Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 25.425,- (darin S 4.237,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mag.Alfred Peter H***** und Susanne O***** traten mit vollstreckbarem Notariatsakt vom 3.10.1991 ihre Geschäftsanteile an der A*****gesellschaft mbH an die B***** AG ab. Mit Notariatsakt vom 27.3.1992 traten sie ihre vollstreckbaren Kaufpreisrestforderungen von je S 1,000.000,- an den Kläger ab. Zur Sicherung dieser Kaufpreisrestforderungen von insgesamt S 2,000.000,- übernahm die beklagte Partei am 11.2.1992 eine bis 11.2.1995 (dieses Datum wurde vom Gericht zweiter Instanz offensichtlich irrtümlich mit 11.4.1995 wiedergegeben) gültige Bankgarantie.
Der außerstreitstehende Text der Garantieerklärung lautet:
"Garantienummer 172.623
Wir haben zur Kenntnis genommen, daß die Firma B*****
Aktiengesellschaft ........... Ihnen zur Absicherung Ihrer restlichen
Forderungen aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag betreffend
B*****/A***** vom 3.10.1991 gemäß Punkt 1. des an Sie gerichteten
Schreibens des Herrn Rechtsanwalt Dr.Norbert P***** .......... vom
7.2.1992 vereinbarungsgemäß eine Bankgarantie in Höhe von S 2,000.000,- zu übergeben hat.
Dies vorausgeschickt, übernehmen wird hiemit über Ersuchen der Firma B***** Aktiengesellschaft, Wien, Ihnen gegenüber diese Garantie bis zum Betrag von S 2,000.000,- (in Worten Schilling zwei Millionen), indem wir uns verpflichten, den uns namhaft gemachten Betrag, höchstens jedoch S 2,000.000,- ohne Prüfung der zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse innerhalb von fünf Geschäftstagen nach Erhalt Ihrer schriftlichen Aufforderung, in der uns bekanntgegeben wird, daß Ihnen der Anspruch auf Zahlung des unter dieser Garantie angeforderten Betrages
a) auf Grund einer einvernehmlich erfolgten Lösung gemäß Punkt 2. des Schreibens des Herrn Rechtsanwalt Dr.Norbert P***** vom 7.2.1992 oder
b) auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung gemäß Punkt 3. des Schreibens des Herrn Rechtsanwaltes Dr.Norbert P***** vom 7.2.1992 zusteht,
auf das uns von Ihnen bezeichnete Bankkonto zu überweisen.
Diese Garantie erlischt durch die Rückstellung dieses Schreibens an uns, spätestens jedoch am 11.2.1995".
Für den Fall, daß eine einvernehmliche Lösung nicht erreicht werden könne, sieht Punkt 3. des genannten Schreibens des Rechtsanwaltes Dr.P***** vor, daß der Kläger in einer für Dritte nicht wahrnehmbaren Weise Exekution gegen die B***** AG führen werde, wodurch die Berechtigung der Forderung in einem Oppositionsprozeß gerichtlich entschieden werden solle. Für den Fall des Konkurses der Firma B***** AG wurde nichts vereinbart.
Der Kläger leitete in der Folge ein Exekutionsverfahren gegen die Firma B***** AG ein. Die Exekution wurde zwar bewilligt, der Vollzug allerdings abgelehnt, weil am 26.5.1992 der Konkurs über das Vermögen der B***** AG eröffnet worden war.
In der Prüfungstagsatzung vom 15.9.1992 bestritt der zum Masseverwalter bestellte Rechtsanwalt Dr.Viktor I***** die vom Kläger angemeldete Forderung, weil er noch allfällige Anfechtungsansprüche prüfen wollte.
Mit Schreiben vom 29.4.1993 forderte der Kläger die beklagte Partei zur Zahlung des Garantiebetrages von S 2,000.000,- auf, wobei er ausführte, daß eine einvernehmliche Lösung nicht erfolgt sei, daß die Einbringung einer Oppositionsklage infolge der Konkurseröffnung nicht möglich sei und daß Dr.I***** nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist Widerspruchsklage erhoben habe. Die beklagte Partei lehnte mit Schreiben vom 10.5.1993 die Zahlung des geforderten Betrages ab. In der Zwischenzeit begann Dr.I***** eine Korrespondenz mit der beklagten Partei als Hauptgläubigerin, um abzuklären, ob er Widerspruchsklage erheben soll.
Mit Schreiben vom 30.6.1994 kündigte er an, daß er die Bestreitung der klägerischen Forderung zurückziehen werde, wenn sich nicht die beklagte Partei bereit erklären sollte, das Widerspruchsverfahren zu finanzieren und weitere Informationen zu erteilen. Dr.I***** setzte der beklagten Partei eine Äußerungsfrist bis 31.7.1994, sagte aber in der Folge ein weiteres Zuwarten zu. Er führte weitere Gespräche mit dem Leiter der Rechtsabteilung der beklagten Partei, erhielt aber bis Ende des Jahres 1994 keine Rückmeldung. Anfang 1995 sagte Dr.I***** dem Kläger zu, die Kaufpreisrestforderung von S 2,000.000,-
anzuerkennen und dem Konkursgericht bekanntzugeben, daß die Bestreitung daher hinfällig sei. Am 10.2.1995 zog Dr.I***** formell die Bestreitung zurück.
Mit am 9.2.1995 eingebrachter, der beklagten Partei am 16.2.1995 zugestellter Klage begehrte der Kläger die Erfüllung der Garantieverpflichtung. Er legte den im wesentlichen eingangs wiedergegebenen Sachverhalt dar und verwies darauf, daß Dr.I***** mit ihm die Anerkennung der Forderung des Klägers vereinbart habe.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kläger keine der alternativ in der Garantie geforderten Erklärungen abgegeben habe. Es wäre dem Kläger offengestanden, eine Feststellungsklage einzubringen und durch ein darüber erwirktes Urteil den Nachweis zu erbringen, daß die durch die Garantie besicherte Kaufpreisforderung berechtigt sei.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Gemäß § 914 ABGB sei vom hypothetischen Parteiwillen auszugehen, daß im Fall des Konkurses der Firma B***** AG die in Punkt 2. des Schreibens des Rechtsanwaltes Dr.P***** vorgesehene einvernehmliche Lösung auch zwischen dem Masseverwalter und dem Kläger erfolgen könne. Der Kläger habe die Garantie bereits am 29.4.1993 in Anspruch genommen und sich in der Folge bemüht, der Beanstandung dieser Erklärung seitens der beklagten Partei gerecht zu werden und eine einvernehmliche Lösung mit dem Masseverwalter zu finden. Dies sei ihm innerhalb der Garantiefrist auch gelungen. Die beklagte Partei habe seit Monaten gewußt, daß es zu einer Rücknahme der Bestreitung der Forderung durch den Masseverwalter kommen werde, weil sie ihm keine weiteren Informationen zur Verfügung gestellt und ihm keine Zusage erteilt habe, den Widerspruchsprozeß zu finanzieren. Der Einwand der beklagten Partei, daß sie der Kläger innerhalb der Garantiefrist nicht von der einvernehmlichen Lösung informiert habe, sei daher ohne Bedeutung und widerspreche im übrigen Treu und Glauben, weil die Verzögerungen seitens der beklagten Partei selbst verursacht worden seien, indem sie nicht auf die ihr vom Masseverwalter gesetzten Fristen reagiert habe.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei. Es vertrat die Ansicht, daß der Kläger die Garantie durch die Einbringung der Klage am 9.2.1995, in der er auf die mit dem Masseverwalter erzielte Einigung hingewiesen habe, rechtzeitig in Anspruch genommen habe. Auf den Zeitpunkt der Klagszustellung komme es hier nicht an. Die Klagseinbringung genüge zur Unterbrechung des Ablaufes auch derartiger materiellrechtlicher Fristen.
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Da die Inanspruchnahme der Garantie, sofern sie die Annahme einer Offerte ist, eine Willenserklärung und sonst eine Willensmitteilung ist, bedarf sie zu ihrer Wirksamkeit des Zuganges (§ 862 a ABGB). Für die Fristwahrung ist demnach der Zugang beim Garanten maßgebend (Koziol, Der Garantievertrag, 47). Der Begünstigte hat die Bankgarantie frist- und formgerecht bei der in der Garantieerklärung genannten Bank in Anspruch zu nehmen. Dies gilt sowohl für die Anforderung der Garantiesummen als auch für die Erfüllung aller die Zahlungspflicht der Garantiebank auslösenden zusätzlichen Voraussetzungen (WBl 1987, 63). Schon deshalb kann die der beklagten Partei erst nach dem Ablauf der vereinbarten Garantiefrist zugestellte Klage die fristgerechte Inanspruchnahme der Garantie nicht ersetzen, so daß dahingestellt bleiben kann, ob die Einklagung der Garantiesumme überhaupt als eine die Zahlungspflicht aus der Garantie auslösende Erklärung gegenüber dem Garanten anzusehen ist.
Dessenungeachtet sind die klagsstattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis zu billigen.
Aus § 884 ABGB ergibt sich, daß die wirksame Inanspruchnahme der Garantie die Einhaltung der hiefür vereinbarten Form voraussetzt. Es ist jedoch allgemein anerkannt, daß bei rechtsgeschäftlich vereinbarten Formerfordernissen der Zweck der Vereinbarung zu ermitteln, also die Formklausel nach § 914 ABGB auszulegen ist. Eine Inanspruchnahmeerklärung kann daher wirksam sein, obwohl die vereinbarte Form nicht eingehalten wurde, wenn dies mit dem Zweck der Formabrede vereinbar ist (vgl Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertrags- recht Rz 3/85 mit weiteren Nachweisen). Das Recht auf "präzise, ja nachgerade pedantisch genaue Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen" gilt daher auch nur "im Zweifel", wobei man zugestehen kann, daß die Gründe für eine gegenteilige Interpretation aus den Umständen des Einzelfalles sehr gut abgesichert sein müssen (Rummel in ÖBA 1989, 818). Auch Garantieverträge sind Rechtsgeschäfte, die gemäß den §§ 914, 915 ABGB auszulegen sind. Dem steht der Grundsatz der formellen Garantiestrenge nicht entgegen, weil dieser kein Selbstzweck ist, sondern nur soweit trägt, als dies dem Fehlen der Vertragspartei entspricht (Koziol in ÖBA 1988, 715 f). Eine solche Betrachtungsweise steht nicht im Widerspruch zur strengeren Lehre (7 Ob 608/94).
Die Garantieerklärung der beklagten Partei ist daher unter Bedachtnahme auf Sinn und Zweck des Geschäftes sowie der Übung des redlichen Verkehrs vorzunehmen; bei Unklarheiten kommt insbesondere dem Geschäftszweck und der Interessenslage Bedeutung zu (1 Ob 544/95).
Die vorliegende Garantieerklärung nimmt auf das Grundgeschäft zwischen der Firma B***** AG als Hauptschuldnerin und den Kläger als Begünstigten Bezug und vermittelt trotz der Zusicherung der Zahlung "ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses" den Eindruck, daß es der beklagten Partei doch auch darauf ankäme, daß die Verbindlichkeit des Hauptschuldners gänzlich außer Zweifel stehe.
Gegen die Akzessorietät der Zahlungspflicht der beklagten Partei spricht andererseits nicht nur die Wendung "ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses", sondern auch die Formulierung, daß die Zahlungspflicht der beklagten Partei bloß auf Grund der schriftlichen Bekanntgabe des Begünstigten, daß ihm der Anspruch auf Grund einer "einvernehmlichen Lösung" der Partei des Grundgeschäftes oder auf Grund eines rechtskräftigen Urteiles über eine Oppositionsklage zustehe, entstehen soll. All dies spricht dafür, daß die Bank demnach allein auf Grund dieser Bekanntgabe und unabhängig von deren Richtigkeit in Anspruch genommen werden kann, weil sie wegen des Einredeverzichtes die wahre Rechtslage nicht geltend machen kann (vgl Koziol, Der Garantievertrag, 13).
Der Kläger sah sich jedenfalls zur wahrheitsgemäßen Darlegung des Sachverhaltes bei Inanspruchnahme der Garantie in seinem Schreiben vom 29.4.1993 verpflichtet. Auch der Prozeßstandpunkt der beklagten Partei geht unter anderem dahin, daß es am Kläger gelegen gewesen wäre, durch eine Feststellungsklage die Berechtigung seiner besicherten Forderung gegen die Firma B***** AG nachzuweisen.
Diese Widersprüchlichkeit macht die Interessenlage des Garanten deutlich, möglichst nur dann leisten zu müssen, wenn die Differenzen um den aufrechten Bestand der besicherten Forderung einvernehmlich zwischen Hauptschuldner und Begünstigtem beseitigt oder zu Gunsten des Begünstigten entschieden wurden, mag auch die Verpflichtungserklärung der Form nach als Garantieerklärung abgegeben worden sein.
Die Streitteile haben auf den Fall, daß die Firma B***** AG im Konkurs gehen könnte, nicht Bedacht genommen. Ausgehend vom Sinn und Zweck der vereinbarten Sicherung, ist in ergänzender Auslegung der Garantievereinbarung zu unterstellen, daß auch die Bekanntgabe des entsprechenden Engagements mit dem Masseverwalter im Fall des Konkurses der Firma B***** AG zur Inanspruchnahme der Garantie genügen müsse.
Nun hat der Masseverwalter zunächst die angemeldete, bereits titulierte Forderung bestritten, dann aber innerhalb der ihm hiefür gesetzten Frist die Widerspruchsklage nach § 110 Abs 2 KO nicht erhoben. Es trat daher ein Zustand ein, der mit dem Fall vergleichbar ist, daß der Kläger gegen die Firma B***** AG zwar Exekution geführt, diese aber keine Oppositionsklage eingebracht hätte. Auch für einen solchen Fall haben die Parteien nichts vorgesehen. Ein derartiges passives Verhalten des Gegners, gegen den bereits ein Exekutionstitel besteht, läßt nur den Schluß zu, daß er gegen die Durchsetzung der Forderung bzw gegen den Teilnahmeanspruch des betreffenden Gläubigers im Konkursverfahren (vgl Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht, 575) nichts einzuwenden hat. Ein solches Verhalten ist daher einer "einvernehmlichen Lösung" im Sinne einer Aufgabe von Einwendungen gemäß § 35 EO gleichzusetzen. Es widerspräche Treu und Glauben, wenn die beklagte Partei zwar zahlen müßte, wenn der Kläger - wahrheitsgemäß - von einem ausdrücklichen Verzicht der Firma B***** AG auf Einwendungen nach § 35 EO oder von einem zu seinen Gunsten entschiedenen Oppositionsstreit berichten könnte, nicht aber dann, wenn Umstände seitens der Firma B***** AG eintreten, die ein solches Geschehen nicht zulassen, aber ein Sachverhalt vorliegt, der einen im wesentlichen gleichen Zustand schafft.
Die ergänzende Vertragsauslegung ergibt daher weiters, daß nach der besonderen, von den Parteien nicht vorgesehenen Entwicklung dieses Falles die Garantie sinngemäß dem vereinbarten Formerfordernis entsprechend mit Schreiben vom 29.4.1993 wirksam in Anspruch genommen wurde.
Dem Argument der beklagten Partei, daß es dem Kläger freigestanden wäre, das für die Inanspruchnahme der Garantie vorgesehene Urteil im Wege einer Feststellungsklage zu erwirken, ist entgegenzuhalten, daß eine seitens des Klägers eingebrachte Klage auf Feststellung des Bestandes der Forderung mangels Rechtsschutzinteresse zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, weil bereits ein Exekutionstitel zugunsten des Klägers vorlag.
Der Klagsanspruch erweist sich daher als berechtigt, so daß die Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen waren.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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