Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, der die ARB 1988 zugrundeliegen. Laut Punkt 17.2.2.2 dieser Bedingungen besteht im Verwaltungsstrafverfahren Versicherungsschutz nur dann, wenn mit Bescheid eine Freiheitsstrafe (nicht Ersatzfreiheitsstrafe) oder eine oder mehrere Geldstrafen von zusammen mehr als 0,5 % der Versicherungssumme festgesetzt werden. Letzterer Betrag belief sich beim Kläger im relevanten Zeitpunkt auf S 1.725,--. Der Kläger wurde von der Bundespolizeidirektion Wien aufgefordert, bekanntzugeben, wer am 5.10.1993 den auf ihn zugelassenen PKW mit dem Kennzeichen W 845.144 um 18 Uhr am Reumannplatz 3, um 18,02 Uhr in der Laxenburgerstraße auf Höhe des Hauses 32, um 18,03 in der Laaerbergstraße auf Höhe der Häuser 58 bis 70, um 18,04 auf der Laaerbergstraße auf Höhe des Hauses 72 und um 18,05 Uhr wiederum auf letzterer Straße auf Höhe der Häuser 230 bis 240 jeweils mit überhöhter Geschwindigkeit gelenkt hat; in der Folge wurde der Kläger mit sechs Strafverfügungen der Bundespolizeidirektion Wien vom 10.1.1994, und zwar fünfmal zu je S 1.000,-- und einmal zu S 1.700,-- wegen dazu falsch erteilter Lenkerauskunft verurteilt. Unbestritten blieb, daß über Einschreiten des Klagevertreters der Unabhängige Verwaltungssenat für Wien alle diese Bescheide behoben hat. Dafür stellte der Klagevertreter das der Höhe nach nicht strittige Honorar von S 53.809,92 in Rechnung.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 53.809,92 sA und warf ihr vor, die Deckung aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zu Unrecht zu verweigern. Er sei Autohändler und habe seinen PKW einem slowakischen Kaufinteressenten für eine Fahrt vom Reumannplatz bis über die Laaerbergstraße überlassen, der PKW sei offensichtlich von einem Polizisten in Zivil verfolgt worden. Dieser Polizist hätte erkennen müssen, daß auf dieser Fahrt kein Lenkerwechsel stattfand. Es liege daher ein einheitliches Delikt vor, das nur zur Erlassung eines Strafbescheides hätte führen dürfen.
Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß nach Art 17.2.2.2 Versicherungsschutz nur bei Bestrafung mit einem S 1.725,-- übersteigenden Betrag pro Bescheid zu gewähren sei. Tatsächlich seien aber gegen den Kläger mehrere Strafverfahren eingeleitet worden, die einzelnen über ihn verhängten Geldstrafen überstiegen nicht den zuletzt genannten Betrag.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die inkriminierte Geschwindigkeitsüberschreitung habe nur von einer Person begangen werden können; es liege daher ein einheitliches Delikt vor, das mit einem einzigen Bescheid zu bestrafen gewesen wäre. Die Erlassung von sechs Strafverfügungen stelle geradezu eine Schikane gegenüber dem Kläger dar. Bei Addition der einzelnen Strafen werde der Betrag von 0,5 % der Versicherungssumme überschritten. Undeutliche Formulierungen in den Versicherungsbedingungen gingen stets zu Lasten des Versicherers.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung. Es erklärte die Erhebung der Revision für zulässig. Versicherungsbedingungen seien so auszulegen, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen müsse, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers zu gehen hätten. In allen Fällen müsse der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck der Bestimmung berücksichtigt werden. Schon nach der Wortinterpretation ergebe sich, daß die Bestimmung des Art.17.2.2.2. nur die Form, mit welcher die Behörde ihr Handeln ausdrücke, umschreiben wolle. Auf die Modalitäten der Straffestsetzung komme es nicht an, sodaß im Zweifel eine Zusammenrechnung der Strafen stattfinden müsse. Dies sei Ausdruck des im Verwaltungsstrafverfahren vorrangig geltenden Kumulationsprinzipes, nach welchem dann, wenn jemand mehrere Verwaltungsübertretungen begangen habe, die dafür vorgesehenen Strafen nebeneinander zu verhängen seien. Auch entspreche es der erkennbaren Absicht der vorliegenden Bestimmung, nur solche Sachverhalte, die von eher minderer Bedeutung seien und die den Versicherungsnehmer nicht sonderlich belasten, vom Versicherungsschutz auszunehmen. Letztlich sei die Bestimmung auch unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Danach stelle aber der Vorwurf, eine unrichtige Auskunft darüber erteilt zu haben, wer ein Fahrzeug am 5.10.1993 zwischen 18 Uhr und 18,05 Uhr gelenkt habe, einen einzigen Anlaßfall dar, dem ein fortgesetztes Delikt zugrundeliege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhanges erfordert (Harbauer, Rechtsschutzversicherung5, Rz 3 zu § 4). Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen (Harbauer aaO).
Mit dem Selbstbehalt nach Art.17.2.2.2. der ARB 1988 soll der Versicherer vor der Behandlung von Bagatellfällen geschützt werden, es soll verhindert werden, daß der Versicherungsnehmer wegen geringfügiger Rechtsnachteile die Höchstgerichte bemüht (vgl. Fenyves VR 1983, 391; Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 446). Auch die Revisionswerberin widerspricht nicht der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß das der Bestrafung des Klägers zugrundeliegende Verhalten als ein fortgesetztes Verwaltungsdelikt zu beurteilen ist (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahren6, 342), das in einem Verwaltungsstrafverfahren, möglicherweise unter Ausspruch mehrerer Strafen, aber mit einem einzigen Bescheid zu erledigen gewesen wäre. Beim Ausdruck "Bescheid" in der zitierten Bestimmung kann es aber nicht auf eine offensichtlich verfehlte Entscheidungsform durch die Verwaltungsbehörde erster Instanz ankommen. Im übrigen wird auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes verwiesen (§ 510 Abs.3 ZPO).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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