OGH 7Ob218/12b

OGH7Ob218/12b19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Unterbringungssache A***** H*****, geboren am *****, vertreten durch den Verein gemäß § 13 UbG V*****, dieser vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs des Vereins gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 25. Oktober 2012, GZ 1 R 180/12g‑9, womit der Rekurs des Vereins gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom 25. Juni 2012, GZ 15 Ub 110/12d‑2, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird ersatzlos behoben. Die Rechtssache wird zur Entscheidung über den Rekurs an das Rekursgericht unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Kranke wurde am 25. Juni 2012 mit der Diagnose akut manisch‑psychotisches Zustandsbild unklarer Genese wegen Selbst‑ und Fremdgefährdung gegen ihren Willen untergebracht. Am selben Tag erfolgte die Anhörung der Kranken.

Das Erstgericht verkündete in dieser Tagsatzung den Beschluss, mit dem es die Unterbringung der Kranken bis zur Entscheidung nach § 26 UbG vorläufig für zulässig erklärte.

Am 2. Juli 2012 teilte das Krankenhaus mit, dass die Unterbringung an diesem Tag beendet worden sei. Das Erstgericht stellte mit Beschluss vom selben Tag das Verfahren ein.

Das Rekursgericht wies den am 13. Juli 2012 zur Post gegebenen Rekurs des Vereins als unzulässig zurück. Durch die HeimAufG‑UbG‑Novelle 2010 sei § 38a Abs 1 UbG für die nachträgliche Überprüfung von Maßnahmen eingeführt worden. Der Gesetzgeber gehe offensichtlich davon aus, dass er mit § 38a UbG eine lückenlose Überprüfung freiheitsbeschränkender Maßnahmen auch im Nachhinein geschaffen habe. Diese Bestimmung müsse daher auch jene Fälle umfassen, in denen das Erstgericht die Unterbringung nach § 20 UbG vorläufig für zulässig erklärt habe und die endgültige Entscheidung gemäß § 26 UbG deswegen nicht mehr erfolge, weil die Unterbringung in der Zwischenzeit aufgehoben worden sei. Ein bloßes Rekursverfahren könne nicht jenen Rechtsschutz bieten, den § 38a UbG vorsehe. Es bestehe daher für den Verein eine nachträgliche Überprüfungsmöglichkeit, sodass das rechtliche Interesse auf Überprüfung der erstgerichtlichen Entscheidung mit dem Rekurs im Nachhinein weggefallen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es auf Grund der geänderten Rechtslage von der bisherigen Rechtsprechung abgewichen sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vereins mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben und dem Rekursgericht die Entscheidung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits vor der HeimAufG‑UbG‑Novelle 2010, BGBl I 18/2010 ausgesprochen, dass zwar nach § 20 Abs 3 UbG (aF) gegen den Beschluss, mit dem die vorläufige Unterbringung bis zur Entscheidung nach § 26 Abs 1 UbG für zulässig erklärt werde, ein Rechtsmittel des Kranken und seines Vertreters nicht zulässig sei, § 20 Abs 3 UbG (aF) aber nur ein abgesondertes Rechtsmittel ausschließe, sodass die Entscheidung gemeinsam mit der nächsten selbständig anfechtbaren Entscheidung angefochten werden könne. Entfalle diese, weil der Patient inzwischen entlassen worden sei, so könne der ‑ an sich aufgeschobene ‑ Rekurs selbständig eingebracht werden (2 Ob 12/05m).

Der Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass sich an der Rechtslage durch die HeimAufG‑UbG‑Novelle 2010, BGBl I 18/2010, etwas geändert habe, kann nicht gefolgt werden.

Nach § 38a Abs 1 UbG hat das Gericht auf Antrag des Kranken oder seines Vertreters nachträglich (unter anderem) über die Zulässigkeit der Unterbringung zu entscheiden, wenn die Unterbringung bereits vor der Entscheidung des Gerichts nach § 20 UbG aufgehoben wurde. Schon nach dem Wortlaut der Bestimmung bezieht sich die Bestimmung auf Unterbringungen, die vor der Entscheidung des Gerichts nach § 20 UbG aufgehoben wurden, also nicht auf den vorliegenden Fall, in dem das Gericht bereits nach § 20 UbG die vorläufige Unterbringung für zulässig erklärt hat.

Auch nach der RV (abgedruckt in Unterbringungsgesetz², ProLibris Verlagsgesellschaft, 133) sollte durch die Schaffung dieser Bestimmung klargestellt werden, dass die hier nicht erwähnten Verfahrensbestimmungen des UbG nicht anwendbar seien. Die besondere Schwierigkeit, im Nachhinein noch festzustellen, ob zum relevanten Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vornahme der Beschränkung vorgelegen seien, resultiere vor allem daraus, dass sich der Richter und ein bestellter Sachverständiger keinen unmittelbaren Eindruck vom Zustand des Patienten zum Zeitpunkt der Anordnung und Dauer der Beschränkung mehr machen könnten. Daraus resultierende Zweifel müssten letztlich zur Abweisung des auf Unzulässigerklärung abzielenden Antrags führen, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen in der Krankengeschichte ordnungsgemäß dokumentiert sei. Dadurch ist noch einmal klargestellt, dass sich die Bestimmung auf Fälle bezieht, in denen das Gericht vor Beendigung der Unterbringung keine Gelegenheit hatte, den Kranken selbst zu sehen und einen Beschluss nach § 20 UbG zu fassen (so auch Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts³, Rz 412/2; Jelinek, Die nachträgliche Überprüfung im UbG und HeimAufG in iFamZ‑Spezial Juli 2010, 17).

Die in 2 Ob 12/05m dargelegten Grundsätze haben daher auch für die aktuelle Rechtslage Geltung. Das Rekursgericht wird über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden haben.

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