OGH 7Ob236/09w

OGH7Ob236/09w3.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. M***** U*****, vertreten durch Sauerzopf und Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Juni 2009, GZ 4 R 92/09t-22, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 5. Februar 2009, GZ 13 Cg 163/06g-16, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.255,94 EUR (darin 375,99 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsmittelwerber macht nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, weshalb der Rekurs trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0102059):

Die Geltendmachung zumindest einer erheblichen Rechtsfrage ist nämlich auch dann entscheidend, wenn die zweite Instanz die Revision, den Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss oder den Revisionsrekurs an sich zutreffend zuließ, der Rechtsmittelwerber dann jedoch nur Gründe geltend macht, deren Erledigung keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft; solche Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof sind also nur dann zulässig, wenn darin Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung konkret releviert werden (10 ObS 20/09b mwN; 8 Ob 62/09i mwN; 1 Ob 51/09w uva; RIS-Justiz RS0048272; RS0102059; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 11 mwN).

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt, weil zu der (vom Erstgericht bejahten, in zweiter Instanz hingegen verneinten) Frage der Zulässigkeit der ordentlichen Kündigung einer fondsgebundenen Lebensversicherung durch den Versicherer höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Wie bereits die Rekursbeantwortung zutreffend aufzeigt, wird die vom Berufungsgericht als erheblich relevierte Rechtsfrage im Rekurs des Klägers jedoch inhaltlich nicht angesprochen.

Das Rechtsmittel führt dazu lediglich aus, der Begründung des Berufungsgerichts, wonach entgegen der Ansicht des Erstgerichts eine ordentliche Kündigung nicht möglich ist, sei „vollinhaltlich zuzustimmen“ und setzt sich mit anderen Fragen auseinander: Der Kläger beruft sich auf Entscheidungsreife (Punkt 2. des Rekurses), einen Verstoß des Art 8 Abs 2 AVB gegen das Transparenzgebot (Punkt 3. des Rekurses) und ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten, auf das sich die Anfechtung der Beklagten nicht bezogen habe (Punkt 4. des Rekurses).

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass das Berufungsgericht die erstgerichtliche Klagsstattgebung als Teilurteil bestätigt hat, weil es davon ausging, dass die vom Erstgericht verneinte Irrtums- und Arglistanfechtung des Versicherungsvertrags in der Berufung der Beklagten gegen den klagstattgebenden Teil des Ersturteils (betreffend die Feststellung der Haftung der Beklagten für Nachteile aus der Verweigerung der Annahme weiterer Zuzahlungen, wofür die erfolgreiche Anfechtung des Vertrags eine Vorfrage bilde) nicht aufgegriffen worden sei, sodass diese Frage nicht mehr behandelt zu werden brauche. Aufgehoben wurde hingegen der klageabweisende Teil des Ersturteils (betreffend die Feststellung des Weiterbestehens der Lebensversicherung und die Unwirksamkeit der Aufkündigung [in eventu der Haftung für daraus entstehende Nachteile] sowie der Verpflichtungen der Beklagten aus den „Switch-Aufträgen“ [in eventu der Haftung für aus ihrer Nichtdurchführung entstehende Nachteile]), mit der Begründung, dass das Verfahren in diesem Zusammenhang noch ergänzungsbedürftig sei.

Die vom Rechtsmittelwerber insoweit in Frage gestellte Prüfung der Anwendbarkeit des § 870 ABGB - für die es (wie auch für die Auslegung von Prozessvorbringen) maßgeblich auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankommt (zur „List“ 6 Ob 7/06g = SZ 2006/22) - wurde von den Vorinstanzen jedoch vertretbar für erforderlich erachtet, weil die Auffassung, die Beklagte werfe dem Kläger auch Täuschung vor, nicht zu beanstanden ist (vgl Seite 17 in ON 2 = Punkt 6.8 der Klagebeantwortung).

Da die bekämpfte Rechtsansicht den Grundsätzen der vom Berufungsgericht zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung entspricht, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, der vom Berufungsgericht angeordneten Verfahrensergänzung nicht entgegentreten (Kodek in Rechberger³ § 519 ZPO Rz 26 mwN; RIS-Justiz RS0042179). Auf die im Rekurs angesprochene Frage, ob die - vom Berufungsgericht im Einzelnen dargelegte - Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist, ist daher nicht weiter einzugehen (7 Ob 169/07i mwN). Anhand der zu treffenden weiteren Feststellungen wird über die weiteren Feststellungsbegehren (die im angefochtenen Beschluss noch nicht abschließend behandelt wurden) zu entscheiden sein. Daher ist auf die Einwände gegen die Bestimmung des Art 8 Abs 2 AVB noch nicht einzugehen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht; in sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zugelassenen Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nämlich ebenfalls auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a ZPO; Kodek in Rechberger³ § 528a ZPO Rz 1; RIS-Justiz RS0043691; RS0048272; 7 Ob 184/09y).

Auf die Argumente der Rekursbeantwortung zur Zulassungsfrage (gegen die vom Berufungsgericht verneinte, nach Auffassung der Beklagten jedoch gegebene Wirksamkeit der Kündigung der fondsgebundenen Lebensversicherung durch den Versicherer) ist - mangels Erhebung eines eigenen Rekurses seitens der Beklagten - nicht einzugehen (vgl 1 Ob 51/09w), weil die umfassende Prüfung die Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage durch den Rekurswerber voraussetzt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Nach ständiger neuerer Rechtsprechung findet im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit der Rechtsmittel gegen ein Teilurteil und einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt. Da die Beklagte in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen hat, sind ihr die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zweckmäßig zuzusprechen (9 Ob 45/09x; 8 Ob 60/09w; 6 Ob 182/09x; 1 Ob 168/09a; 3 Ob 105/09a; 2 Ob 213/08z; 5 Ob 110/08z; RIS-Justiz RS0123222).

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