OGH 7Ob230/07k

OGH7Ob230/07k16.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Max E*****, vertreten durch Dr. Wolf Günter Auer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei A*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Egger & Musey Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 47.990,78 sA, über die Revision des Klägers (Revisionsinteresse EUR 14.613,79) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 14. Juni 2007, GZ 2 R 71/07i-49, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13. Februar 2007, GZ 50 Cg 43/05d-45, infolge Berufung des Klägers bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 875,34 (darin enthalten EUR 145,89 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer eines aus mehreren Gebäuden bestehenden bäuerlichen Anwesens. Am 20. 7. 2004 brach nachts im Dachboden eines landwirtschaftlich genutzten Nebengebäudes ein Brand aus, der das Gebäude teilweise zerstörte. Der Bauernhof war samt Inventar bei der Beklagten im Rahmen einer Bündelversicherung auch gegen Feuer versichert. Dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten lagen unter anderem die „Besonderen Bedingungen Nr. 2550 Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Landwirtschaften" zugrunde, deren Punkt IV Abs 1 wie folgt lautet:

„Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung* übersteigenden Teiles der Entschädigung nur insoweit, als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung* und den Fremdleistungen**, welche der Versicherungsnehmer aus Anlass des Schadenfalles erhält, den Wiederherstellungsaufwand nicht übersteigt, und in dem Umfange, in dem die bestimmungsgemäße Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert ist.

* Das ist gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen bei Gebäuden die Entschädigung nach dem Zeitwert, höchstens aber nach dem Verkehrswert (bei Teilschaden nach dessen anteiligem Verkehrswert), bei dessen Ermittlung der Wert des Grundstückes außer Ansatz bleibt; bei Maschinen und Einrichtungen die Entschädigung nach dem Zeitwert. ** Als Fremdleistungen gelten: Leistungen eines Selbsthilfevereines oder einer ähnlichen Vereinigung, einer Genossenschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechtes; der Versicherungsnehmer hat bei der Entschädigungsermittlung sämtliche Leistungen dieser Art dem Versicherer schriftlich anzuzeigen."

Die Beklagte weigerte sich unter Hinweis auf diese Klausel, dem Kläger mehr zu ersetzen, als dieser für den Wiederaufbau tatsächlich aufgewendet hat. Insgesamt überwies sie dem Kläger aus Anlass des Versicherungsfalles (zur Abgeltung auch der übrigen Sachschäden, eines ebenfalls versicherten Betriebsunterbrechungsschadens, von Entsorgungskosten usw) unter Berücksichtigung des nach dem Verhältnis der Versicherungssummen auf zwei andere Feuerversicherer entfallenden Anteiles EUR 89.391,58.

Der Kläger machte mit der Klage eine weitere Forderung von EUR 47.990,78 sA geltend.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 28.624,19 sA und wies das Mehrbegehren ab. Nach dem „strengen Text" der Klausel IV komme es darauf an, in welchem Umfang der Wiederherstellungsaufwand die Entschädigung verbraucht habe; maßgebend sei demnach der tatsächliche Aufwand, weshalb der Versicherer einen Abzug vornehmen könne, wenn die Wiederbeschaffung weniger gekostet habe. Es sei daher von tatsächlichen Kosten für die Behebung des Gebäudeschadens inklusive aller Nebenkosten von EUR 95.605,12 auszugehen, von dem auf die Beklagte entsprechend dem Verhältnis der Versicherungssummen ein Anteil von EUR 83.540,-- entfalle. Unter Berücksichtigung diverser weiterer Schäden, eines Betrages von EUR 11.500,-- aus der Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung, kapitalisierter Zinsen sowie EUR 4.000,-- an Beratungskosten errechne sich die zu Recht bestehende Klagsforderung mit dem zugesprochenen Betrag. Das nur vom Kläger hinsichtlich der Abweisung von EUR 14.613,79 angerufene Berufungsgericht billigte die Rechtsansichten des Erstgerichtes und bestätigte dessen Entscheidung. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 7 Ob 262/05p den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Ersatz der Wiederbeschaffungskosten in der Höhe des Neuwertes bejaht, obwohl der Versicherungsnehmer nur einen geringeren Betrag dafür aufgewendet habe. Dies sei nicht mit der Wortfolge der entsprechenden Klausel der Versicherungsbedingungen, sondern damit begründet worden, dass bessere Gründe dafür sprächen, einen besonders günstigen Einkauf oder einen besonders preisgünstigen Wiederaufbau dem Versicherungsnehmer zugute kommen zu lassen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Oberste Gerichtshof auch zum vorliegenden Sachverhalt die Ansicht vertreten könnte, die Verminderung des Aufwandes durch umfangreiche Eigenleistungen des Klägers und seiner Helfer solle nicht der Beklagten als Versicherer zugute kommen, sondern dem Kläger als Versicherungsnehmer. Da Wiederherstellungsklauseln sehr häufig Bestandteil von Versicherungsverträgen seien, liege eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vor.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die vom Kläger gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Im Revisionsverfahren ist allein die Frage strittig, ob die Beklagte dem Kläger auch seine „Eigenleistungen" nach Professionistenpreisen zu entschädigen hat, oder ob ihm nur sein - von den Vorinstanzen entsprechend den Ausführungen des beigezogenen gerichtlich beeideten Sachverständigen um EUR 14.613,79 niedriger festgestellter - tatsächlicher Aufwand zu ersetzen ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Auslegung der Klausel IV der Sonderbedingungen ab. Deren Interpretation durch die Vorinstanzen folgt (ausdrücklich) der Entscheidung 7 Ob 28/92, VR 1993, 273/309. Dort hat der Oberste Gerichtshof zu einer im Wesentlichen wortgleichen Klausel (es fehlten lediglich der Passus „und den Fremdleisungen, welche der Versicherungsnehmer aus Anlass des Schadenfalles erhält" sowie die mit * und ** bezeichneten Fußnoten) unter Hinweis auf (deutsches) Schrifttum ausgesprochen, dass es nach dem strengen Text dieser Bestimmung darauf ankomme, in welchem Umfang der Wiederherstellungsaufwand die Entschädigung verbrauche; maßgebend sei der tatsächliche Aufwand. Der Versicherer könne einen Abzug vornehmen, wenn die Wiederbeschaffung weniger gekostet habe (RIS-Justiz RS0081820).

Schon zuvor hatte der Oberste Gerichtshof dieselbe „strenge" Verwendungsklausel in der Entscheidung 7 Ob 7/84, VersR 1985, 1152, ebenfalls dahin interpretiert, dass im Umfang von dem feuerversicherten Geschädigten durch einen „Selbsthilfeverein nach Brandfällen" erbrachten Leistungen (wodurch sich der Geschädigte einen Aufwand ersparte und sich sein tatsächlicher Aufwand also verringerte) keine Versicherungsleistungen zustünden. Da diese beiden Entscheidungen ausführlich begründet und veröffentlicht wurden, und im Schrifttum auf keine Kritik gestoßen sind, liegt eine gefestigte Rechtsprechung vor, die nach ständiger Judikatur auch schon bei Vorliegen nur einer Entscheidung, die diese Kriterien erfüllt, anzunehmen ist (RIS-Justiz RS0103384). Unter diesen Umständen stellt sich keine erhebliche Rechtsfrage, sofern nicht der Rechtsmittelwerber mit neuen Argumenten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung wecken kann (3 Ob 59/06g unter Hinweis auf Zechner in Fasching/Konecny2 § 502 ZPO Rz 29 mwN). Dies vermag der Revisionswerber hier nicht: Seine Ausführungen, wonach das Berufungsgericht den Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung im Sachversicherungsrecht negiere, setzen sich über den klaren Wortlaut der Klausel hinweg, der - wie etwa auch Martin, Sachversicherungsrecht3 R IV Rn 57 zu einer im Wesentlichen wortgleichen Klausel festhält - „eindeutig" im Sinn der Interpretation des Berufungsgerichtes zu verstehen ist. Der Entscheidung 7 Ob 262/05p, die das Berufungsgericht veranlasst hat, die Zulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen, lag - wie das Berufungsgericht an sich ohnehin erkannt hat - eine insofern nicht vergleichbare Klausel zugrunde, als dort eine Beschränkung auf den konkreten Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungsaufwand nicht vorgesehen war. Diese Entscheidung kann daher keine Bedenken gegen die Auslegung der hier maßgeblichen Versicherungsbedingung durch das Berufungsgericht erwecken, die auch mit den in ständiger Rechtsprechung entwickelten Rechtssätzen zur Auslegung von Versicherungsbedingungen im Einklang steht. Danach sind bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren hat, die einzelnen Klauseln objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen, wobei stets der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS0050063; RS0008901). Wie ebenfalls schon vom Berufungsgericht ausgeführt wurde, ist der Zweck von Wiederherstellungsklauseln darin zu erblicken, dass der Versicherer dadurch die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes sichern und gleichzeitig eine (generell verpönte) Bereicherung des Versicherungsnehmers hintanhalten will (7 Ob 169/03h mwN, 7 Ob 49/06s). Nach Wortlaut, Sinn und Zweck kann die Versicherungsklausel nicht anders als im Sinn der Interpretation des Berufungsgerichtes verstanden werden.

Soweit der Kläger die Einschätzung seiner tatsächlichen Kosten als zu niedrig bemängelt, wendet er sich gegen die unanfechtbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen.

Von einer vom Revisionswerber „vorsorglich" noch eingewendeten Aktenwidrigkeit kann, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO), keine Rede sein.

Die Revision ist demnach mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, wobei sich die Begründung der Zurückweisung wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners hingewiesen.

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