Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 30.469,78 (darin enthalten S 2.649,13 USt und S 14.575,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Kammer. Am 12. 3. 1996 besuchte der Erstkläger in den Räumlichkeiten der Bezirksbauernkammer W***** eine Informationsveranstaltung der beklagten Partei über die Produktion und die Vermarktungsmöglichkeit von Hanf. Diese Veranstaltung konnte unentgeltlich besucht werden. Als Referent trat Ing. Peter K***** auf. Ob es bei dieser Veranstaltung zu einem direkten Gespräch zwischen Ing. K***** und dem Erstkläger über die beim Hanfanbau zu verwendenden Pflanzenschutzmittel kam, kann nicht festgestellt werden.
Es lagen für die Teilnehmer Informationsblätter mit der Überschrift "Anbau und Kulturanleitung Hanf" in der Textierung der Beilage E auf, die mit dem Namen, der Anschrift und der Telefon- und Telefaxnummer der beklagten Partei versehen waren. Dort ist auf Seite 4 ua folgendes zu lesen:
"Für Pflanzenschutzmittel gibt es in Österreich keine Registrierung. Laut ausländischen Erfahrungen werden im Vorauflauf Stomp SC und Afalon S oder Patoran sehr erfolgreich angewandt."
Das Informationsblatt enthält - anders als die ebenfalls zum selben Thema erstellte Broschüre Beilage 3 - keinen Hinweis darauf, daß keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben betreffend die Pflanzenschutzmittel gemacht werden könne und daß vor der Registrierung eine Verwendung jener Pflanzenschutzmittel, die im österreichischen Pflanzenschutzregister für die betreffende Kulturgattung nicht eingetragen sind, nicht zugelassen sind.
Der Erstkläger las das Informationsblatt nach der Veranstaltung durch. Ob er bei der beklagten Partei angerufen und sich dort über die Verwendungsmöglichkeit von Stomp SC erkundigt hat, kann nicht festgestellt werden. Die Kläger brachten das Pflanzenschutzmittel Stomp SC auf ihren Feldern, auf denen sie Hanf angebaut hatten auf. In der Folge kam es zu Ausfällen bei den Hanfkulturen.
Die Kläger begehrten als Ersatz für den Ernteausfall S 114.785,-- sA. Sie brachten vor, daß sich der Erstkläger bei der beklagten Partei über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln eigens erkundigt habe, weil die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen der Informationsveranstaltung unklar gewesen seien. Der Erstkläger habe einerseits den Vortragenden, Ing. K*****, persönlich darauf angesprochen, ob er das Pflanzenschutzmittel Stomp SC verwenden könne. Er habe sich dann nochmals telefonisch bei der beklagten Partei erkundigt und jeweils die Auskunft erhalten, daß das Pflanzenschutzmittel Stomp SC problemlos angewendet werden könne und von der beklagten Partei bereits getestet worden sei. Er habe dieses Pflanzenschutzmittel, wie empfohlen, gleich nach der Saat (im "Vorauflauf") eingesetzt. Die beklagte Partei hafte daher für den durch den unrichtigen Rat verursachten Schaden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe in der Broschüre ausführlich darauf hingewiesen, keine Gewähr für ihre Angaben zu übernehmen. Auch die fehlende Registrierung sei aufgezeigt worden. Die behaupteten Gespräche des Erstklägers mit dem Vortragenden oder einem weiteren Mitarbeiter der beklagten Partei hätten nicht stattgefunden. Der Schaden sei entstanden, weil der Erstkläger das Pflanzenschutzmittel erst in der Keimphase eingesetzt habe. Die Information sei unentgeltlich erfolgt, sodaß für fahrlässige Schädigung nicht gehaftet werde. Eine Haftung der beklagten Partei komme überhaupt nur nach § 1315 ABGB in Betracht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf abweichend vom eingangs wiedergegebenen, vom Berufungsgericht nach Beweiswiederholung festgestellten Sachverhalt die Negativfeststellung, daß nicht festgestellt werden könne, welche der beiden Broschüren (Beilage E oder Beilage 3) bei der vom Erstkläger besuchten Veranstaltung aufgelegen sei. Weiters traf es die ebenfalls vom Berufungsgericht nicht übernommene Feststellung, daß die Ernteausfälle darauf zurückzuführen seien, daß der Erstkläger das Pflanzenschutzmittel nicht schon im Vorauflauf, sondern erst später eingesetzt habe.
Das Berufungsgericht führte eine Beweiswiederholung durch, traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und hob das Ersturteil zwecks Verfahrensergänzung auf. Es vertrat ausgehend von den von ihm getroffenen Feststellungen die Rechtsansicht, daß die beklagte Partei in ihrer Broschüre Beilage E einen Rat betreffend die Verwendung der Pflanzenschutzmittel erteilt habe. Die beklagte Partei habe damit rechnen müssen, daß Landwirte aufgrund der "Anbau- und Kulturanleitung" laut Beilage E das Pflanzenschutzmittel Stomp SC bei Hanfkulturen einsetzen würden. Da die beklagte Partei selbst als Verfasser der Broschüre aufscheine, hafte sie bei fahrlässiger falscher Raterteilung Geschädigten gegenüber direkt und habe auch für das Verhalten ihrer Mitarbeiter gemäß § 1313a ABGB einzustehen. Die Raterteilung durch Berufs- und Interessensvertretungen gegenüber ihren Mitgliedern erfolge nicht selbstlos. Die Feststellung, daß das Pflanzenschutzmittel Stomp SC nicht im Vorlauf, sondern erst später verwendet worden sei, beruhe auf einem mangelhaften Verfahren, weil der zu dieser Frage geführte Sachverständige nicht bestellt worden sei. Zu prüfen sei gegebenenfalls weiters, ob der Rat falsch gewesen sei und ob die beklagte Partei hiebei fahrlässig gehandelt habe.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil sie der Oberste Gerichtshof erst einmal mit der Haftung einer Kammer gemäß § 1300 erster Satz ABGB befaßt habe.
Der Rekurs der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung SZ 68/60 mit ausführlicher Begründung die grundsätzliche Haftung der Kammern für Informationen einschließlich solcher, die in von ihr aufgelegten Broschüren enthalten sind, bejaht und insbesondere auch ausgeführt, daß sich die wegen Erteilung einer unrichtigen Auskunft in Anspruch genommene Kammer nicht darauf berufen könne, sie habe ihren Rat kostenlos erteilt. Insoweit entspricht zwar die Entscheidung des Berufungsgerichtes den in der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes dargelegten Grundsätzen.
Ob die beklagte Partei damit rechnen mußte, daß die am Hanfanbau interessierten Landwirte aufgrund der zitierten Formulierung in der Broschüre das Pflanzenschutzmittel Stomp SC bei Hanfkulturen anwenden würden ist jedoch im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes im vorliegenden Rechtsstreit nicht von entscheidender Bedeutung.
Die Kläger haben nämlich gar nicht behauptet, daß sie durch die in der Broschüre Beilage E enthaltenen Ausführungen zum Einsatz des Pflanzenschutzmittels veranlaßt worden seien. Nach ihrem eigenen Vorbringen faßte der Erstkläger die Broschüre nicht als Empfehlung für die Anwendung auf. Nicht der Inhalt der Broschüre, sondern die vom Erstkläger angeblich eingeholten mündlichen Auskünfte des Vortragenden und eines weiteren Mitarbeiters der beklagten Partei waren nach den Klagebehauptungen für die Anwendung ausschlaggebend. Daß dem Kläger zusätzliche mündliche Informationen dahin, daß das Pflanzenschutzmittel bedenkenlos bei Hanfkulturen eingesetzt werden könne, erteilt worden seien, wurde aber von den Vorinstanzen übereinstimmend als nicht erwiesen angenommen.
Da die Kausalität des Inhaltes der Broschüre für den Einsatz des Pflanzenschutzmittels und den dadurch hervorgerufenen Schaden der Beklagten von diesen nicht einmal behauptet wurde, kommt eine Haftung der beklagten Partei für die Erteilung eines nachteiligen Rates iSd § 1300 ABGB selbst dann nicht in Betracht, wenn der in der Broschüre enthaltene Hinweis, daß die genannten Pflanzenschutzmittel bei Hanf im Stadium des Vorauflaufes im Ausland erfolgreich eingesetzt würden, unrichtig sein sollte. Auch die weiteren Fragen, zu deren Klärung das Verfahren vom Berufungsgericht an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, erweisen sich somit als nicht entscheidungswesentlich. Auf die sonstigen im Rekurs und in der Rekursbeantwortung aufgezeigten Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Haftung einer Kammer gegenüber ihren Mitgliedern ist daher ebenfalls nicht weiter einzugehen.
Wegen Spruchreife war der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz aufzuheben und in der Sache selbst im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles erster Instanz zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)