler aaO). Der erforderliche Sachzusammenhang wird in der Regel immer dann vorliegen, wenn die Entscheidung über den einen Anspruch von dem anderen abhängt oder wenn beide Ansprüche von der Lösung einer gemeinsamen Vorfrage abhängen (Schak, Internationales Zivilverfahrensrecht2, Rz 359, Czernich/Tiefenthaler aaO Rz 4). Ob diese Abhängigkeit besteht, ist nach der lex causae zu bestimmen (Czernich/Tiefenthaler aaO).
Die Entscheidung in dieser Rechtssache hängt aber nicht von der Frage der Beweislast ab. Die Beweislast für die Voraussetzungen der Konnexität trägt der Kläger, der den Gerichtsstand für sich in Anspruch nehmen will (Geimer/Schütze aaO Rz 22). Die Frage der Beweislast stellt sich aber erst dann, wenn das Bescheinigungsverfahren die vom Kläger behaupteten Tatsachen nicht erbringt (non liquet; [Rechberger2 zu vor § 266, Rz 8; Fasching III, S 233]). Im vorliegenden Fall wurde aber in Verkennung dieser Grundsätze vom Erstgericht das angebotene Bescheinigungsverfahren noch gar nicht durchgeführt, sodass sich die Frage, ob die Klägerin die sie treffende Beweislast erfüllt hat, noch nicht stellen kann. Zutreffend hat aber das Rekursgericht erkannt, dass das Bescheinigungsverfahren im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin noch ergänzungsbedürftig ist.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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