European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0070OB00002.04A.0421.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Begründung:
In dem zwischen den Streitteilen vor dem Bezirksgericht Tulln zu 1 C 23/94w anhängig gewesenen Ehescheidungsverfahren erwirkte die Klägerin und gefährdete Partei (in der Folge: Klägerin) gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge: Beklagter) eine einstweilige Verfügung, mit der ihr rechtskräftig ein einstweiliger Unterhalt in der Höhe von zuletzt monatlich S 7.550 = EUR 548,68 zuerkannt wurde. Mittlerweile erwuchs nach siebenjähriger Dauer des Verfahrens das Urteil des Bezirksgerichtes Tulln vom 12. 2. 2001, mit dem die Ehe der Streitteile nach rund 21,5 Jahren (die eheliche Gemeinschaft wurde spätestens seit Jänner 1993 aufgehoben) aus dem gleichteiligen Verschulden der Ehegatten geschieden wurde, mit 2. 4. 2002 in Rechtskraft (Zustellung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes, mit dem die außerordentliche Revision zurückgewiesen wurde). Dem Beklagten fällt danach die Einleitung der Zerrüttung der Ehe dadurch zur Last, dass er sich jahrelang gegenüber der Klägerin durch herrische Behandlung, durch Herumnörgeln und auch durch körperliche Aggressivität negativ verhalten hatte, was dazu führte, dass die Klägerin sich des zweifachen Ehebruchs schuldig machte.
Es kann nicht festgestellt werden, dass eine Anzeige der Klägerin gegen den Beklagten bei der Finanzbehörde zu einer Betriebsprüfung führte. Nach dem Tod seiner Mutter erbte der Beklagte zahlreiche Liegenschaften, der Reinnachlass betrug S 1,153.199,78. Dadurch vergrößerte sich sein bereits vorhandener Liegenschaftsbesitz. Das Nettoeinkommen des Beklagten im Jahr 1991 betrug S 604.000 = EUR 43.894,40, im Jahr 1992 S 237.000 = EUR 17.223,46 und im Jahr 1993 S 778.000 = EUR 56.539,46. Hohe Instandhaltungsaufwendungen im Jahr 1992 führten 1993 dazu, dass die Miet‑ und Garagierungseinnahmen bei zurückgegangenen Werbungskosten stark anstiegen.
Die am 20. 2. 1958 geborene Klägerin absolvierte nach Volks‑ und Hauptschule eine dreijährige Fachschule für wirtschaftliche Frauenberufe (Schulabschluss 1976/77), bevor sie im Herbst 1977 in der Hausverwaltung K***** in Wien zu arbeiten begann. Diese berufliche Tätigkeit gab die Klägerin mit Geburt der Kinder (1982 und 1985) auf, bevor sie dann 1987 und 1988 als geringfügig Beschäftigte im Unternehmen des Beklagten tatsächlich wiederum Buchhaltungstätigkeiten verrichtete. Ab 1989 fungierte sie bei verschiedenen Ärzten als Ordinationshilfe. 1992 wurde sie vom Beklagten entlassen, in dessen Unternehmen sie bis dahin auch zwecks Erwerbs von Versicherungsjahren durchgehend seit 1983 angemeldet gewesen war. Nach einem weiteren kurzen Arbeitsverhältnis als Ordinationshilfe bezog sie ein halbes Jahr Arbeitslosengeld. Seit Wegfall dieser Unterstützung ist die Klägerin ohne eigenes Einkommen. Nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges und bis dato unternahm die Klägerin keinen Versuch mehr, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, weil sie sich dazu weder psychisch noch physisch in der Lage fühlte. Zumindest in den ersten Jahren des Ehescheidungsverfahrens litt die Klägerin an einer psychisch‑geistigen Erkrankung, die 1995 sogar zur Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens führte, welches nach Zustandsbesserung mit Beschluss vom 23. 1. 1996 wieder eingestellt wurde. In der Folge nahm die Klägerin ca 80 kg ab und wiegt jetzt nur mehr rund 55 kg. Der Klägerin ist eine Wiedereingliederung in ein geregeltes Arbeitsverhältnis derzeit nicht möglich. Sie ist gesundheitlich nicht in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Es fehlt ihr darüber hinaus in ihrem vor und während der Ehe ausgeübten Beruf als Buchhalterin jegliche aktuelle Aus‑ und Weiterbildung, insbesondere EDV‑Kenntnisse.
Bis zur Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch den Beklagten führte die Klägerin ohne Hilfskräfte den gemeinsamen Haushalt, in dem sie auch die beiden gemeinsamen Kinder betreute. Sie war auch noch während aufrechter Ehe auf den Geldunterhalt durch den Beklagten angewiesen. Darüber hinaus wurde sie von ihren Eltern finanziell unterstützt. Sie bewohnt ein von ihren Eltern zur Verfügung gestelltes Haus, dessen Betriebskosten sie überwiegend selbst zu tragen hat (Heiz‑ und Stromkosten jährlich rund 56.000 S = EUR 4.069,68). Die Klägerin verfügt über einen auf ihre Mutter zugelassenen PKW, wobei sie die Kfz‑Versicherung und laufenden Kosten selbst tragen muss. Nachdem der Beklagte nach Rechtskraft des Scheidungsurteiles seine Unterhaltszahlungen einstellte, musste die Klägerin ihr Konto überziehen. Infolgedessen tragen die Eltern der Klägerin derzeit die Betriebskosten des Hauses und des PKW und stellen ihr auch Bargeldbeträge zur Verfügung. Sie unterstützen sie alles in allem mit monatlich durchschnittlich S 15.000 = EUR 1.090,09. Die Klägerin ist weiterhin auf Unterhaltsbeträge des Beklagten angewiesen.
Die Klägerin begehrt nun im vorliegenden Unterhaltsverfahren die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, nach der der Beklagte zur Leistung einstweiliger Unterhaltsbeträge von zuletzt S 28.000 = EUR 2.034,84 verpflichtet sein solle. Bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens begehrt die Klägerin den Zuspruch der Differenz zwischen S 7.550 = EUR 548,68 und diesen Beträgen. Der Beklagte verdiene S 113.251 = EUR 8.230,27 pro Monat. Unter Berücksichtigung zweier Sorgepflichten des Beklagten für die gemeinsamen Söhne stünden der Klägerin 25 % des monatlichen Einkommens des Ehegatten zu. Nach Rechtskraft des Scheidungsurteiles stützte die Klägerin ihr Unterhaltsbegehren für die Zeit nach der Ehescheidung auf § 68a EheG. Sie sei während aufrechter Ehe nicht berufstätig gewesen, habe den Haushalt geführt, zwei Kinder großgezogen und darüber hinaus umfangreiche Mitarbeiten im Erwerb des Beklagten geleistet. Eine selbständige berufliche Tätigkeit sei ihr vom Beklagten geradezu verboten worden. Aufgrund ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes und der aktuellen Lage auf dem Arbeitsmarkt sei sie nicht mehr vermittelbar und außerstande, sich selbst zu erhalten. Sie sei auf den Unterhalt des Beklagten angewiesen, ohne diesen wäre sie der Not preisgegeben.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Provisorialantrages, weil die Klägerin weder eine Gefährdung noch die Höhe der Unterhaltsbemessungsgrundlage ausreichend behauptet und bescheinigt habe. Sie sei sehr wohl in der Lage gewesen, ihren Unterhalt aus eigenem Einkommen zu decken. Sie habe darüber hinaus ihren Unterhaltsanspruch verwirkt. Zu dem auf § 68a EheG gestützten Begehren brachte er vor, die Klägerin sei vor der Eheschließung berufstätig gewesen und habe mit Geburt der Kinder ihre berufliche Tätigkeit nur zunächst aufgegeben. Während der Jahre 1987 und 1988 sei sie geringfügig im Unternehmen des Beklagten beschäftigt gewesen, wo sie in geringem Umfang Buchhaltungstätigkeiten verrichtet habe. Ab dem Jahr 1989 sei sie bei verschiedenen Ärzten als Ordinationshilfe tätig gewesen. Die Berufsausübung sei mit Zustimmung des Beklagten erfolgt. Die Klägerin habe von sich aus nach der zugestandenen ehewidrigen Beziehung zu einem Arzt ihre berufliche Tätigkeit eingestellt. Seit 1992 habe es die Klägerin unterlassen, selbst beruflich tätig zu werden, obwohl es aufgrund des fortgeschrittenen Alters der beiden Kinder bereits möglich gewesen wäre, zumindest halbtags Beschäftigung zu finden. Der Beklagte sei nie dagegen gewesen, dass die Klägerin einen Beruf ausübe. Ab 1992 habe der Beklagte die Klägerin zur Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit bei zwar zerrütteter, aber noch aufrechter Ehe aufgefordert. Die Klägerin könne auch jetzt noch berufstätig sein, unterlasse dies aber, was aufgrund der Anwendung der Anspannungstheorie zu ihren Lasten ausschlagen müsse.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, mit der es den Beklagten zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen verpflichtete, und zwar a) für die Zeit vom 14. 11. bis 31. 12. 2001 zu S 5.750 = EUR 420,78, für die Zeit vom 1. 1. bis 2. 4. 2002 zu EUR 420, dies jeweils zusätzlich zu den bereits zugesprochenen S 7.550 = EUR 548,68 und b) für die Zeit ab 3. 4. 2002 (Rechtskraft des Scheidungsurteils) zu EUR 870. Es kam zu dem Ergebnis, dass der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltsanspruch und die Unterhaltsverletzung zu behaupten und zu bescheinigen habe. Eine Bescheinigung der Gefährdung nach § 381 EO sei hingegen nicht erforderlich. Der Unterhaltsanspruch sei im Provisorialverfahren nicht streng zu prüfen, sondern nur ungefähr zu bemessen. Der Mittelwert aus den Einkommen in den Jahren 1991 bis 1993 ergebe EUR 39.219,10, sodass das monatliche Durchschnittseinkommen rund EUR 3.270 betrage, unter Berücksichtigung der Geldwertentwicklung zum Antragszeitpunkt also rund EUR 3.865. In der Zeit vor Rechtskraft des Scheidungsurteiles habe die Klägerin Anspruch auf 25 % dieses Einkommens unter Berücksichtigung zweier weiterer Sorgepflichten des Beklagten. Nach Ehescheidung gründe sich der Unterhaltsanspruch auf § 68a Abs 2 EheG. Die Ehe der Streitteile habe 21 ½ Jahre gedauert. Da die Klägerin im Einvernehmen mit dem Beklagten den gemeinsamen Haushalt geführt, die gemeinsamen Kinder betreut und hiedurch keine Weiterbildung in ihrem erlernten Beruf erfahren habe und aufgrund ihres Gesundheitszustandes und Alters am Arbeitsmarkt derzeit nicht vermittelbar sei, habe sie einen Unterhaltsanspruch nach § 68a Abs 2 EheG. Nach § 68a EheG könne der Unterhaltsberechtigte nicht an einer Steigerung der Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen teilhaben, sodass von dem allenfalls nach Verbraucherpreisindex valorisierten Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft auszugehen sei. Das Erstgericht berücksichtigte einen "Billigkeitsabschlag" gemäß § 68a Abs 3 EheG, da die Klägerin zwar ihren Unterhaltsanspruch noch nicht rechtsmissbräuchlich geltend mache, wohl aber davon auszugehen sei, dass diese mehrfach gegen ihre sich aus § 90 ABGB ergebenden Pflichten verstoßen habe. So setze sich der Unterhaltsberechtigte etwa dann über schwerwiegende Vermögensinteressen des Unterhaltsverpflichteten hinweg, wenn er durch haltlose Verleumdungen dessen wirtschaftliche Existenz zu beeinträchtigen versuche oder ihn beim Arbeitgeber anschwärze oder ungerechtfertigt eine Anzeige an das Finanzamt erstatte, was in der Folge zu einer Vermögensbeeinträchtigung oder Gefährdung des Unterhaltsschuldners führe. Die Klägerin habe sich einen Abzug ihres Unterhaltsanspruches von 10 % gefallen zu lassen, sodass sich ihr Unterhaltsanspruch auf 22,5 % reduziere.
Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge. Nach Darlegung des Schrifttums kam das Rekursgericht zu dem Ergebnis, dass es der Klägerin nicht zum Vorwurf ‑ im Sinne einer gebotenen Anspannung ‑ gemacht werden könne, dass sie in den Jahren nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch unterbliebene Aus‑ und Fortbildung, fortgeschrittenes Alter in Verbindung mit ihrer angegriffenen Gesundheit derzeit am Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sei. Die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG seien dem Grunde nach daher gegeben. Mangels konkreterer Angaben der Klägerin zu ihrem Bedarf sei nach der Aktenlage im Einzelfall eine Begrenzung nach oben mit EUR 1.100 pro Monat anzunehmen. Der Unterhalt nach § 68a EheG habe zwischen jenem nach § 68 EheG (15 %) und § 66 EheG (33 %) zu liegen. Dies würde ausgehend von der Bemessungsgrundlage von EUR 3.865 pro Monat zu einem Unterhaltsanspruch von 28,5 % führen. Damit läge der Unterhaltsanspruch aber über dem angemessenen Unterhalt nach § 66 EheG, der 25 % unter Berücksichtigung von zwei Sorgepflichten betrage. Die vom Erstgericht gefundene Lösung von 22,5 % der Bemessungsgrundlage liege durchaus innerhalb der vom Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 278/02i vorgegebenen Grenzen. Eine andere Lösung sei auch nicht durch § 68a Abs 3 EheG geboten. Der Beklagte habe durch sein Verhalten den Beginn der Zerrüttung der Ehe zu verantworten. Sein Verhalten sei auslösend für die zwei Ehebrüche der Klägerin gewesen. Eine schädigende Handlung, die eine Verwirkung der Unterhaltsansprüche bewirke, habe das Erstgericht selbst nicht als bescheinigt angenommen. Von einer schweren Beeinträchtigung der Berufsausübung oder gar der wirtschaftlichen Existenz des Beklagten könne hier nicht die Rede sein. Die Klägerin habe zwar gegen über die Zerrüttung der Ehe fortwirkende Verhaltenspflichten verstoßen, die Geltendmachung von Unterhalt sei aber noch nicht rechtsmissbräuchlich.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, da Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Voraussetzungen des Unterhalts nach § 68a Abs 1 und Abs 2 EheG fehle.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Provisorialantrag der Klägerin zur Gänze abgewiesen werde, in eventu dahingehend abzuändern, dass lediglich ein einstweiliger Unterhalt von nicht mehr als EUR 472,31 ab 3. 4. 2002 an die Klägerin zu bezahlen sei.
Die Klägerin beteiligte sich am Revisionsrekursverfahren nicht.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Durch das EheRÄG 1999 wurde der verschuldensunabhängige Unterhalt nach § 68a EheG eingeführt. Der hier anzuwendende Abs 2 leg cit regelt, dass einem Ehegatten, der sich während der Ehe aufgrund der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Haushaltsführung sowie gegebenenfalls der Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder gewidmet hat und dem aufgrund des dadurch bedingten Mangels an Erwerbsmöglichkeiten, etwa wegen mangelnder beruflicher Aus‑ oder Fortbildung, der Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft, seines Alters oder seiner Gesundheit, nicht zugemutet werden kann, sich ganz oder zum Teil selbst zu erhalten, insoweit der andere Ehegatte unabhängig vom Verschulden an der Scheidung den Unterhalt nach dessen Lebensbedarf zu gewähren hat. Der Gesetzgeber betont in den Materialien (RV 1653 BlgNR XX. GP, S 23 ff), dass der Unterhalt nach § 68a EheG nur für bestimmte Ausnahmefälle einen Unterhaltsanspruch unabhängig vom Verschulden, also unter Umständen auch zugunsten des überwiegend schuldigen Ehegatten, schaffen solle. Der in Abs 2 leg cit genannte Fall liege typischerweise dann vor, wenn etwa ein Ehegatte nach der Eheschließung seine Berufsausbildung abgebrochen oder seinen Beruf aufgegeben habe, um im Einvernehmen mit dem anderen den Haushalt und gegebenenfalls die ehelichen Kinder zu betreuen. Wenn dieser Ehegatte deshalb jahre‑ oder gar jahrzehntelang keiner eigenen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und sich dann einmal eine Eheverfehlung zuschulden habe kommen lassen, die der andere zum Anlass für eine darauf gestützte Verschuldensscheidung nehme, könne eine Beurteilung anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles ergeben, dass diesem Ehegatten wegen der ehebedingten Absenz vom Berufsleben die (Wieder‑)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unzumutbar wäre.
Voraussetzung des Unterhaltsanspruches ist also eine bestimmte einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, dass also der betroffene Ehegatte während der Ehe entweder gar nicht oder zumindest nicht in dem zur Unterhaltsdeckung nötigen Ausmaß berufstätig war, und die Unzumutbarkeit einer zur Deckung des Unterhalts erforderlichen Erwerbstätigkeit. Zur zweiten Voraussetzung der Unzumutbarkeit der Erwerbsmöglichkeit gibt das Gesetz Anlass für Zweifel, ob nämlich die Begriffe "Dauer der ehelichen Gemeinschaft", "Alter" und "Gesundheit" weitere demonstrative Kriterien zu dem Begriff "Mangels an Erwerbsmöglichkeiten" sind oder ob diese mit dem Begriff "Mangels an Erwerbsmöglichkeiten" gleichrangige Kriterien für eine mögliche Ursache der Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit aufzufassen sind. Die Gesetzesmaterialien geben darüber nicht eindeutig Aufschluss. Die Kriterien "Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft", "Alter" und "Gesundheit" werden nur als wichtige Kriterien der Zumutbarkeitsprüfung genannt (RV 1653 BlgNR XX. GP, S 24). Der Oberste Gerichtshof gibt der zweiten Auslegungsvariante gemeinsam mit Stabentheiner in Rummel III/43, § 68a EheG, Rz 6; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts‑Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 866; Ferrari/Hopf, Eherechtsreform in Österreich, 50 f (nicht eindeutig dazu Deixler‑Hübner, Das neue Eherecht, 31, dieselbe in Grundfragen des neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruchs nach § 68a EheG in ÖJZ 2000, 707; Knoll, Verschuldensunabhängiger Unterhalt im Ehescheidungsfolgerecht nach dem EheRÄG 1999, RZ 2000, 107) den Vorzug. Geht man vom Willen des Gesetzgebers aus, dass der Ehegatte, der sich nach der gemeinsam gewählten Lebensgestaltung der Haushaltsführung und Kindererziehung widmet, geschützt sein soll, so wäre es ein nicht zu unterstellender Wertungswiderspruch, wollte er bei der Unzumutbarkeitsprüfung ausschließlich auf den Mangel der Erwerbsmöglichkeit abstellen und nicht auch unabhängig davon die Kriterien der Dauer der ehelichen Gemeinschaft, des Alters und der Gesundheit (jedes für sich) gelten lassen. Es soll durch § 68a Abs 2 EheG also der Ehegatte bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen unterhaltsberechtigt sein, dem aufgrund des Mangels an Erwerbsmöglichkeit oder der Dauer der ehelichen Gemeinschaft oder seines Alters oder seiner Gesundheit eine Selbsterhaltung nicht zugemutet werden kann. Natürlich werden oftmals mehrere dieser Unzumutbarkeitskriterien gleichzeitig erfüllt sein, da sie in einander greifen können, aber nicht müssen. Der bloßen Unzumutbarkeit steht die Unmöglichkeit der Selbsterhaltung schon aus einem Größenschluss gleich (RV 1653 BlgNR XX. GP, 24).
Klar ist, dass die Unzumutbarkeit ihre Wurzeln in der einvernehmlichen ehebedingten Lebensgestaltung haben muss. Die Frage ist nun, wann zB wie vorliegend das Kriterium mangelnde Gesundheit vorliegen muss, um unterhaltsbegründend zu sein. Ist die Selbsterhaltungsfähigkeit aufgrund der mangelnden Gesundheit im Zeitpunkt der Auflösung der Ehe gegeben, so begründet dies Unterhaltsansprüche. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand und der Ehe ist hingegen nicht erforderlich (Stabentheiner in Rummel aaO, Rz 6; Hopf/Stabentheiner aaO, 866f; aA Deixler‑Hübner, ÖJZ 2000, 707, FN 4). Die Frage ist aber, ob der Unterhaltsanspruch zu einem späteren Zeitpunkt nach Ehescheidung entsteht, wenn dem Ehegatten erst nach der Scheidung aufgrund mangelnder Gesundheit eine Selbsterhaltungsfähigkeit ganz oder zum Teil unzumutbar ist (dafür: Hopf/Stabentheiner aaO, 866; Stabentheiner in Rummel aaO, Rz 6 [aber einschränkend einen "gewissen zeitlichen Konnex" fordernd]; aA Deixler‑Hübner, ÖJZ 2000, 707, FN 4; Knoll aaO, 108). In den Erläuterungen wird dazu nur hervorgehoben, dass dem schuldigen Teil ein Unterhaltsanspruch zuzubilligen sei, da den anderen Ehegatten gewissermaßen eine Mitverantwortung für die Unterhaltsbedürftigkeit seines Ehepartners aufgrund der einvernehmlichen Lebensgestaltung trifft (RV 1653 BlgNR XX. GP, 24).
Dem Ehegatten muss also aus Gründen, die in der Ehe selbst wurzeln, die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht zumutbar sein. Geht man davon aus, so ist auch bei einem Unterhaltsbedarf wegen unzumutbarer Selbsterhaltungsfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt zB aus mangelnder Gesundheit davon auszugehen, dass die Bedürftigkeit natürlich insoferne ihre Wurzeln in der Ehe hat, als eben der den Haushalt versorgende Ehegatte während der Dauer der Ehe im Arbeitsleben nicht eingegliedert war und daher seine Versorgung für spätere Notfälle nicht in dem Maß gedeckt ist, wie dies der Fall wäre, wenn der Ehegatte durchgehend berufstätig gewesen wäre. Dies bedeutet, dass also auch in dem Fall, dass der Ehegatte erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Ehescheidung aus den im § 68a Abs 2 EheG genannten Gründen nicht oder nicht zur Gänze selbsterhaltungsfähig ist, einen Unterhaltsanspruch haben kann.
Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet das Folgendes:
Die Klägerin ist nach dem im Provisorialverfahren bescheinigten Sachverhalt gesundheitlich nicht in der Lage, einem Beruf nachzugehen. oder eine Erwerbsmöglichkeit zu finden. Damit liegen zwei Kriterien, nach denen ihr die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht zugemutet werden kann, vor. Auf die Einwände des Beklagten zur Frage, ob der Klägerin eine andere Erwerbstätigkeit möglich wäre, ist daher schon aufgrund des Mangels ihrer Gesundheit nicht weiter einzugehen. Dass sich die Klägerin aufgrund der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Haushaltsführung und der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder widmete, ergibt sich zweifellos aus den Feststellungen. Die Berufstätigkeit der Klägerin während aufrechter Ehe war nicht fortdauernd, aber jedenfalls geringfügig. Sie war immer auf den Unterhalt des Beklagten angewiesen. Die gesundheitlichen Probleme der Klägerin und ihre mangelnde (generelle) Fähigkeit, einem Erwerb nachzugehen, lagen bereits im Zeitpunkt der Ehescheidung vor.
Zur Höhe des Unterhalts nach § 68a EheG hat der Oberste Gerichtshof bereits in seinen Entscheidungen 4 Ob 278/02i und 7 Ob 61/03a unter Auseinandersetzung mit dem Schrifttum Stellung genommen. Danach ist der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG nach dem konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten in einem Zwischenbereich der nach der bisherigen Rechtsprechung geltenden Prozentsätze nach § 68 EheG und § 66 EheG von 15 % bis 33 % des Einkommens des Verpflichteten auszumitteln, wobei der angemessene Unterhalt gemäß § 66 Ehe tunlichst nicht erreicht werden soll, und von dem so ermittelten Grundbetrag allenfalls im Hinblick auf die in der Billigkeitsklausel des § 68a Abs 3 EheG genannten Kriterien Abschläge nach der Lage des Einzelfalls zu machen sind.
Zu § 68a Abs 3 EheG wird in den RV 1653 BlgNR XX. GP, 24f ausgeführt, dass damit sichergestellt werden solle, dass die Gewährung des Unterhalts nicht unbillig erscheine. Eine solche Unbilligkeit könne je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls aus verschiedenen Bereichen resultieren, doch hebe die vorgeschlagene Formulierung die Gründe der Scheidung als Wurzel eines solchen Unbilligkeitsurteils besonders hervor. Dies bedeute freilich nicht, dass bereits das überwiegende oder alleinige Verschulden des Alimentationsbedürftigen als solches die Unbilligkeit der Unterhaltsgewährung begründen könnte, weil ja bei einem derartigen Verständnis dem Unterhaltstatbestand insgesamt der Anwendungsbereich entzogen wäre. Vielmehr gehe es darum, in Fällen, in denen sich die Verfehlungen etwa gerade auch im Licht des Unterhaltsbegehrens als krass erwiesen, zu verhindern, dass das Opfer dieses Fehlverhaltens dem für die Ehestörung verantwortlichen Ehegatten eine auch nach objektiven Maßstäben als Ungerechtigkeit zu wertende Unterhaltsleistung erbringen müsse.
Von einer derartigen Unbilligkeit kann im vorliegenden Fall, in dem die Ehe aus beidseitigem Verschulden der Ehegatten geschieden wurde und ausdrücklich feststeht, dass die Eheverfehlungen der Klägerin durch das lieblose Verhalten des Beklagten verursacht wurden, keine Rede sein. Die Ausführungen des Beklagten dazu, dass die Klägerin seine wirtschaftliche Existenz beeinträchtigt hätte, verlassen den bescheinigten Sachverhalt.
Geht man nun von dem im Provisorialverfahren bescheinigten Bedarf der Klägerin in der Höhe von EUR 1.100 pro Monat aus, würde dies 28,5 % der Bemessungsgrundlage entsprechen. Damit läge der Unterhaltsanspruch aber über dem nach § 66 EheG, da der Klägerin unter Berücksichtigung zweier Sorgepflichten lediglich 25 % der Bemessungsgrundlage zustünden. Da aber der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG nach dem Willen des Gesetzgebers, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, jedenfalls unter dem von § 66 EheG liegen soll, ist der von den Vorinstanzen vorgenommene Abzug von 10 %, sodass ein Unterhalt von 22,5 % im vorliegenden Einzelfall zugesprochen wurde, nicht als überhöht zu beurteilen.
Auch die Ausführungen des Revisionsrekurswerbers zum einstweiligen Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung gehen nicht vom bescheinigten Sachverhalt aus. Das Erstgericht nahm zum Einkommen des Beklagten Stellung und bildete aus den Jahren 1991 bis 1993 Durchschnittswerte. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm 50, 40 ZPO. Die Klägerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
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