Normen
ABGB §1295
ABGB §1302
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §6 (1)
KFG §85 (6)
ABGB §1295
ABGB §1302
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §6 (1)
KFG §85 (6)
Spruch:
Demjenigen, der im Außenverhältnis für die schuldhafte Schadenszufügung eines Dritten haftet, kann im Innenverhältnis von diesem Dritten nicht ein Auswahlverschulden entgegengehalten werden. Haftung für Schwarzfahrt, wenn das Auto unter Verwendung seiner motorischen Kraft als Fortbewegungsmittel - wenn auch nur für eine kurze Strecke - dienstbar gemacht wurde.
Entscheidung vom 27. Oktober 1965, 7 Ob 232/65.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Walter P., der mit seinem PKW. bei der Klägerin gegen Haftpflicht versichert ist, stellte diesen Personenkraftwagen, in dessen Fond seine Schwester, die Erstbeklagte, deren Ehegatte und der Zweitbeklagte Roger G. (Schwager P.s) saßen, auf dem Südtiroler Platz in Innsbruck ab, legte den Rückwärtsgang ein und entfernte sich für kurze Zeit, ohne vorher den Zundschlüssel des Kraftwagens abzuziehen. Während seiner Abwesenheit nahm die des Fahrens unkundige Erstbeklagte auf dem Führersitz Platz und betätigte Kupplung und Gashebel. Der Zweitbeklagte setzte daraufhin durch Drehen des Zundschlüssels den Motor in Gang. Da die Erstbeklagte den Gashebel niedertrat und das Kupplungspedal losließ, setzte sich der Kraftwagen nach rückwärts in Bewegung und fuhr auf zwei in der Nähe parkende Lohnfahrzeuge auf, die dadurch beschädigt wurden. Die Klägerin gewährte Walter P. als Fahrzeughalter Versicherungsschutz und ersetzte den an den Lohnfahrzeugen entstandenen Schaden.
Die Klägerin begehrt von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand Zahlung von 17.687.60 S samt Anhang mit der Behauptung, sie habe den durch das schuldhafte Verhalten der Beklagten entstandenen Schaden in dieser Höhe liquidiert. Der Regreßanspruch des Walter P. sei gemäß § 67 VersVG. auf sie übergegangen.
Der Zweitbeklagte wendete ein 50%iges Mitverschulden des Walter P. ein, da dieser durch das Steckenlassen des Zundschlüssels die Inbetriebnahme des Fahrzeuges ermöglicht habe.
Der Erstrichter verurteilte beide Beklagte, der Klägerin je 5895.87 S samt Anhang zu bezahlen und wies das Mehrbegehren ab. Er stellte fest, daß die Beklagten wegen unbefugter Inbetriebnahme eines Personenkraftwagens, Walter P. wegen Nichtabziehens des Zundschlüssels, der Übertretung nach § 432/StG. schuldig erkannt worden seien. An diese verurteilenden Erkenntnisse des Strafgerichtes sei das Zivilgericht gebunden. Der gegenständliche Regreßanspruch ähnle einem Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB. Die Klägerin könne daher gemäß § 896 ABGB. von den Beklagten lediglich anteilsmäßigen Ersatz begehren. Walter P. und die beiden Beklagten seien im gleichen Maß für den eingetretenen Schaden verantwortlich. Die Klägerin könne von den Beklagten daher nur je ein Drittel ihrer der Höhe nach außer Streit gestellten Leistungen rückersetzt verlangen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß beide Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig seien, der Klägerin den eingeklagten Betrag zu ersetzen. Die Solidarhaftung der Beklagten sei schon deswegen zu bejahen, weil die Beklagten die Klagsforderung dem Gründe nach zu 50% anerkannt hätten; darin liege auch ein Anerkenntnis der Solidarhaftung. Überdies haften die Beklagten auch als Schwarzfahrer solidarisch, ohne Rücksicht auf die Art ihrer Mitwirkung an der unbefugten Benützung des Fahrzeuges. Eine Schadensteilung zwischen den Beklagten einerseits und Walter P. andererseits (weil dieser die unbefugte Benützung des Fahrzeuges durch dessen mangelhafte Sicherung ermöglicht habe) finde nicht statt. Die gegen Walter P. rechtskräftig erlassene Strafverfügung ändere daran nichts. Die Bindung des Zivilrichters erstrecke sich ausschließlich auf die der strafgerichtlichen Beurteilung zugrundeliegenden Tatsachen, nicht aber auf die rechtliche Beurteilung des Falles. Der Zivilrichter sei daher nicht an die in der Strafverfügung enthaltene Feststellung gebunden, daß Walter P. durch Nichtabziehen des Zundschlüssels den Zusammenstoß verschuldet habe. Selbst wenn aber ein Verschulden des Walter P. an dem Unfall angenommen werden sollte, sei dieses im Verhältnis zu jenem der beiden Beklagten derart gering, daß es unberücksichtigt zu bleiben habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Zweitbeklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Schwerpunkt der Revision liegt in der Bekämpfung der Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes.
Der Zweitbeklagte wendet sich vorerst dagegen, daß das Berufungsgericht aus formellen und aus materiellen Erwägungen seine Solidarhaftung mit der Erstbeklagten bejaht habe.
Der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Solidarhaftung der Beklagten ergebe sich schon aus deren Prozeßvorbringen, kann allerdings nicht gefolgt werden. Es ist nämlich unrichtig, daß der Zweitbeklagte die Forderung der Klägerin zu 50% anerkannt hat. Er hat vielmehr in der Klagebeantwortung (ON. 10) das Klagebegehren dem Gründe und der Höhe nach zur Gänze bestritten und unter anderem ein mindestens 50%iges Mitverschulden des Walter P. eingewendet. Aus seinen in der Klagebeantwortung enthaltenen Prozeßerklärungen kann sohin nicht auf ein Anerkenntnis der Solidarhaftung geschlossen werden. Auch in der Anerkennung des Klagsanspruches der Höhe nach in der Tagsatzung vom 22. Oktober 1964 ist kein Zugeständnis seiner solidarischen Verpflichtung gelegen. Daß die Erstbeklagte in dieser Tagsatzung "ebenso wie der Zweitbeklagte bereits in der Klagebeantwortung" die Klagsforderung dem Gründe nach zu 50% anerkannt hat, ist für den Zweitbeklagten ohne jede Bedeutung geblieben. Das Protokoll läßt nicht erkennen, daß der Zweitbeklagte eine von seinem Vorbringen in der Klagebeantwortung abweichende Prozeßerklärung abgegeben hat.
Das Berufungsgericht hat jedoch aus materiellrechtlichen Gründen die Solidarhaftung beider Beklagten zutreffend bejaht.
Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Beklagten anläßlich einer Schwarzfahrt den Schaden herbeigeführt haben, ist unbedenklich; sie haben in gemeinsamem Zusammenwirken unbefugt über das Fahrzeug des Walter P. zur Zeit des Unfalles derart verfügt, wie sonst dieser als Fahrzeughalter verfügen konnte, da sie sich das Auto unter Verwendung seiner motorischen Kraft als Fortbewegungsmittel - wenn auch nur für eine kurze Strecke - dienstbar gemacht haben. Nach der bereits vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung haften Schwarzfahrer für den anläßlich der Schwarzfahrt verursachten Schaden zur ungeteilten Hand. Es ist hiebei nicht entscheidend, ob es sich um einen Schaden handelt, der an dem Fahrzeug entstanden ist, mit dem die Schwarzfahrt durchgeführt wurde, oder der an einem anderen Objekt, wie im vorliegenden Fall an den Lohnfahrzeugen, verursacht wurde.
Es ist dem Zweitbeklagten zwar darin beizustimmen, daß einer von mehreren Schwarzfahrern, der den Schaden ersetzt hat, im Innenverhältnis gemäß § 896 ABGB. von den übrigen Mittätern nur einen aliquoten Teil des von ihm vergüteten Schadens ersetzt verlangen kann. Daraus ist aber für den Standpunkt des Zweitbeklagten nichts zu gewinnen, da Walter P. als Halter und Eigentümer des am Unfall beteiligten Fahrzeuges dieses nicht unbefugt benützen und daher auch nicht Mittäter an einer Schwarzfahrt sein konnte. Es kann daher daraus, daß Walter P. den Schlüssel stecken ließ, als er sich für kurze Zeit von seinem Kraftwagen entfernte, nicht seine Mittäterschaft als Schwarzfahrer abgeleitet werden.
Es ergibt sich daraus aber auch nicht ein die Ersatzpflicht der Beklagten verringerndes Mitverschulden des Walter P. Dieser wurde zwar durch Strafverfügung der Übertretung nach § 431 StG. schuldig erkannt weil er durch Nichtabziehen des Zundschlüssels fahrlässig einen Zusammenstoß mit den Lohnautos des Dr Josef H. und des Karl St. verschuldet habe. Diesem verurteilenden Erkenntnis des Strafrichters kommt nach § 268 ZPO. eine den Zivilrichter bindende Wirkung insoweit zu, als die strafbare Handlung im Sinne des § 431 StG. erwiesen und dem Walter P. zuzurechnen ist und als ein Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und dem zugefügten Schaden besteht (SZ. XXIV 307 u. a.). Es ist dem Zivilrichter versagt, die Richtigkeit des verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisses in dieser Hinsicht zu überprüfen. Aus diesem Grund erübrigt es sich, dazu Stellung zu nehmen, ob es auch ohne das Verhalten P.s zum Unfall gekommen wäre oder ob ein Rechtswidrigkeitszusammenhang im Sinne des § 1311 ABGB. zwischen dem Steckenlassen des Schlüssels (Zuwiderhandeln des Walter P. gegen die Schutzvorschrift des § 85 (6) KfG. 1955) und der unbefugten Benützung des Fahrzeuges durch die Beklagten besteht; der Kausalzusammenhang zwischen dem Steckenlassen des Zundschlüssels und dem Unfall steht auf Grund der vom Strafrichter erlassenen Strafverfügung fest.
Dennoch ist aber eine Haftung des Walter P. im Innenverhältnis zu verneinen.
Wie bereits ausgeführt, stützt der Zweitbeklagte seine Einwendung des Mitverschuldens darauf, daß Walter P. die erforderliche Sicherung des Fahrzeuges unterlassen und es dadurch ermöglicht habe, daß beide Beklagten sein Fahrzeug in Betrieb nehmen konnten. Er macht P. daher den Vorwurf, daß er ihm und der Erstbeklagten nicht hätte vertrauen dürfen, daß ihn sohin ein Verschulden in der Auswahl jener Personen treffe, in deren Obhut er sein Kraftfahrzeug zurückgelassen habe. Es ist in diesem Zusammenhang rechtlich ohne Belang, ob P. den im Auto zurückgebliebenen Personen einen formellen Auftrag gab und ihnen ausdrücklich das Fahrzeug in Obsorge übertrug, da schon darin, daß P. erwachsene, mit ihm teils verwandte, teils verschwägerte Personen im Auto zurückließ, die stillschweigende Aufforderung enthalten ist, während seiner Abwesenheit seine Interessen in bezug auf das Auto zu wahren.
Die Frage, ob für Auswahlverschulden im Innenverhältnis gehaftet wird, falls der Ausgewählte schadenersatzpflichtig ist, wird von der Rechtslehre verneint. Derjenige, der für den durch eine fremde widerrechtliche Handlung verursachten Schaden Ersatz leisten mußte, hat den Rückersatz gegen den Schuldtragenden; dies ist eine natürliche Folge der im § 1295 ABGB. enthaltenen Regel (Stubenrauch[8] II 670). Wer nur für Dritte (§ 1313a ABGB) oder für Auswahlverschulden haftet, hat im internen Verhältnis keine Ersatzpflicht zu tragen (Wolff im Klang-Kommentar[2] I 57). Im gleichen Sinn führt Ehrenzweig[2] II 1692) aus, daß dem Geschäftsherrn, den kein eigenes Verschulden oder bloß ein Verschulden in der Auswahl oder in der Beaufsichtigung eines Angestellten trifft, ein Rückgriffsrecht gegen diesen zusteht, soweit dieser selbst schadenersatzpflichtig ist. Der Oberste Gerichtshof schließt sich diesen Rechtsausführungen an.
Daraus folgt aber, daß es zwar richtig ist, daß P. den Beklagten nicht hätte vertrauen dürfen, sie würden das Fahrzeug trotz des steckengelassenen Schlüssels nicht unbefugt in Betrieb nehmen, daß ihm aber sein Auswahlverschulden von den Beklagten, die sein Vertrauen mißbraucht haben, nicht als Mitverschulden angelastet werden kann. Der Oberste Gerichtshof billigt daher im Ergebnis die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß Walter P. im Innenverhältnis keine Verpflichtung trifft, auch nur teilweise für den von den Beklagten verschuldeten Schaden aufzukommen, daß die Beklagten vielmehr allein und solidarisch Walter P. den Schaden, der von der Klägerin auf Grund des Versicherungsvertrages vergütet wurde, zu ersetzen habe. Dieser Ersatzanspruch Walter P.s ist gemäß § 67 VersVG. auf die Klägerin übergegangen.
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