OGH 7Ob22/87

OGH7Ob22/874.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gernot K***, kaufmännischer Angestellter, Wien 23., Kalksburger Straße 13, vertreten durch Dr. Hans Gerhard Schreiber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** S*** W***

V***, Wien 1., Ringturm, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 350.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Jänner 1987, GZ 2 R 254/86-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 18. September 1986, GZ 28 Cg 78/86-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 41.781,45 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 10.038,-- Barauslagen und S 2.881,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20. Jänner 1985 hat der Kläger in Brunn am Gebirge bei Schießübungen in der Felsenkeller-Schießhalle (einem behördlich genehmigten Schießstand) durch unsachgemäßes Hantieren seiner Pistole Marke Steyr-Pieper, wodurch sich ein Schuß löste, den Johann S*** schwer verletzt. Der Kläger wurde deswegen mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. August 1985 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Der Verletzte macht Schadenersatzansprüche gegen den Kläger geltend. Der Kläger war nicht im Besitz eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte. Er hatte die Pistole samt Munition vor etwa 8 Jahren im Wiener Prater gekauft.

Der Kläger hat mit der beklagten Partei eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, die auch eine Haftpflichtversicherung umfaßt und der die Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH), Fassung 1980 (im folgenden nur ABH) zugrunde liegen. Nach Art. 17 Abs. 1 der ABH erstreckt sich der Versicherungsschutz aus der Haftpflichtversicherung auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson unter anderem aus der nicht berufsmäßigen Sportausübung, ausgenommen die Jagd (lit. e) und aus dem erlaubten Besitz von Hieb-, Stich- und Schußwaffen und deren Verwendung als Sportgerät und für Zwecke der Selbstverteidigung (lit. f). Art. 22

Abs. 2 des ABH bestimmt als Obliegenheit des Versicherungsnehmers im Sinne des § 6 Abs. 3 VersVG, den Versicherer umfassend und unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche ab Kenntnis des Versicherungsfalles zu informieren.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei für das obgenannte Schadensereignis. Nach dem Standpunkt der beklagten Partei falle die Verwendung der Pistole nicht unter das versicherte Risiko. Der Kläger habe die Pistole nur ausprobieren wollen und sie daher nicht als Sportgerät verwendet. Er habe weder einen Waffenpaß noch eine Waffenbesitzkarte gehabt. Sein Besitz der Pistole sei daher unerlaubt gewesen. Die beklagte Partei machte überdies Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Obliegenheit nach Art. 22 Abs. 2 ABH geltend.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen suchten der Kläger, Michael G***, Karl S*** und Herbert H*** die Schießhalle auf, um dort zu schießen. Michael G*** und Herbert H*** sind Inhaber einer Waffenbesitzkarte. Vom Geschäftsführer der Schießhalle wurde dem Michael G*** der Stand 3 und dem Herbert H*** der Stand 5 zugewiesen. Dem Gechäftsführer wurde mitgeteilt, daß auch der Kläger und Karl S*** am Stand des Michael G*** mit dessen Waffe zu schießen beabsichtigen. Herbert H*** wollte sein gutes Trefferergebnis dem Michael G*** zeigen. Als dieser und Karl S*** zu Herbert H*** gingen, nahm der Kläger seine Pistole aus seiner Hosentasche, um damit Richtung Schießscheibe zu schießen. Da sich kein Schuß löste - die Pistole wies verschiedene Mängel auf - nahm er den Zeigefinger vom Zügel und schwenkte die Waffe nach links. Hiebei löste sich ein Schuß, der Johann S*** traf. Der Kläger verheimlichte zunächst, daß er geschossen hat. Er gab auch bei seiner Einvernahme durch die Gendarmerie nicht an, daß er Johann S*** verletzt hat. Erst als aufgrund der weiteren Erhebungen, insbesondere der Schußentfernungsbestimmungen der Tatverdacht auf den Kläger fiel, gab er zu, geschossen zu haben. Im Feber 1985 nahm der Kläger zu seinem rechtsfreundlichen Vertreter Kontakt auf. Erst hiebei erfuhr er, daß ein derartiger Schaden durch die Haushaltsversicherung gedeckt sei. Daraufhin erstattete der Kläger die Schadensmeldung Beilage 2.

Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß das Ereignis jedenfalls vom Versicherungsschutz nach Art. 17 Abs. 1 lit. e ABH umfaßt sei, da es im Verlaufe einer nicht berufsmäßigen Sportausübung eingetreten sei. Die beklagte Partei sei jedoch wegen vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach Art. 22 Abs. 1 und 2 ABH durch den Kläger leistungsfrei.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes falle das Schadenereignis unter das in Art. 17 Abs. 1 lit. f genannte Risiko. Diese Risikoumschreibung sei gegenüber der in lit. e die speziellere, auf die Sportausübung mit Hieb-, Stich- und Schußwaffen abgestellte Bestimmung. Dem Kläger sei zwar nach § 16 WaffenG der Besitz und das Führen einer Faustfeuerwaffe nicht erlaubt gewesen. Er habe jedoch die Waffe auf einem behördlich genehmigten Schießstand benützt, weshalb gemäß § 15 Abs. 1 WaffenG die Bestimmungen über das Überlassen, den Besitz und das Führen von Schußwaffen nicht anzuwenden seien. Der Kläger sei daher als erlaubter Besitzer der Faustfeuerwaffe anzusehen und habe diese auch als Sportgerät verwendet. Das Berufungsgericht verneinte eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung durch den Kläger. Sei einem Versicherungsnehmer, wie im vorliegenden Fall, gar nicht bekannt, daß eine das Haftpflichtrisiko deckende Versicherung bestehe, scheide Vorsatz jedenfalls aus. Mangels Vorsatzes sei dann davon auszugehen, daß die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf den Umfang der der beklagten Partei obliegenden Leistungen einen Einfluß gehabt habe, sodaß die beklagte Partei selbst bei Annahme grober Fahrlässigkeit auf Seiten des Klägers zur Versicherungsleistung verpflichtet sei. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach Art. 17 Abs. 1 der ABH erstreckt sich der Versicherungsschutz auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson unter anderem aus der nicht berufsmäßigen Sportausübung, ausgenommen die Jagd (lit. e) und aus dem erlaubten Besitz von Hieb-, Stich- und Schußwaffen sowie aus deren Verwendung als Sportgerät und für Zwecke der Selbstverteidigung (lit. f). Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, daß Schadenersatzverpflichtungen aus der Verwendung einer Schußwaffe als Sportgerät wegen der besonderen Umschreibung dieses speziellen Risikos nicht schon nach lit. e des Art. 17 Abs. 1 der ABH unter den Versicherungsschutz fallen. Der Versicherungsschutz aus der Verwendung einer Schußwaffe als Sportgerät nach Art. 17 Abs. 1 lit. f der ABH ist jedoch, wie sich aus dem Wort "deren" klar ergibt, an die Voraussetzung geknüpft, daß der Besitz der Waffe durch den Versicherungsnehmer erlaubt ist. Letzteres ist im öffentlich-rechtlichen Sinn zu verstehen, nicht etwa im Sinne der Ermächtigung durch den allfälligen Eigentümer (Achatz ua, AHVB 1986, 199), und daher im vorliegenden Fall nach den Bestimmungen des Waffengesetzes zu beurteilen. Nach § 16 Abs. 1 des Waffengesetzes ist der Erwerb, der Besitz und das Führen von Faustfeuerwaffen nur aufgrund einer behördlichen Erlaubnis zulässig. Die Erlaubnis zum Erwerb, Besitz und zum Führen einer Faustfeuerwaffe wird von der Behörde durch die Ausstellung eines Waffenpasses, die Erlaubnis lediglich zum Erwerb und zum Besitz durch Ausstellung eines Waffenbesitzscheines erteilt. Die vom Gesetz an den Erwerb, den Besitz und das Führen von Faustfeuerwaffen gestellten strengen Anforderungen beruhen auf der besonderen Eignung dieser Waffen zu mißbräuchlicher Verwendung und auf ihren besonderen Gefährlichkeitsgrad (99 BlgNr. 11.GP 13 f). Sie entsprechen dem dem Waffengesetz zugrunde liegenden Zweck, dem Mißbrauch und der leichtfertigen Verwendung von Waffen in wirksamer Weise vorzubeugen. Wie schon das Berufungsgericht richtig hervorgehoben hat, gelten gemäß § 15 Abs. 1 WaffenG die Bestimmungen über den Besitz und das Führen von Schußwaffen nicht für die Benützung solcher Waffen auf behördlich genehmigten Schießständen. Diese Ausnahmeregelung stellt eine Begünstigung des Schießsportes dar und beruht ersichtlich auf der Erwägung, daß der Betrieb von Schießständen ohnedies einer Kontrolle unterliegt und daher keine Notwendigkeit besteht, demjenigen, der sich auf einem behördlich genehmigten Schießstand eine Schießwaffe zur Benützung lediglich daselbst geben läßt, eine Verpflichtung zur Beschaffung einer behördlichen Genehmigung aufzuerlegen (vgl. Czeppan-Szirba, Waffengesetz 111). Es war aber nicht der Sinn der Ausnahmeregelung, eine Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen über den Besitz und das Führen von Faustfeuerwaffen zu ermöglichen. Entsprechend der Zielsetzung des Waffengesetzes überhaupt und dem besonderen Zweck der Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 1 WaffenG ist daher diese Ausnahmebestimmung dahin zu reduzieren, daß sie nicht für die Benützung von Waffen gilt, die der Benützer selbst mitgebracht hat. Die Zulässigkeit des Besitzes und des Führens einer solchen Faustfeuerwaffe auf behördlich genehmigten Schießständen richtet sich daher nach § 16 WaffenG. Da der Kläger die von ihm benützte Waffe selbst mitgebracht hat und ihm ein Waffenpaß oder eine Waffenbesitzkarte von der Behörde nicht erteilt worden war, war sein Besitz der Pistole auch im Zeitpunkt der Verwendung auf dem behördlich genehmigten Schießstand nicht erlaubt. Schadenersatzansprüche gegen ihn aus der Verwendung dieser Pistole fallen daher gemäß § 17 Abs. 1 lit. f der ABH nicht unter das versicherte Risiko.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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