OGH 7Ob241/97k

OGH7Ob241/97k29.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Otto U*****, 2. Erika U*****, beide vertreten durch Hügel, Dallmann & Partner, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagte Partei V***** AG, ***** vertreten durch Wolf, Theiss & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 50.647,-- sA, infolge Revision des Erstklägers gegen das Teilurteil (Revisionsinteresse S 35.475,--) sowie Rekurses der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß (Rekursinsteresse S 15.172,--) des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht, beide vom 20.März 1997, GZ 1 R 463/96a-16, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17.Oktober 1995, GZ 14 C 904/95h-12, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision und dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Erstkläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Beklagte hat ihre Rekurskosten endgültig selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger haben mit der Beklagten für ihre gemeinsame Wohnung und deren gesamten Inhalt eine Sachversicherung abgeschlossen, die ua auch das Feuerrisiko enthält. Die bei einem Brand am 28.8.1994 beschädigte Kücheneinrichtung steht im Hälfteeigentum beider Kläger.

Am 28.8.1994 verließ die Zweitklägerin die Wohnung, nachdem sie auf dem Elektroherd eine Pfanne, in der sich Öl und Speisen befanden, zu erhitzen begonnen hatte, ohne den Elektroherd wieder abzudrehen, weil ihr eine Nachbarin aufgeregt mitgeteilt hatte, daß ein Wasserhahn, den der Erstkläger Tage zuvor repariert hatte, wieder tropfe. Die Zweitklägerin drehte in der Wohnung der Nachbarin das Wasserabsperrventil ab und nahm sodann eine Einladung zum Kaffeetrinken an. Dabei hielt sich die Zweitklägerin etwa zwei Stunden bei der Nachbarin auf. Mittlerweile hatten die in der Pfanne befindlichen Speisen zu brennen begonnen, wodurch die über dem Elektroherd angebrachte Dunsthaube und ein Kästchen zu glosen begannen. Aufgrund dieses Brandes intervenierte die Feuerwehr. Die Zweitklägerin erlangte erst Kenntnis davon, als sie der Erstkläger von der Nachbarwohnung heimholte. Der Zweitklägerin war bekannt, daß das Erhitzen von Öl zu einem Brand führen kann.

Die Kläger begehrten von der Beklagten die Zahlung des Brandschadens in der Höhe von S 70.950,-- abzüglich der geleisteten Teilzahlung von S 20.303,--, sohin des Betrages von S 50.647,-- sA. Die Zweitklägerin habe den Brand nicht grob fahrlässig herbeigeführt, weil sie die Wohnung zu einer erbetenen Hilfeleistung verlassen habe. Ihr sei auch nicht bekannt gewesen, daß das Erhitzen von Öl zu einem Brand führen könne. Den Erstkläger treffe am Eintritt des Versicherungsfalls überhaupt kein Verschulden. Zumindest dem Erstkläger gegenüber sei die Beklagte zur Erbringung der vollen Versicherungsleistung verpflichtet.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Zweitbeklagte habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, weil sie den Elektroherd vor dem Verlassen der Wohnung nicht abgedreht habe und der Wohnung längere Zeit ferngeblieben sei. Auf den angemessenen Schadensbetrag von S 40.606,-- habe sie die Hälfte bereits gezahlt; zumindest gegenüber der Zweitbeklagten bestehe Leistungsfreiheit. Überdies seien nur Brandschäden versichert, nicht aber auch Schäden, die - wie hier - durch ein Feuer verursacht worden seien, das sich nicht selbst ausbreiten könne, sowie Schwell-, Glos- und Sengschäden. Nur die Speisen seien in Brand geraten. Die Einrichtungsgegenstände hätte nur geglost, seien aber nicht in Brand geraten. Außerdem habe der 1. Kläger arglistig Aufklärungspflichten verletzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Zweitbeklagte treffe an der Herbeiführung des Versicherungsfalles ein grobes Verschulden. Bei mehreren Versicherungsnehmern werde das Verschulden eines Versicherungsnehmers auch den anderen zugerechnet, wenn das gemeinschaftliche, gleichartige und ungeteilte Interesse aller Versicherungsnehmer versichert sei. Das sei bei der gesamten versicherten Wohnung der Fall.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Abweisung eines Betrages von S 35.475,-- sA hinsichtlich beider Kläger sowie weitere S 15.172,-- hinsichtlich der Zweitklägerin. In Ansehung des weiteren Begehrens des Erstklägers von S 15.172,-- sA hob es das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Weiters sprach es aus, daß gegen das Teilurteil die ordentliche Revision zulässig und das erstinstanzliche Verfahren erst nach eingetretener Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei (sinngemäßer Ausspruch gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei). Auch das Berufungsgericht ging davon aus, daß die Zweitklägerin den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe, so daß die Beklagte dieser gegenüber von der Leistung frei sei. Einer Prüfung bedürfe es aber, inwieweit sich dieses Verhalten der Zweitklägerin auf den mitversicherten Erstkläger auswirke. Nach Darstellung der in Literatur und Judikatur vertretenen Auffassungen gelangte es unter Berufung auf Migsch (Die gegenseitige Beeinträchtigung von Leistungsansprüchen bei Rollenspaltung und Versicherung mehrerer Interessen; zur Überwindung des Abhängigkeitsprinzips, FS Ostheim 577ff); Lorenz-Liburnau (Zur Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Fehlverhalten seiner notwendigen Vertreter, VR 1985, 199ff [201]); sowie SZ 34/60 und SZ 52/92 zum Ergebnis, daß die Vermutung für die Versicherung des jeweiligen Hälfteanteils an den Einrichtungsgegenständen der Kläger spreche. Zufolge grob fahrlässigen Verhaltens der Zweitklägerin sei die Beklagte dieser gegenüber von der Leistung frei, nicht jedoch auch gegenüber dem Erstkläger, der nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe. Da aber nur dessen (Mit-)Eigentümerinteresse versichert sei, habe er auch nur Anspruch auf die Hälfte der Schadenssumme. Der Anspruch des Erstklägers könne zufolge der geleisteten Zahlung nicht über restliche S 15.172,-- sA hinausgehen. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht zu prüfen haben, ob die Schäden auf eine von der Versicherung gedeckte Schadensursache zurückzuführen sei, ob sich der Erstkläger bei Ermittlung des Schadens oder der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig gemacht habe und wie hoch der Schaden tatsächlich gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Erstklägers bekämpft das Teilurteil, soweit damit das Klagebegehren diesem gegenüber im Ausmaß von S 35.475,-- sA abgewiesen wurde; die Beklagte wendet sich mit ihren Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß.

Keines der Rechtsmittel ist berechtigt.

Die Beklagte bekämpft im Rekurs die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, daß sich ihre Leistungsfreiheit gegenüber der Zweitklägerin nicht gegen den Erstkläger auswirke.

Die Auswirkung des Fehlverhaltens eines mehrerer Versicherungsnehmer (Mitversicherten), das den Verlust des Versicherungsschutzes zur Folge hat (zB wegen Obliegenheitsverletzung, Prämienverzugs, vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls) auf den anderen Versicherungsnehmer (Mitversicherten) wird regelmäßig davon abhängig gemacht, ob eine Mehrheit versicherter Interessen besteht oder ob ein gemeinschaftliches, gleichartiges und ungeteiltes Interesse aller Versicherungsnehmer versichert ist. Nur im letzteren Fall soll es zu einer Zurechnung des Fehlverhaltens anderer am Vertrag beteiligter Personen kommen (Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 265; Petrasch, Obliegenheitsverletzung und Leistungsfreiheit in den Kfz-Versicherungen, ZVR 1985, 65ff [70]; Prölss/Martin, VVG25, 99 Anm 6 zu § 6; Martin, Sachversicherungsrecht3, 871 Rz 75f). Während in der Haftpflichtversicherung die Interessen mehrerer am Versicherungsvertrag beteiligter Personen als voneinander unabhängig gewertet werden (SZ 53/43; Petrasch aaO), wird für die Sachversicherung regelmäßig von einem gemeinschaftlichen, gleichartigen und ungeteilten Interesse aller Versicherungsnehmer ausgegangen (Petrasch aaO; Prölss/Martin aaO; Martin aaO 1149 Rz 16), woraus abgeleitet wird, daß darf jeder Versicherungsnehmer (Mitversicherter) das Fehlverhalten des anderen gegen sich gelten lassen muß. Miteigentum mehrerer Versicherungsnehmer an der versicherten Sache soll demnach ebenfalls zum Einstehen eines Miteigentümers für das Verhalten des anderen führen (Prölss/Martin aaO 100, allerdings mit Berufung auf die Haftung für Repräsentanten; Martin aaO 1149 Rz 16).

In SZ 34/60 (= VersR 1962, 815 [Wahle] = JBl 1961, 549 = EvBl 1961/299) hat sich der Oberste Gerichtshof für eine Trennung der Versicherungsansprüche mehrerer Miteigentümer ausgesprochen: Hat (nur) ein Miteigentümer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, dann besteht keine Leistungfreiheit des Versicherers gegenüber den anderen Miteigentümern. Im gleichen Sinn entschied der Oberste Gerichtshof in GlUNF 3.587.

Migsch kommt mit seiner Untersuchung (Die gegenseitige Beeinträchtigung von Leistungsansprüchen bei Rollenspaltung und Versicherung mehrerer Interessen; zur Überwindung des Abhängigkeitsprinzips, FS Ostheim 577ff) zum Ergebnis, daß zu einem vom Selbstverschuldensprinzip geprägten Versicherungsvertragsrecht besser ein Konzept passe, welches vom Prinzip der Trennung mehrerer in einem Versicherungsvertrag erfaßter Interessen ausgehe. Die Abhängigkeit der Ansprüche mehrerer Versicherungsnehmer vom gleichzeitigen Wohlverhalten aller wäre eine ernste Beeinträchtigung des Selbstverschuldensprinzips. Die vorzunehmende Trennung mehrerer in einem Versicherungsvertrag abgedeckter Interessen sei nicht nur dann anzuwenden, wenn es sich ihrer Art nach um ganz unterschiedliche Interessen an einer Sache handle, sondern vielmehr auch bezüglich der Bruchteilsinteressen schlichter Miteigentümer (aaO 587). Die Ausschlußtatbestände der §§ 61 und 152 VersVG wirkten nach weitgehender Ansicht nur subjektiv; das spreche für das selbständige Verschuldensprinzip im Zusammenhang mit der bloß individuell gegebenen Möglichkeit der Tatbestandverwirklichung. Daher vermöge die Gefahrverwirklichung durch den Versicherungsnehmer einem anderen Versicherten nicht zu schaden (aaO 604f). Auch Lorenz-Liburnau (Zur Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Fehlverhalten seiner notwendigen Vertreter, VR 1985, 199ff) ist der Auffassung, daß bei Versicherung von Miteigentum das Fehlverhalten eines Miteigentümers nur diesem selbst, nicht aber der Gemeinschaft anzulasten sei (aaO 201).

Nach neuerlicher Prüfung sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, von der bisherigen Rechtsprechung (GlUNF 3.587; SZ 34/60) abzugehen. Wie die Untersuchung Migschs zeigt, bildet das Bruchteilsinteresse des Miteigentümers an der versicherten Sache durchaus ein eigenständiges Interesse, das auch in der Sachversicherung vom Fehlverhalten eines anderen Versicherungsnehmers oder Mitversicherten unabhängig sein soll. Zufolge der Ablehnung der Haftung für Repräsentanten mangels ausreichender gesetzlicher Grundlage im österreichischen Recht (SZ 52/92; VersR 1987, 395 uva) besteht auch kein Anhaltspunkt für die Zurechnung des Verschuldens eines Versicherungsnehmers an andere. Der Erstkläger, den kein Vorwurf eigenen Verschuldens trifft, hat daher für die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Zweitklägerin nicht einzustehen.

Der Auffassung des Erstklägers in seiner Revision, sein Interesse als Miteigentümer der versicherten Sache beschränke sich nicht auf seinen Miteigentumsanteil, sondern erstrecke sich auf die ganze Sache, so daß die Beklagte die gesamten Reparaturkosten zu decken habe, kann nicht beigetreten werden. Abgesehen davon, daß das versicherte Eigentümerinteresse des Erstklägers durch die Größe seines Miteigentumsanteils beschränkt ist, ist dem Erstkläger auch entgegenzuhalten, daß die Rollenspaltung und die Versicherung mehrerer Interessen weder zu einem Vorteil noch zu einem Nachteil des Versicherers führen darf (Ehrenzweig, Deutsches [österreichisches] Versicherungsvertragsrecht 34, 154f, 216f). Ein unzumutbarer Nachteil für den Versicherer würde aber darin liegen, wenn er trotz der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch einen einzelnen Versicherungsnehmer (Miteigentümer der versicherten Sache) den übrigen Miteigentümern den gesamten Schaden ersetzen müßte.

Sowohl Teilurteil als auch Aufhebungsbeschluß waren daher zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 52 Abs 1 ZPO. Als Bemessungsgrundlage kommt allerdings nur die Teilabweisung hinsichtlich des Erstklägers von S 35.475,-- in Frage. Die Beklagte hat, da eine Rekursbeantwortung nicht erstattet wurde, die Kosten ihres erfolglosen Rekurses gemäß §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO selbst zu tragen.

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