Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Bernhard K*****, der am 20. 5. 1968 geborene Vater der minderjährigen Zwillinge Mario und Marina, die im Haushalt ihrer Mutter betreut werden, war ab 5. 10. 1998 als Maschinenschlosser beschäftigt, wobei er im Monatsdurchschnitt S 17.000 bis 18.000 verdiente. Ab dem Schuljahr 1997/98 besuchte er dazu abends die höhere Lehranstalt für Berufstätige mit ausgezeichnetem Erfolg und legte schließlich die Reifeprüfung ab. Seit dem Winter-Semester 1999/2000 ist er - ausschließlich - Student an der Fachhochschule für automatisierte Anlagen- und Prozesstechniken in Wels. Der Betrieb der Fachhochschule läuft eher schulmäßig ab; für die Studenten besteht Anwesenheitspflicht im Ausmaß von 28 bis 31 Wochenstunden, die auch überprüft wird. Der zeitliche Aufwand der Studenten für die Lern- und Vorbereitungstätigkeit ist in etwa noch einmal so groß.Der Zeitraum Juli bis September ist vorlesungsfrei; im Juli und September finden jedoch die vorgeschriebenen Prüfungen statt. Werden diese nicht spätestens innerhalb einer kurzen Nachfrist erfolgreich abgelegt, muss der Student die Fachhochschule verlassen. Nur sehr gute Studenten, die meist schon über eine entsprechende Vorbildung (HTL-Abschluss) und praktische Erfahrungen verfügen, schaffen es, neben dem erfolgreichen Besuch der Fachhochschule noch gewisse Arbeitstätigkeiten auszuüben. Seit Oktober 1999 bezieht der Vater ausschließlich die Studienbeihilfe, die von Oktober bis Dezember 1999 einschließlich des Kinderzuschusses S 8.680 monatlich betrug und ab 1. 1. 2000 S 8.930 (S 8.330 plus S 600 Kinderzuschuss) beträgt. Neben seinen Kindern ist der Vater noch für deren Mutter (seine geschiedene Frau Suzana) mit monatlich 2.731 sorgepflichtig. Die Mutter bezieht dazu Sozialhilfe in Höhe von ca S 6.900 monatlich.
Der Vater war auf Grund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 10. 9. 1998 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.680 je Kind verpflichtet. Am 15. 3. 1999 beantragte der Unterhaltssachwalter die Erhöhung des vom Vater zu leistenden Unterhaltsbeitrags auf S 2.100 je Kind ab 1. 11. 1998 mit der Begründung, der Vater verdiene als Fräser durchschnittlich S 16.900 pro Monat.
Der Vater erklärte sich für den Zeitraum 1. 11. 1998 bis 30. 9. 1999 mit der begehrten Unterhaltserhöhung einverstanden, beantragte aber im Hinblick auf sein geringes Einkommen als Student seine Unterhaltsverpflichtung ab 1. 10. 1999 auf monatlich S 1.113 je Kind herabzusetzen.
Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu leistenden Unterhaltsbeitrag für die Zeit vom 1. 11. 1998 bis 30. 9. 1999 auf monatlich S 2.100 pro Kind und setzte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für den Zeitraum 1. 10. bis 31. 12. 1999 auf monatlich S 1.128 sowie ab 1. 1. 2000 auf monatlich S 1.161 herab. Es orientierte sich dabei an den vom Vater erzielten Einkommen, zuletzt aus der Studienbeihilfe von monatlich S 8.930 und gelangte unter Anwendung der Prozentmethode zu den genannten Beträgen.
Das vom Unterhaltssachwalter angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Beim Vater seien die Voraussetzungen für einen positiven Abschluss der Fachhochschule jedenfalls vorhanden. Seine zukünftigen Berufsaussichten im Bereich automationsunterstützter Anlagen- und Prozesstechnik seien sicherlich als gut zu bezeichnen; mit großer Wahrscheinlichkeit sei damit zu rechnen, dass sich dem Vater nach Abschluss der Fachhochschule nach vier Jahren wesentlich bessere Verdienstmöglichkeiten und vor allem auch Aufstiegschancen bieten würden, als im erlernten Beruf eines Maschinenschlossers. Auch die Arbeitsplatzsicherheit dürfte im angestrebten Beruf wesentlich größer sein. Bedenke man einerseits, dass die beiden zu alimentierenden Kinder noch nicht einmal drei Jahre alt seien und andererseits, dass sie an den nach Abschluss der Fachhochschule zu erwartenden besseren Lebensverhältnissen des Vaters noch sehr lange teilhaben könnten, so sei dem Vater der Besuch der Fachhochschule zuzugestehen. Das Gesamtinteresse der unterhaltsberechtigten Kinder spreche eindeutig für eine gewisse Einschränkung der Bedürfnisse über einen überschaubaren Zeitraum von vier Jahren, der das Teilhaben an den zu erwartenden besseren Lebensverhältnissen des Vaters über einen ungleich längeren Zeitraum gegenüberstehe. Dass der Vater seine Ausbildung nicht zielstrebig verfolgen werde, sei schon auf Grund seiner bereits erzielten guten Erfolge in der Abend-HTL nicht anzunehmen. Darüberhinaus sei ein Hinauszögern des Studiums zu Lasten der Kinder beim Besuch einer Fachhochschule mit vorgeschriebenen Prüfungsterminen nicht möglich. Die auf Grund des Besuches der Fachhochschule geminderte finanzielle Leistungsfähigkeit des Vaters sei daher bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen; von einer Anspannung sei abzusehen. Da der Besuch einer Fachhochschule eine Nebentätigkeit kaum zulasse, weil im Gegensatz zu einem Studium an einer Universität die Anwesenheitszeiten bis zu 31 Wochenstunden betrügen und auf Grund der fixen Prüfungstermine auch wenig Flexibilität beim Lernen und der Prüfungsvorbereitung gegeben sei, erscheine es auch nicht gerechtfertigt, den Vater auf ein Einkommen aus einer neben der Ausbildung aufzunehmenden Arbeitstätigkeit anzuspannen.
Seinen Ausspruch der Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, die von ihm vertretene Rechtsansicht finde "mit Ausnahme der Entscheidung 9 (soll heißen 8) Ob 559/93 in der oberstgerichtlichen Judikatur nicht vollständig Deckung".
Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass seinem Unterhaltserhöhungsantrag auf S 2.100 monatlich je Kind (auch nach dem 1. 10. 1999) stattgegeben werde.
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Den Unterhaltspflichtigen trifft demnach die Verpflichtung im Interesse seiner Kinder, alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (SZ 63/74; ÖA 1999, 12; ÖA 1999, 33; Schwimann in Schwimann ABGB2 Rz 60 zu § 140 mwN; Pichler in Rummel ABGB2 Rz 6 zu § 140 mwN; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 246 ff mwN). Die Rechtsprechung setzt diesen sogenannten Anspannungsgrundsatz als eine Art Missbrauchsvorbehalt in Fällen ein, in denen schuldhaft die zumutbare Erzielung deutlich höherer Einkünfte versäumt wird. Die Anspannung darf aber nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern muss immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (EFSlg 77.069; ÖA 1997, 159/U 182 uva). Die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes richtet sich jeweils nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles (Schwimann aaO 65 f; 6 Ob 2319/96i). Dabei ist die für die Ausmittlung des konkret den Unterhaltsbedarf zu bestimmende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen danach zu messen, wie ein pflichtbewusster Familienvater in der konkreten Lage des Unterhaltspflichtigen die diesem zur Erzielung von Einkommen zur Verfügung stehenden Mittel an Arbeitskraft und Vermögen vernünftigerweise einsetzen würde (6 Ob 116/00b ua).
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Hinblick auf die im vorliegenden Fall festgestellten Umstände eine Anspannung verneint haben, stehen mit dieser Rechtsprechung und insbesondere auch mit der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 8 Ob 559/93 (= ÖA 1993, 146) im Einklang. Dieser Entscheidung lag ein der vorliegenden Rechtssache vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde: Der für seinen minderjährigen Sohn unterhaltspflichtige Vater beantragte die Herabsetzung des von ihm zu leistenden Unterhaltsbeitrags mit der Begründung, er habe ein Studium begonnen. Nach Abschluss dieses Studiums könne er für das Kind einen unverhältnismäßig höheren Unterhalt leisten. Er habe sein Studium ernsthaft betrieben und in den Ferien jeweils als Werkstudent gearbeitet und also alle seine Kräfte angespannt. Der Oberste Gerichtshof, der die den Herabsetzungsantrag stattgebende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherstellte, führte dazu aus: Bei der Beurteilung der Frage, ob die Aufnahme eines Studiums durch den Unterhaltspflichtigen einen bedeutsamen Grund bilde, der das Aufgeben seiner bisherigen, gut dotierten Beschäftigung und damit eine Verringerung des von ihm zu leistenden Unterhaltsbeitrages zu rechtfertigen vermöge, sei im Allgemeinen vor allem entscheidend, ob damit voraussichtlich auch eine künftige Besserstellung des Unterhaltsberechtigten verbunden sein werde und das Studium auch in seinem Interesse liege, sowie ob der Unterhaltspflichtige die Übergangszeit möglichst kurz gestalte und dadurch im Sinne des Gesetzes alle seine Kräfte zur Erzielung eines entsprechenden Einkommens anspanne. Das Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen stehe nicht von vornherein fest; vielmehr ergäben sich für die diesbezügliche Beurteilung erfahrungsgemäß erst nach einiger Zeit nach Maßgabe des inzwischen erzielten Studienfortschritts die erforderlichen Grundlagen. Der erbrachte Studiennachweis eines eifrig und erfolgreich betriebenen Studiums lasse aber jedenfalls die Einschätzung begründet erscheinen, dass das weitere Studium des Unterhaltspflichtigen in Zukunft auch dem Unterhaltsberechtigten zum Vorteil gereichen werde. Der vom Obersten Gerichtshof in zwei Vorentscheidungen gebilligte (Rechts-)Satz, dass den Interessen des Kindes auf angemessene Alimentation der Vorrang vor dem Interesse des Vaters auf ein Studium einzuräumen sei (vgl RIS-Justiz RS0047360), habe daher zwar weiterhin Gültigkeit, er müsse jedoch auch diese weiteren Gesichtspunkte miterfassen, weil letztlich das Gesamtinteresse des Unterhaltsberechtigten maßgeblich sei. Durch den Nachweis eines emsig und erfolgreich betriebenen, auch den Interessen des Kindes dienenden Studiums sei somit grundsätzlich eine Änderung der bisherigen Sachlage eingetreten; die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sei durch berücksichtigungswürdige Umstände vorübergehend vermindert und bei der Unterhaltsbemessung sei daher nicht mehr von seinem höheren Einkommen als fiktiver Unterhaltsbemessungsgrund- lage auszugehen, sondern das von ihm nach seinen Kräften derzeit erzielte Einkommen maßgeblich.
Im vorliegenden Fall steht der Vater zwar noch ganz am Anfang seines Studiums und kann daher auch nicht auf bereits erzielte Studienerfolge verweisen. Seine sehr guten Leistungen als Absolvent einer "Abend-HTL" rechtfertigen aber die Ansicht der Vorinstanzen, dass das (weitere) Studium zielstrebig und erfolgreich durchgeführt werden und daher den Unterhaltsberechtigten zum Vorteil gereichen werde. Der hier festgestellte Sachverhalt ist daher, wie schon das Rekursgericht erkannt hat, mit der erwähnten Causa ganz vergleichbar.
Im Hinblick auf die damit vorliegende gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung ist kein tauglicher Revisionsrekursgrund gegeben. Reicht doch, um eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes annehmen zu können, das Vorliegen schon einer, ausführlich begründeten, grundlegenden und veröffentlichten Entscheidung, der keine gegenteiligen entgegenstehen, insbesondere dann, wenn sie auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist (RdW 1998, 406; 7 Ob 155/00w; Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu § 502). Diese Voraussetzungen werden von der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes alle erfüllt (vgl die der zitierten Entscheidung zustimmenden Ausführungen Gitschthalers in ÖJZ 1996, 553 [558]; vgl auch Schwimann, Unterhaltsrecht2 67).
Der Revisionsrekurswerber zweifelt in seinem Rechtsmittel nicht an einem zu erwartenden Studienerfolg des Vaters und räumt auch ein, dass die Minderjährigen davon profitieren werden. Er vertritt aber die Auffassung, dass dem Vater eine Nebenbeschäftigung zum Studium zumutbar wäre und dieser in diesem Rahmen anzuspannen sei. Ob eine Nebenbeschäftigung neben einem Studium zumutbar ist, hängt aber von der Kasuistik des Einzelfalls ab. Im Hinblick auf die festgestellten spezifischen Umstände des Fachhochschulstudiums gegenüber einem Studium etwa an einer Universität kann in der Einschätzung, dass dem Vater auch in der vorlesungsfreien Zeit eine Nebenbeschäftigung nicht zumutbar sei, keine Fehlbeurteilung erkannt werden. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass dem Vater wegen seiner Unterhaltsverpflichtungen (neben der gegenständlichen Unterhaltsleistung besteht ja auch noch die Unterhaltsverpflichtung von monatlich S 2.700 gegenüber der Mutter der Kinder) von seinem Einkommen aus der Studienbeihilfe von knapp S 9.000 nicht einmal S 4.000 verbleiben; um seinen eigenen Lebensunterhalt notdürftig fristen zu können, wird er daher ohnehin gezwungen sein, die eine oder andere Nebeneinkommensmöglichkeit wahrzunehmen.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
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