Normen
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Art1 Abs2
Versichernngsvertragsgesetz §6
Versichernngsvertragsgesetz §12 Abs3
Versichernngsvertragsgesetz §23
Versichernngsvertragsgesetz §25
Versichernngsvertragsgesetz §26
Versichernngsvertragsgesetz §61
Versichernngsvertragsgesetz §78
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Art1 Abs2
Versichernngsvertragsgesetz §6
Versichernngsvertragsgesetz §12 Abs3
Versichernngsvertragsgesetz §23
Versichernngsvertragsgesetz §25
Versichernngsvertragsgesetz §26
Versichernngsvertragsgesetz §61
Versichernngsvertragsgesetz §78
Spruch:
Trotz Aufforderung zur Deckungsklage wird der Versicherer hinsichtlich aller während der Klagsfrist erbrachten Leistungen nur nach Maßgabe der materiellen Rechtslage leistungsfrei
Obliegenheitsverletzungen eines Mitversicherten wirken nicht gegen den Versicherungsnehmer
Keine Haftung für Dritte wenigstens bei risikobezogenen vertraglichen Sorgfaltspflichten
OGH 7. Juni 1979, 7 Ob 22/79 (OLG Wien 17 R 2041/78; LGZ Wien 23 Cg 776/77)
Text
Der klagende Haftpflichtversicherer macht gegen die beklagte Versicherungsnehmerin Regreßansprüche nach § 158 f. VersVG. mit der Begründung geltend, sie habe das versicherte Fahrzeug an Helmut D überlassen, obwohl sie gewußt habe oder wissen habe müssen, daß er, der dann den Unfall verschuldete, keinen Führerschein besitze. Die Beklagte habe überdies trotz Aufforderung gemäß § 12 Abs. 3 VersVG nicht rechtzeitig auf Deckung geklagt.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen hatte die Beklagte ihren PKW ihrem geschiedenen Gatten Josef B zur Benützung überlassen. Dieser gestattete Helmut D die Benützung des Fahrzeugs, ohne sich davon zu überzeugen, ob letzterer eine Lenkerberechtigung besitze. Am 17. Mai 1977 forderte die Klägerin die Beklagte gemäß § 12 Abs. 3 VersVG zur Einbringung der Deckungsklage auf. Sie leistete dem geschädigten Dritten zwischen dem 20. Mai 1977 und dem 3. August 1977 Schadenersatz in der Höhe des Klagsbetrages. Nach der Rechtsansicht des Erstrichters ist die Klägerin aus dem Gründe des § 12 Abs. 3 VersVG leistungsfrei.
Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Beklagten das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat auf der Grundlage der dargestellten, insoweit nicht bekämpften Feststellungen des Erstrichters die Rechtsansicht, daß der Klägerin die Bestimmung des § 12 Abs. 3 VersVG für die innerhalb der Klagefrist erbrachten Leistungen an geschädigte Dritte nicht zugute komme und daß der Beklagten die Überlassung der Benützung des Fahrzeuges an D nicht zur Last falle, weil sie es bloß ihrem geschiedenen Gatten überlassen und für die schuldhafte Weitergabe des Fahrzeuges durch diesen nicht einzustehen habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Auf die Versäumung der Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VersVG kann sich die Revisionswerberin nach der zutreffenden Beurteilung der zweiten Instanz deshalb nicht berufen, weil alle strittigen Leistungen noch vor Ablauf der Frist erbracht wurden. Ob es deshalb am Rechtsschutzinteresse einer Deckungsklage gefehlt hätte (ZVR 1968/97), - kann dahingestellt bleiben. Der OGH hat nämlich bereits mehrfach erkannt und mit der Lehre belegt, daß der formelle Leistungsfreiheitsgrund der Unterlassung der Klage nach § 12 Abs. 3 VersVG für alle während der Klagefrist erbrachten Leistungen entfällt, weil bis zum Ablauf dieser Frist jede Leistung des Versicherers noch im Rahmen der bestehenden Deckungspflicht stattfindet; der Versicherer wird deshalb in diesem Umfang nur nach Maßgabe der materiellen Rechtslage leistungsfrei (VersR 1975, 1166 = VersRdSch 1976, 88; VersR 1978, 191 u. a.). Der OGH hält an dieser Rechtsansicht fest, gegen die die Revisionswerberin nichts Stichhaltiges vorbringen kann.
Ein materiellrechtlicher Grund für die Leistungsfreiheit der Revisionswerberin könnte, wenn vorläufig von der Frage der Repräsentantenhaftung abgesehen wird, nur in einer eigenen Verletzung der Obliegenheit nach Art. 6 Abs. 2 lit. b AKHB liegen, wonach der Lenker eine Lenkerberechtigung für die Gruppe besitzen muß, in die das Fahrzeug fällt, und die Leistungsfreiheit auch gegenüber dem Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen eintritt, wenn diese nicht ohne Verschulden annehmen konnten, daß der Lenker die Lenkerberechtigung besitzt. Die Revisionswerberin konnte aber ihre Behauptung, daß die Beklagte ihr Kraftfahrzeug an Helmut D mit einer solchen Kenntnis überlassen habe, nicht erweisen. Fest steht vielmehr, daß die Versicherungsnehmerin ihr Kraftfahrzeug bloß an den Ehegatten überließ, von dem nicht einmal behauptet wurde, daß er keine Lenkerberechtigung besaß. Auf die Unterlassung einer notwendigen Anweisung an den Ehegatten, das Fahrzeug dritten Personen nicht zu überlassen, hat die Revisionswerberin ihr Klagebegehren nicht gestützt. Das diesbezügliche Vorbringen der Revision ist deshalb als unzulässige Neuerung unbeachtlich (die zum Nachweis des Gegenteils bezogene Entscheidung ZVR 1971/162 betraf den Fall der Nachholung eines zusätzlichen Klagsvorbringens noch in der ersten Instanz). Nach dem vorgebrachten und festgestellten Sachverhalt kann von einem Eigenverschulden der Beklagten keine Rede sein, weil es ohne besondere Gründe keiner besonderen Anweisung an den Ehegatten bedurfte, das Fahrzeug dritten Personen nicht ohne den Nachweis der vorgeschriebenen Fahrerlaubnis zu überlassen; die Kenntnis dieser Pflicht war im Zweifel vorauszusetzen.
Dahingestellt kann bleiben, ob der Ehemann der Beklagten als Mithalter des Fahrzeuges anzusehen war, sodaß die Versicherung auch für (seine) fremde Rechnung geschlossen worden wäre (Art. 1 Abs. 2 AKHB). Obliegenheitsverletzungen eines Mitversicherten machen nämlich zwar ihm gegenüber leistungsfrei, wirken aber nicht gegen den Versicherungsnehmer (§ 78 VersVG; Bruck - Möller - Sieg, VVG[8] II, 984; vgl. auch Stiefel - Wussow - Hofmann, AKB[10], 272).
Es bleibt daher nur noch die Frage der Repräsentantenhaftung, welche in Österreich mangels gesetzlicher Deckung im Versicherungsrecht abgelehnt wird (Wahle, ZVR 1959, 61 ff., 85 ff.; ZVR. 1961/317 u. v. a., zuletzt EvBl. 1978/69). Die Ausführungen der Revision geben jedoch keinen Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Verfehlt ist zunächst die Meinung der Revisionswerberin, daß der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nur Fälle im Rahmen der Kaskoversicherung zugrunde gelegen seien. Die Frage der Haftung für das Verhalten Dritter stellt sich in jedem Versicherungszweig in gleicher Weise und wurde auch schon für die Kfz-Haftpflichtversicherung entschieden (VersR 1965, 148 u. a.). Auch eine Feststellung, daß Josef B nicht nur als "Hilfsperson" der Beklagten tätig geworden sei, war entbehrlich, weil der OGH in ständiger Rechtsprechung gerade die in der Bundesrepublik Deutschland entwickelte Unterscheidung in Repräsentanten und sonstige Hilfspersonen ablehnt; es ist daher gleichgültig, ob und mit welchen Aufsichtsmaßnahmen die Beklagte ihren Ehemann betraut hatte. Im übrigen untermauert gerade die von der Revisionswerberin zitierte Abhandlung von Jabornegg in VRdSch. 1975, 100 ff., die Ablehnung einer Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter bei der hier in Betracht kommenden Verletzung risikobezogener vertraglicher Sorgfaltspflichten (a. a. O., 120 ff.). Aber auch der Hinweis der Revisionswerberin auf die weiteren Ausführungen Jaborneggs zur Frage einer Haftung des Versicherungsnehmers für den "wahren wirtschaftlich Versicherten" (a. a. O., 125 ff.) ist nicht zielführend. Eine solche Haftung kommt nämlich auch nach Ansicht dieses Autors nur für jene Fälle in Frage, in denen ein Dritter, der weder Versicherungsnehmer noch Versicherter ist, die Versicherungsleistung selbst zumindest mittelbar über den Versicherungsnehmer oder Versicherten beanspruchen könnte, wie etwa ein Vorbehaltskäufer oder der Sicherungsgeber. Ein derart qualifiziertes Interesse des Dritten liegt aber bei der bloßen Überlassung eines haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges zur Benützung selbst auf längere Zeit nicht vor. Immer noch bleibt der Versicherungsnehmer der primäre Interessenträger, dessen Schutz vor Haftpflichtansprüchen gerade der Versicherungsvertrag bezweckt (Art. 1 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 2 lit. b AKHB). Die angeführte Konstruktion bedarf deshalb hier keiner näheren Prüfung.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)