OGH 7Ob263/75

OGH7Ob263/7530.1.1976

SZ 49/10

Normen

ABGB §964
ABGB §970
ABGB §964
ABGB §970

 

Spruch:

§ 970 ABGB schließt die Haftung des Gastwirtes für solche Personen aus, die durch Einbruch in das Haus gelangen oder sich den Eintritt mit Gewalt erzwingen; wird der Schaden aber von einem Dieb verursacht, der ohne Schwierigkeiten in das Haus gelangt ist und erst dort eine Türe oder ein Behältnis aufbricht oder mit einem Nachschlüssel öffnet, dann hat der Gastwirt dafür einzustehen

Der Gastwirt, der die von einem Gast eingebrachten Sachen in einem Safe verwahrt, haftet bei nicht ordnungsgemäßer Verwahrung des Safeschlüssels gemäß § 964 ABGB für Diebstähle aus diesem Safe

OGH 30. Jänner 1976, 7 Ob 263/75 (LG Feldkirch R 307/75; BG Bludenz C 374/73 ).

Text

Der Beklagte betreibt in Z die Pension V. Im März 1972 stieg der Kläger in dieser Pension als Urlaubsgast ab. Er fragte die in der Pension anwesende Hotelsekretärin Herta K, ob Wertsachen zur Aufbewahrung übergeben werden könnten, worauf diese antwortete, hiefür sei ein Safe vorhanden. Hierauf übergab ihr der Kläger seine Aktentasche, in der sich Bargeld und Dokumente befanden, zur Aufbewahrung. Hiebei erwähnte er jedoch nicht, daß sich in der Tasche Bargeldbeträge befinden. Die Hotelsekretärin bot die Anführung des Inhaltes der Aktentasche in einen Depotschein an, jedoch bezeichnete dies der Kläger als überflüssig, wobei er hinzufügte, er habe Bücher, seine Papiere und ein Scheckheft in der Tasche. Von Bargeld machte er keine Erwähnung. Die Aktentasche wurde hierauf von der Sekretärin in den im Büroraum befindlichen Tresor der Pension gegeben. Einige Tage später ließ sich der Kläger die Tasche mit der Bemerkung herausgeben, er wolle etwas umwechseln. Die Sekretärin nahm an, er benötige das in der Tasche befindliche Scheckheft zum Geldwechseln. Kurz danach übergab der Kläger die Tasche der Sekretärin mit dem Ersuchen, sie wieder im Tresor zu verwahren, was auch geschah.

In der Nacht zum 20. März 1972 gelangten eine oder mehrere Personen durch die unversperrte Haupteingangstüre in die Empfangshalle der Pension und öffneten die versperrte Büroraumtüre mittels Dietrichs. Der Tresorschlüssel zum Außenfach war in einem versperrten Wandschrank im Büroraum unter einer Mappe versteckt. Dieser Wandschrank konnte ohne weiteres durch den im Schloß steckenden Schlüssel geöffnet werden. Mit dem im Schrank gefundenen Tresorschlüssel wurde die Safetüre aufgesperrt und unter anderem auch die im Tresor verwahrte Aktentasche des Klägers im Wert von 60 DM gestohlen. In dieser Aktentasche befanden sich 6.000 S und 250 DM in bar, sowie Dokumente, deren Wiederbeschaffung 101 DM kostete.

Der Kläger begehrt den Zuspruch von 8959.20 S samt Nebengebühren.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er wendete ein, der Diebstahl sei durch Einbruch erfolgt, weshalb er für den Ersatz der gestohlenen Gegenstände nicht hafte. Ihm sei nicht bekannt gewesen, daß sich in der Tasche Bargeld befunden habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die Haftung eines Gastwirtes im Sinne des § 970 ABGB sei dann nicht gegeben, wenn die eingebrachten Gegenstände durch einen Einbruch abhanden gekommen seien.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es dem Kläger in der Hauptsache 8.877 S unter gleichzeitiger Abweisung des Mehrbegehrens von 82.20 S zusprach. Hiebei ging es von folgenden Erwägungen aus: Es sei zwar richtig, daß im allgemeinen eine Haftung nach § 970 ABGB nur bei Einschleich-, nicht aber bei Einbruchsdiebstählen gegeben sei, doch müsse berücksichtigt werden, daß im vorliegenden Fall der Einbruchsdiebstahl kaum auf größere Schwierigkeiten gestoßen sein könne. Der Dieb sei unschwer und ohne einen Einbruch verüben zu müssen in das Haus gelangt und habe lediglich ein einfaches Schloß mittels eines Sperrhakens zu öffnen gehabt. Aus diesem Gründe sei an sich schon eine Haftung nach § 970 ABGB gegeben. Selbst wenn man aber eine solche Haftung verneinen wollte, hätte der Beklagte für den entstandenen Schaden nach § 964 ABGB zu haften, weil bezüglich der Tasche mit ihm ein besonderer Verwahrungsvertrag abgeschlossen worden sei. Die Abweisung eines geringen Teilbetrages sei auf den richtigen Umrechnungskurs für die D-Mark zurückzuführen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ausführungen der Revision zur Natur des erfolgten Diebstahles als Einbruchsdiebstahl gehen daran vorbei, daß auch das Berufungsgericht diese strafrechtliche Qualifikation vorgenommen hat. Daß der Diebstahl, der zur Zeit seiner Begehung geltenden Bestimmung des § 174 1 lit. d StG zu subsumieren war, ist selbstverständlich. Damit ist aber für den Beklagten nichts gewonnen. Gemäß § 970 ABGB haften die Gastwirte, die Fremde beherbergen, als Verwahrer für die von den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sachen, sofern sie nicht beweisen, daß der Schaden weder durch sie oder einen ihrer Leute verschuldet, noch durch fremde, im Hause aus- und eingehende Personen verursacht wurde. Als eingebracht gelten Sachen, die dem Wirt oder einem seiner Leute übergebenen oder an einen von diesen angewiesenen oder hiezu bestimmten Ort gebracht sind. Daraus kann keinesfalls abgeleitet werden, daß eine Haftung des Wirtes nach § 970 ABGB durch jede Qualifikation eines erfolgten Diebstahls als Einbruchsdiebstahls ausgeschlossen wird. Das Gesetz spricht nämlich nicht von in einem bestimmten Raum ein- oder ausgehenden Personen, sondern von Personen, die im Haus aus- und eingehen. Maßgebend kann daher nur sein, wie der Dieb in das Haus gelangt ist. Dies entspricht dem Sinn der Haftung als solcher für die Gefahr des offenen Hauses. Dem Gastwirt muß nämlich zugemutet werden, die spezifischen Gefahren seines Betriebes zu tragen und für die Gefahr des offenen Hauses einzustehen. Das Gesetz, das von im Hause ein- und ausgehenden Personen spricht, stellt auf dritte Personen ab, die in das Haus gelangen (Ehrenzweig[2] II/1, 389). Unter im Haus aus- und eingehenden Personen sind alle Personen zu verstehen, die auch dem Beschädigten fremd sind und dem Betrieb dienende Räumlichkeiten betreten und verlassen, ohne hiezu ein Hindernis körperlich, z.B. durch Einbruch, Gewaltanwendung, überwinden zu müssen (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 667). Der Wirt haftet für die dem Gasthof eigene Gefahr des offenen Hauses bis zur Grenze der höheren Gewalt. Er muß daher beweisen, daß der Schaden vom Beschädigten selbst oder in dessen Sphäre oder durch vis maior verursacht worden ist (Gschnitzer, Schadenersatzrecht, Bes. Teil 12). Ausgeschlossen ist lediglich die Haftung für jene Personen, die durch Einbruch in das Haus gelangen oder sich den Eintritt durch Gewalt erzwingen (1 Ob 161/75; JBl. 1963, 152; SZ 21/94). Daß eine einmal in das Haus gelangte Person ein einzelnes Zimmer oder ein im Haus befindliches Behältnis in Diebstahlsabsicht erbricht, gehört zu den typischen Diebstahlsgefahren eines Beherbergungsbetriebes. Der Wirt haftet gemäß § 970 ABGB sohin auch für Schäden, die Diebe verursachen, welche ohne Schwierigkeiten ins Haus gelangt sind, dort aber eine Tür mittels Nachschlüssels geöffnet haben. Zutreffend hat sohin das Berufungsgericht die Haftung des Beklagten nach § 970 ABGB bejaht.

In Falle der bloßen Haftung nach § 970 ABGB würde jedoch bezüglich des gestohlenen Geldbetrages die Haftungsbeschränkung des § 970a ABGB eintreten. Ungeachtet dieser Beschränkung kann der Gast vollen Ersatz dann beanspruchen, wenn der Haftpflichtige selbst oder durch eine Person, die nach den Umständen als bevollmächtigt erscheint, zur Verwahrung übernimmt. Bei Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten muß die Übernahme in Kenntnis ihrer Beschaffenheit geschehen. Nicht notwendig ist die genaue Kenntnis ihres Wertes (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 668).

Die Übernahme der von einem Gast eingebrachten Sachen zur Verwahrung in einem Safe stellt eine besondere Verwahrung gegenüber der üblichen, bei der dem Gast lediglich ein Verwahrungsort angewiesen wird, dar. Es muß mangels gegenteiliger Behauptungen auch davon ausgegangen werden, daß einer Pensionssekretärin, die vom Gast Gegenstände zur Verwahrung in einem Safe übernimmt, hiezu vom Pensionsinhaber bevollmächtigt ist. Da jedoch der Kläger nicht darauf verwiesen hatte, daß sich in der Tasche Geld befindet, käme bei bloßer Stützung der Haftung der Beklagten auf § 970 ABGB die Betragsbeschränkung des § 970a ABGB zur Anwendung.

Die Haftung der Gastwirte, die Fremde beherbergen, für den Verlust oder die Beschädigung der eingebrachten Sachen gemäß § 970 ABGB geht über die des Verwahrers, der für unverschuldete Zufälle nicht zu haften hat, hinaus. Fällt daher dem Beklagten oder einem seiner Leute tatsächlich eine Vernachlässigung der Obsorgepflicht zur Last, so hat er als Verwahrer selbst dann, wenn im Hause aus- und eingehende Personen als Schädiger nicht in Frage kommen, für den aus der Unterlassung der pflichtgemäßen Obsorge bei Verwahrung der ihm anvertrauten Sachen verursachten Schaden gemäß § 964 ABGB zu haften. Dem Beklagten obliegt daher auch im Falle der Verneinung der Haftungsvoraussetzungen für im Hause aus- und eingehende Personen nach § 970 ABGB der Beweis, daß er die notwendige Sorgfalt aufgewendet hat, um die ihm anvertrauten Sachen vor Verlust oder Schädigung zu bewahren. Hiebei ist zu bemerken, daß ein Gastwirt gegen die üblichen Hoteldiebstähle besondere Sicherungsmaßregeln treffen muß (JBl. 1963, 153), und daß ein Gast, dem die Aufbewahrung eingebrachter Sachen in einem Safe zugesagt wird, damit rechnen kann, daß diese Sachen in höherem Maße gegen Diebstahl abgesichert werden, als dies in der Regel bei eingebrachten Sachen der Fall ist. Ein Safe bietet weitgehenden Schutz gegen Einbruch (hiezu bedarf es besonderer Fachkenntnis und Geschicklichkeit), ist daher - ordnungsgemäße Verwahrung des Schlüssels vorausgesetzt - außergewöhnlich sicher. Verwahrt der Wirt den Safeschlüssel nicht ordnungsgemaß, so verschuldet er hiedurch verursachte Diebstähle aus dem Safe dafür. Nun leuchtet aber ohne weiteres ein, daß die Verwahrung eines Safeschlüssels in einem aufschließbaren Schrank beim Safe keine solche ist, die eine durch Safeverwahrung angenommene Sicherheit gewährleistet. Nur wenn der Schlüssel auf eine Art verwahrt wird, die gesonderte Anstrengungen zu seiner Erlangung erfordert, wird diese Sicherheit gegeben sein. Dagegen bietet die festgestellte Art der Verwahrung des Safeschlüssels nicht jene Sicherheit, wie sie von einer Safeverwahrung gemeiniglich erwartet wird. In einem solchen Fall muß ein Diebstahl aus dem Safe als vom Wirt verschuldet angesehen werden. Er haftet daher gemäß § 964 ABGB dem Verwahrer unbeschränkt für den eingetretenen Schaden.

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