Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.655,80 (darin enthalten S 3.609,30 USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er schloß mit der beklagten Partei eine Berufshaftpflichtversicherung für Vermögensschäden bis S 300.000,-- und mit 10 %igem Selbstbehalt, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV 1951) zugrundelagen. Versicherungsbeginn war der 6.4.1979. Die Vertragsdauer betrug 10 Jahre.
Der Kläger war der anwaltliche Vertreter der Firma R*****-GesmbH, die Wohnbauprojekte plante und errichtete. Hiefür wurden ihr von der Sparkasse in W***** Kredite in Millionenhöhe gewährt. Der Kläger verfaßte unter anderem Kaufverträge und nahm als Treuhänder Geldbeträge der Vertragspartner der Firma R***** entgegen. Am 24.11.1982 kaufte Dr.Walter S***** mehrere Grundstücke von der Firma R***** und beauftragte sie mit der Errichtung eines Einfamilienhauses. Am 5.7.1983 teilte der Kläger der Sparkasse in W***** mit, daß er in den nächsten Monaten als Treuhänder der Firma R***** den Eingang eines Teilkaufpreises von S 342.000,-- aus einem von Dr.S***** abgeschlossenen Bausparvertrag erwarte. Der Kläger verpflichtete sich gegenüber der Sparkasse in W***** unwiderruflich, diesen Geldbetrag auf das Konto der Firma R***** bei der Sparkasse in W***** zu überweisen. Damit sollte die Überziehung dieses Kreditkontos zumindest teilweise abgedeckt werden. Der Betrag von S 342.000,-- langte Ende August 1983 auf dem Treuhandkonto des Klägers ein. Der Kläger überwies diesen Betrag nicht auf das Konto der Firma R*****, sondern an deren Geschäftsführer Josef B*****. Er teilte dies der Sparkasse in W*****, die den Eingang des Betrages mehrfach urgierte, nicht mit, weil er seine Verpflichtungserklärung vom 5.7.1983 nicht mehr in seinem Handakt hatte und nicht daran dachte. Der Kläger vertröstete die Sparkasse in W***** zunächst auf die Endabrechnung des Bauvorhabens. Die Sparkasse in W***** erfuhr erst Ende 1985, daß keine Geldeingänge auf das Konto der Firma R***** zu erwarten waren. Sie klagte ihre Forderungen gegen die Firma R***** und deren Geschäftsführer nicht ein, weil sie über deren hohe Verschuldung Bescheid wußte. Gemeinsame Versuche der Sparkasse in W***** und des Klägers, mit der beklagten Partei als Haftpflichtversicherer des Klägers eine außergerichtliche Lösung zu erzielen, mißlangen. Mit der am 23.1.1987 zu 5 Cg 31/87 (= zuletzt 8 Cg 230/92) des Landesgerichtes Linz eingebrachten Klage begehrte die Sparkasse in W***** vom Kläger unter anderem den Betrag von S 342.000,-- samt kapitalisierten Zinsen mit der Behauptung, ihr sei durch die Nichteinhaltung der Treuhandverpflichtung des Klägers ein Schaden in eben dieser Höhe entstanden, weil der Betrag auf dem Konto der Firma R***** unberichtigt aushafte und die Forderung gegenüber der Firma R***** uneinbringlich sei. Dem Klagebegehren wurde insoweit im wesentlichen (mit Ausnahme der für länger als drei Jahre vor Klagseinbringung zurückliegenden Zinsen) stattgegeben. Das Oberlandesgericht Linz erachtete den Verjährungseinwand des Klägers (dort: Beklagten) schon deshalb als nicht gerechtfertigt, weil der Garantieanspruch der Sparkasse in W***** aus der Verpflichtungserklärung des Klägers vom 5.7.1983 nicht Schadenersatzfunktion habe; es handle sich vielmehr um einen Erfüllungsanspruch der Sparkasse in W*****, der der 30jährigen Verjährungsfrist unterliege.
Mit seiner am 5.8.1993 eingebrachten Klage begehrte der Kläger den Betrag von S 604.011,52 sA, den er wie folgt aufschlüsselte:
Entschädigungsbetrag bis zur Versicherungssumme abzüglich Selbstbehalt S 270.000,--; 10 % Zinsen vom 26.11.1987 bis 28.2.1993 aus S 270.000,-- S 166.575,--; anteilige kapitalisierte Zinsen S 80.992,40; anteilige Prozeßkosten des Haftpflichtprozesses S 86.444,12.
Die beklagte Partei wendete ein, daß der Anspruch verjährt sei.
Außerdem lägen mehrere Ausschlußgründe vor: Der Kläger sei wissentlich von der Treuhandverpflichtung abgegangen (Art.4 I Z 3 AVBV); die Verletzung der Verpflichtung sei bei der kaufmännischen Durchführung von wirtschaftlichen Geschäften erfolgt (Art.4 I Z 4 AVBV); der Schaden sei durch einen Verstoß beim Zahlungsakt entstanden (Art.4 I Z 6 AVBV). Überdies liege überhaupt kein zu deckender Schadenersatzanspruch vor. Die Sparkasse in W***** habe vielmehr, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes Linz im Haftpflichtprozeß ergebe, einen Erfüllungsanspruch geltend gemacht. Das Begehren werde auch der Höhe nach bestritten. Die Aufschlüsselung des Klagebegehrens sei nicht nachvollziehbar.
Der Kläger hielt dem Verjährungseinwand entgegen, daß der gegen ihn geführte Haftpflichtprozeß der Sparkasse in W***** erst 1993 durch einen außergerichtlichen Vergleich beendet worden sei. Es sei vereinbart worden, vorerst den Ausgang des Haftpflichtprozesses abzuwarten. Die geltend gemachten Ausschlußgründe lägen nicht vor. Die Anweisung des Treuhandbetrages an den Geschäftsführer anstatt an die GesmbH sei aufgrund eines Versehens erfolgt, das darauf zurückzuführen sei, daß der Kläger die Verpflichtungserklärung nicht mehr in seinem Handakt gehabt und deshalb nicht mehr an sie gedacht habe. Die beklagte Partei habe für den daraus resultierenden Schaden einzustehen. Ein Garantievertrag sei nicht vorgelegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Sparkasse in W***** gegen den Kläger keinen Schadenersatzanspruch, sondern einen Erfüllungsanspruch geltend gemacht und zuerkannt erhalten habe, sei der Versicherungsfall, der die Haftung des Versicherungsnehmers gemäß den Schadenersatzbestimmungen des ABGB voraussetze, gar nicht eingetreten. Außerdem lägen die Ausschlüsse des Art.4 I Z 4 und 6 AVBV vor. Es erübrige sich daher, auf die behauptete Verjährungshemmung einzugehen. Der Klagsteilbetrag von S 86.444,12 sei nicht nachvollziehbar.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Inanspruchnahme des Klägers durch die Sparkasse in W***** sei entgegen der in Haftpflichtprozeß vertretenen Ansicht des Oberlandesgerichtes Linz aus dem Titel des Schadenersatzes, wenn auch aus der Verletzung einer Vertragspflicht erfolgt. Der Beklagte habe den Geldbetrag im Rahmen einer mehrseitigen Treuhand, die jedenfalls der anwaltlichen Tätigkeit zuzuordnen gewesen sei, entgegengenommen, sodaß der gegenständliche Ersatzanspruch der Sparkasse in W***** von der Berufshaftpflichtversicherung des Klägers grundsätzlich umfaßt sei. Es liege jedoch der Haftungsausschließungsgrund des Art.4 I Z 6 AVBV vor, weil der Verstoß beim Zahlungsakt, der auch die Ausfolgung des Geldes oder Geldwertes und diesbezügliche Fehlbuchungen umfasse, erfolgt sei. Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes weder zur Frage des Vorliegens eines Versicherungsfalles bei einem Verstoß gegen eine im Rahmen eines Treuhandverhältnisses getroffene Zahlungsvereinbarung noch zur Problematik des Haftungsausschlusses nach Art.4 I Z 6 AVBV vorhanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Das Gericht zweiter Instanz beurteilte die Rechtsposition des Klägers gegenüber der Sparkasse in W***** einerseits und der Firma R***** und deren Kunden andererseits zutreffend als mehrseitige Treuhand. Eine solche liegt dann vor, wenn der Treuhänder in mehreren Richtungen Interessen zu wahren hat. Ihre Übernahme ist nach ständiger Rechtsprechung möglich und zulässig (ecolex 1991, 682; RdW 1990, 375; SZ 81/58 ua). Der Kläger wurde seitens der Sparkasse in W***** aber nicht dahin in Anspruch genommen, den von Dr.S***** erhaltenen Teilkaufpreis bzw. den entsprechenden Geldbetrag auf das konkret bezeichnete Konto der Firma R***** einzuzahlen, wie es seiner Verpflichtung aus der Treuhandvereinbarung entsprochen hätte. Die Sparkasse in Wels machte vielmehr ihren aus der Nichterfüllung resultierenden Anspruch auf Ersatz des positiven Vertragsinteresses (Erfüllungsinteresses) geltend. Nichts anderes wurde ihr nach dem Spruch und den ihren Behauptungen im Haftpflichtprozeß entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen zuerkannt.
Art.1 I Abs.1 der AVBV 1951 lautet: "Gegenstand der Versicherung: Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, daß er wegen eines bei der Ausübung der in der Polizze angegebenen beruflichen Tätigkeit von ihm selbst oder einer Person, für die er nach dem Gesetz einzutreten hat, begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird". Nach herrschender, auch vom Obersten Gerichtshof bereits zum Ausdruck gebrachter Ansicht ist demnach zwar die reine Vertragserfüllung - wozu außer der versprochenen Vertragsleistung auch Erfüllungssurrogate gehören - nicht geschützt. Ansprüche auf Vertragserfüllung aus dem Deckungsfonds scheiden aus, weil das Bewirken der vertraglichen Leistung nicht als Schadenersatz anzusprechen ist (7 Ob 145/66). Unter den Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung fallen aber nicht nur Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, sondern auch aus positiver Vertragsverletzung (VersR 1988, 1060; Prölss-Martin, VersVG25, 1089, 1093). Daran, daß die Sparkasse in W***** einen Nichterfüllungsschaden begehrt und zugesprochen erhalten hat, vermag die rechtliche Konstruktion des Oberlandesgerichtes Linz im Haftpflichtprozeß, nämlich daß der Kläger der Sparkasse in Wels aufgrund einer Garantieerklärung hafte, weshalb der Einwand der Verjährung zu verneinen sei, nichts zu ändern.
Das Gericht zweiter Instanz hat im vorliegenden Deckungsstreit aber (ebenfalls) zu Recht den versicherungsrechtlichen Einwand der beklagten Partei, daß der Ausschlußtatbestand des Art.4 I Z 6 AVBV vorliege, als zutreffend angesehen. Nach dieser Bestimmung bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden, welche durch Fehlbeträge bei der Kassenführung, durch Verstöße beim Zahlungsakt, durch Veruntreuung des Personals des Versicherten oder anderer Personen, denen er sich bedient, entstehen.
Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofes hat sich mit diesem Risikoausschluß bereits in mehreren Entscheidungen befaßt und ihn negativ abgregrenzt. Demnach erfüllt eine vom Auftraggeber (Bauherrn) gebilligte Zurückhaltung der Zahlung (durch den versicherten Architekten) nicht den Begriff des Verstoßes beim Zahlungsakt (7 Ob 51/73 in VersR 1974, 405). Dieser Tatbestand ist auch dann nicht erfüllt, wenn die Auszahlung der Darlehensvaluta an den Darlehensnehmer (bzw. dessen Vertreter) durch den Rechtsanwalt als Treuhänder ohne die mit dem Darlehensgeber vereinbarte grundbücherliche Sicherstellung in einem bestimmten Rang erfolgte. Ein solcher Verstoß wäre aber etwa dann anzunehmen, wenn der Schaden durch die Auszahlung der Darlehensvaluta an eine nicht zur Empfangnahme berechtigte Person eingetreten wäre (7 Ob 29/77).
Gemessen am Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, auf das bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen abzustellen ist (vgl. RdW 1989, 329 ua), ist die Überweisung eines Geldbetrages an eine andere als an die berechtigte Person oder auf ein anderes als auf das vereinbarte Konto gerade dann, wenn sie nicht aufgrund juristischer Erwägungen, sondern aufgrund einer Nachlässigkeit welcher Art auch immer erfolgt, geradezu als klassischer Fall eines Verstoßes beim Zahlungsakt anzusehen. Dies ergibt sich auch aus dem einem objektiven Betrachter erkennbaren Zweck der Bestimmung (vgl. VersE 1472; VR 1990/182 ua): Die Haftpflichtversicherung soll nur die anwaltliche Tätigkeit des Versicherten und die dazugehörende Hilfstätigkeit seiner Angestellten, nicht jedoch die mit der Geldmanipulation zusammenhängende Tätigkeit umfassen (vgl. Fenzl in ÖJZ 1953, 394). Der Kläger betont in seiner Revision abermals, daß die Ausfolgung des treuhändig erlegten Geldbetrages irrtümlich (weil er auf die Vereinbarung mit der Sparkasse in W***** und darauf, an wen zu zahlen sei, vergessen habe) an den Geschäftsführer anstatt auf das Konto der GesmbH erfolgt sei. Damit räumt er selbst abermals ein, daß der zum Schaden führende Fehler nichts mit einer mangelhaften juristischen Tätigkeit oder unrichtigen juristischen Überlegung zu tun hat.
Da das Vorliegen des Haftungsausschlusses des Art.4 I Z 6 AVBV zu bejahen ist, erübrigt sich die Prüfung, ob auch der Ausschlußtatbestand des Art.4 I Z 4 AVBV (bloß kaufmännische Durchführung von wirtschaftlichen Geschäften) gegeben und ob der Klagsanspruch verjährt ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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