OGH 7Ob25/84

OGH7Ob25/8424.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Alois Ruschitzger, Rechtsanwalt in Graz, unter Beteiligung der Nebenintervenienten Ing. Gottfried H*****, und Helene H*****, vertreten durch Dr. Werner Thurner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Johann T*****, vertreten durch Dr Elisabeth Simma, Rechtsanwältin in Graz, wegen 444.065,86 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgerichts vom 26. Jänner 1984, GZ 3 R 65, 267/83‑62, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 18. Dezember 1982, GZ 13 Cg 96/80‑45, in der Fassung des Ergänzungsurteils vom 20. August 1983, GZ 13 Cg 96/80‑58, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00025.840.0524.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 13.772,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 960 S Barauslagen und 1.164,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Eigentümer der Liegenschaft *****, Ing Gottfried H***** und Helene H***** hatten bezüglich der Gebäude auf dieser Liegenschaft, darunter auch eines Stallgebäudes, bei der Klägerin eine Feuerversicherung abgeschlossen. Der Beklagte, als Pächter der Liegenschaft, verursachte am 17. März 1979 fahrlässig eine Feuersbrunst, wodurch das Stallgebäude abbrannte. Die Klägerin hat wegen dieses Schadensfalles für den Neubau eines Stallgebäudes bisher Leistungen von 793.500 S an die Versicherungsnehmer erbracht. Der Beklagte wurde wegen des Brandes mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 10. September 1979 rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage unter Berufung auf § 67 VersVG den Ersatz der von ihr erbrachten Leistungen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für die künftigen Leistungen. Bezüglich des Feststellungsbegehrens ist bereits rechtskräftig im Sinne der Klage entschieden worden. Dem Leistungsbegehren hat das Erstgericht unter Abweisung des Mehrbegehrens mit einem Betrag von 199.800 S stattgegeben. Die Abweisung eines Teilbegehrens von 217.200 S ist in Rechtskraft erwachsen. Infolge Berufung beider Parteien hat das Berufungsgericht der Klägerin insgesamt 444.065,86 S zugesprochen und ein Mehrbegehren von 81.494,14 S rechtskräftig abgewiesen. Bezüglich des Restbetrags von 50.740 S sA erfolgte eine Aufhebung unter Rechtskraftvorbehalt.

Bekämpft ist im Revisionsverfahren lediglich der Zuspruch von 444.065,86 S sA. Dies ergibt sich aus der Anführung des Revisionsstreitwerts durch den Beklagten, wobei der dort genannte Kostenbetrag außer Betracht zu bleiben hat. Außerdem enthält die Revision keine Ausführungen zum Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts hinsichtlich des Klagsteilbetrags von 50.740 S. Für die Kostenbemessung ist von der in der Revision genannten Basis von 444.065,86 S auszugehen. Der weitere genannte Betrag von 46.615,46 S betrifft Prozesskosten, weshalb er nach § 4 RATG im Zusammenhang mit § 55 Abs 2 JN nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist.

Die Vorinstanzen sind bei ihrer Entscheidung von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen:

Das Stallgebäude war mit einer Versicherungssumme von 2.000.000 S zum Neuherstellungswert versichert. Es befand sich in einem schlechten Bau‑ und Erhaltungszustand. Der Neuherstellungswert hätte einschließlich der Umsatzsteuer 2.532.000 S betragen. Unter Abzug verschiedener Posten, insbesondere für nicht mitversicherte Gebäudeteile, ergibt sich ein versicherter Herstellungswert ohne Umsatzsteuer von 1.636.205 S. Zieht man hievon die technische Wertminderung von 77 % ab, beträgt der Bauzeitwert 376.327 S. Zuzüglich der Umsatzsteuer ergibt sich hieraus ein Betrag von 444.065,86 S.

Während das Erstgericht unter Bejahung eines Anspruchs der Klägerin nach § 67 VersVG, der allerdings nicht die gesamten aufgrund der Neuwertversicherung erbrachten Leistungen, sondern nur die für die Schadensbehebung notwendigen Leistungen umfasste, von dem genannten Betrag von 376.327 S, ausgehend vom Verkaufswert, einen weiteren Abzug von 55 % machte, führte das Berufungsgericht aus, der Eigentümer habe gegenüber dem Schädiger Anspruch auf Ersatz des Bauzeitwertes unter Vornahme einer entsprechenden Abwertung aufgrund der Alterung und des Zustandes des Gebäudes (technische Wertminderung). Hievon könne jedoch noch nicht zusätzlich eine merkantile Wertminderung zur Ermittlung eines den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprechenden Verkehrswertes abgezogen werden.

Die vom Beklagten gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Haupteinwand des Beklagten läuft darauf hinaus, dass die Klägerin nach Leistung an die Versicherungsnehmer infolge des Verdachtes falscher Angaben der Versicherungsnehmer gegen diese eine Klage wegen Rückersatzes der gleisteten Zahlungen eingebracht hat und dieses Verfahren noch nicht beendet ist (es ruht derzeit). Demnach stehe gar nicht fest, ob die Klägerin gegenüber den Versicherungsnehmern überhaupt leistungspflichtig sei.

Richtig hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Leistungspflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht unabdingbare Voraussetzung eines Forderungsübergangs nach § 67 VersVG ist. Diese Bestimmung sieht nämlich vor, dass ein dem Versicherungsnehmer zustehender Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten auf den Versicherer übergeht, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Voraussetzung ist also nur das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs und die Leistung des Versicherers zur Befriedigung des Schadens. Hat der Versicherer Leistungen an den Versicherungsnehmer erbracht, so ist nur zu prüfen, ob und in welchem Umfang der Versicherungsnehmer Schadenersatzansprüche gegen den Dritten hatte und inwieweit Kongurenz zwischen diesen Ersatzansprüchen und der Leistung des Versicherers besteht. Da „Ersatz des Schadens durch den Versicherer“ im Sinne des § 67 VersVG nichts anderes als „Leistung“ bedeutet, und der Anspruchserwerb zum Inhalt der Versicherungsleistung gehört, greift § 67 VersVG auch ein, wenn der Versicherer bei irrtümlicher Leistung einen Regressanspruch gegen den Versicherungsnehmer hat. Vom Bestehen einer Leistungspflicht hängt der Übergang nicht ab ( Prölss‑Martin , VVG 23 , 409 ff). Demnach war im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, inwieweit die Klägerin gegenüber den Versicherungsnehmern einen Regressanspruch hat. Infolge der Bindungswirkung des strafgerichtlichen Urteils steht das Verschulden des Beklagten an dem Brand und sohin dessen Schadenersatzpflicht gegenüber den Versicherungsnehmern fest. Ferner steht die Höhe der von der Klägerin den Versicherungsnehmern aus Anlass des Brandes erbrachten Leistungen ebenso fest wie jener Teil, der auf die Schadensgutmachung entfällt. Sohin ist die Klägerin gemäß § 67 VersVG berechtigt, diesen Teil vom Beklagten zu verlangen.

Bezüglich des weiteren Einwandes des Beklagten, der Leistungsanspruch der Versicherungsnehmer gegen die Klägerin sei noch nicht fällig, weil zwar das in den Versicherungsbedingungen vorgesehene Sachverständigen-verfahren beendet sei, die Klägerin jedoch den Schiedsspruch gerichtlich bekämpft habe und das diesbezügliche Verfahren noch nicht beendet sei, gelten dieselben Erwägungen, wie für die Frage des Überganges nach § 67 VersVG. Auch hier handelt es sich um Umstände, die ausschließlich das Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer betreffen. Zwar steht es dem Versicherer frei, die Leistung vor ihrer Fälligkeit zurückzuhalten, doch kann der schädigende Dritte die mangelnde Fälligkeit der Versicherungsleistung gegenüber dem Versicherungsnehmer dann nicht zu seinen Gunsten geltend machen, wenn der Versicherer, ungeachtet des ihm zustehenden Einwandes der mangelnden Fälligkeit, Teilzahlungen geleistet hat. Dies steht ihm auf jeden Fall frei, wobei hier gar nicht darauf Bedacht genommen werden muss, dass nach Art 13 der Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) [Beilage B] auf jeden Fall jener Betrag als Teilzahlung zu leisten ist, der nach Lage der Sache mindestens gezahlt werden muss. Dass aber zumindest der tatsächliche Schaden bezahlt werden muss, ist selbstverständlich. Die Höhe des tatsächlichen Schadens steht im vorliegenden Fall fest, weshalb auf jeden Fall bei Schluss der Verhandlung erster Instanz diese Zahlung fällig gewesen wäre. Dass der Beklagte allfällige Regressansprüche des Versicherers gegen die Versicherungsnehmer nicht geltend machen könne, wurde bereits oben ausgeführt. Die bloße mangelnde Fälligkeit der Versicherungsleistung kann er aber dem Anspruch nach § 67 VersVG schon deshalb nicht entgegensetzen, weil diese Bestimmung auch bei bewusster Liberalität des Versicherers Anwendung findet ( Prölss‑Martin , VVG 23 , 410).

Schließlich wendet sich der Beklagte noch gegen die Bemessung des Schadens. Hiebei muss auf die Ausführungen der Revision zu den festgestellten Schadenswerten nicht eingegangen werden, weil der Beklagte mit diesem Teil der Revision den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der untergerichtlichen Feststellungen unternimmt. Einzugehen war nur auf die Frage, welchen Wert der Beklagte grundsätzlich zu ersetzen hat, ob also die vom Berufungsgericht vorgenommene Ermittlung des Schadens oder die Schadensberechnung des Erstgerichts richtig ist. Bezüglich der Ziffern ist der Oberste Gerichtshof an die getroffenen Feststellungen gebunden.

Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts und auch der Revision findet die Berechnung des vom Schädiger zu ersetzenden Schadens mit Hilfe des Ertragswertes im Gesetz keine Deckung. Es ist zwar richtig, dass grundsätzlich nur der Zeitwert zu ersetzen ist (SZ 48/89, SZ 41/114 ua), doch steht dies nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Berufungsgerichts. Der Ausdruck „Zeitwert“ besagt nämlich lediglich etwas über den Zeitpunkt, auf den die Berechnung des Schadens abzustellen ist, nicht jedoch über die Berechnungsart. Hier ist grundsätzlich der Schätzwert zu ersetzen, also jener Wert, den eine neue Sache gleicher Art zur Zeit der Beschädigung nach Abzug einer verhältnismäßigen Abnützungsquote hatte (SZ 48/89, SZ 37/165 ua). Maßgebend ist der Wiederbeschaffungswert der beschädigten Sache (SZ 51/37, ZVR 1975/79, ZVR 1974/55 ua). Wenn eine gebrauchte Sache zerstört wird und deren Naturalersatz durch eine wirtschaftlich gleichwertige gebrauchte Sache nicht möglich ist, ist gemäß § 1332 ABGB der Schaden nach dem gemeinen Werte, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, zu ersetzen. Dies geschieht in der Regel dadurch, dass dem Geschädigten der Wert der neuen Sache zur Zeit der Beschädigung abzüglich einer verhältnismäßigen Abnützungsquote zu vergüten ist (SZ 54/65 ua). Auf Unterschiede bezüglich des Verschuldensgrades muss hier nicht eingegangen werden, weil die Ausführungen des Berufungsgerichts, denen zufolge kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, dass im vorliegenden Fall weitere Schäden entstanden sind, die nur bei Annahme grober Fahrlässigkeit zu ersetzen wären, nicht bekämpft werden.

Geht man unter Zugrundelegung der vom Berufungsgericht geäußerten richtigen Rechtsansicht und von den festgestellten Ziffern aus, ergibt sich der vom Berufungsgericht zugesprochene Betrag. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es sich auch bei der in den untergerichtlichen Entscheidungen genannten Quote von 77 % für technische Wertminderung um eine Feststellung aufgrund eines Sachverständigengutachtens handelt, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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