Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 24.827,84 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 2.704,64 USt und S 8.600,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Streitteilen besteht eine Haushaltsversicherung, der die ABH 1989 und die EHVB 1986 zugrundeliegen. Art 15.4.3 ABH lautet:
Für Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die der Versicherungsnehmer oder die für ihn handelnden Personen verursachen durch Haltung oder Verwendung von Kraftfahrzeugen oder Anhängern, die ein behördliches Kennzeichen tragen müssen oder tatsächlich tragen, wird keine Leistung erbracht.
Die Begriffe Luftfahrzeug und Luftfahrgerät sind im Sinne des Luftfahrgesetzes (BGBl Nr 253/1957), die Begriffe Kraftfahrzeug, Anhänger und behördliche Kennzeichen im Sinne des Kraftfahrgesetzes (BGBl Nr 267/1967), beide in der jeweils geltenden Fassung auszulegen.
Eine inhaltsgleiche Bestimmung enthält Art 7.5 EHVB 1986.
Der mitversicherte Sohn des Klägers verursachte am 31.7.1993 im Gemeindegebiet von Latisana in der italienischen Provinz Udine einen Verkehrsunfall, bei dem er mit dem von ihm gelenkten Motorfahrrad ins Schleudern geriet und in der Folge mit einem LKW zusammenstieß. Bei diesem Unfall wurde der als Beifahrer auf dem Motorfahrrad beförderte Johannes M***** verletzt. Dieser erhebt nunmehr Schadenersatzansprüche gegen den Sohn des Klägers. Das Motorfahrrad hat 49 cm3 Hubraum und war nur für eine Person zugelassen. Es trug zum Zeitpunkt des Unfalles - den geltenden italienischen Bestimmungen entsprechend - kein behördliches Kennzeichen. Der Kläger hatte für dieses Motorfahrrad zwar bei einer italienischen Versicherung eine freiwillige Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Eine Leistung für den gegenständlichen Unfall lehnte das italienische Versicherungsunternehmen jedoch mit der Begründung ab, daß sich die Versicherung nicht auf Schadenersatzansprüche mitbeförderter Personen beziehe.
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Beklagte die Schadenersatzansprüche Johannes M*****s gegen den Sohn des Klägers aus dem vorgenannten Unfall zu decken habe. Das Motorfahrrad habe nach seiner Bauart, Ausrüstung und Verwendung in Italien kein behördliches Kennzeichen tragen müssen und habe ein solches auch tatsächlich nicht getragen. Für die Frage, ob das Motorfahrrad ein Kennzeichen tragen hätte müssen, seien die italienischen Vorschriften maßgebend. Sofern Zweifel an der Auslegung der ABH bestünden, sei eine undeutliche Äußerung zum Nachteil der Beklagten auszulegen, die sich dieser Vertragsbestimmungen bedient habe. Die für das Motorfahrrad in Italien tatsächlich abgeschlossene Haftpflichtversicherung sei nicht obligatorisch gewesen und habe Ansprüche des verletzten Beifahrers nicht umfaßt.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Nach den Bestimmungen des KFG sei ein Motorfahrrad mit 49 m3 ein Kraftfahrzeug, das - bei der Verwendung in Österreich - ein behördliches Kennzeichen tragen müsse. Auch sei eine Haftpflichtversicherung für dieses Fahrzeug obligatorisch gewesen, sodaß gegenüber dem italienischen Haftpflichtversicherer ein Deckungsanspruch bestanden habe. Nach den vereinbarten AGB habe die Beklagte Versicherungsschutz nur insoweit zu gewähren, als nicht anderweitig Versicherungsschutz bestehe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das vom Sohn des Klägers gelenkte Motorfahrrad sei ein Kraftfahrzeug im Sinn des § 2 Z 14 KFG. Der Haftungsausschluß in Art 15.4.3. ABH beziehe sich auf das Halten oder Verwenden von Kraftfahrzeugen an sich. Der Beisatz, "... die ein behördliches Kennzeichen tragen müssen oder tatsächlich tragen", beziehe sich lediglich auf die dort genannten Anhänger, nicht aber auch auf die ebenso angeführten Kraftfahrzeuge. Bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen seien der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung sowie der Zusammenhang, in dem diese Bestimmung stehe, zu berücksichtigen. Das einem Kraftfahrzeug innewohnende Versicherungsrisiko sei demnach ohne weitere Einschränkung ausgeschlossen worden. Das Versicherungsrisiko von Anhängern sei dagegen nur dann dem der Kraftfahrzeuge gleichzuhalten, wenn es sich um solche handle, die zum Verkehr zugelassen seien und der Kennzeichenpflicht unterlägen.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Nach der erkennbaren Absicht der Parteien könne die Ansicht des Erstgerichts, wonach sich der Beisatz ".... die ein behördliches Kennzeichen tragen müssen oder tatsächlich tragen" lediglich auf Anhänger, nicht aber auch auf Kraftfahrzeuge beziehe, nicht gefolgt werden. Diese Absicht der Parteien ergebe sich zudem daraus, daß nicht einmal die Beklagte einen generellen Haftungsausschluß für die Verwendung von Kraftfahrzeugen behauptet habe.
Zu fragen sei aber, ob der Haftungsausschluß für kennzeichenpflichtige Kraftfahrzeuge so zu verstehen sei, daß das "Tragenmüssen" nach österreichischem Recht zu beurteilen sei, oder ob die Kennzeichenpflicht nach dem Recht jenes Ortes zu beurteilen sei, an welchem das Kraftfahrzeug verwendet werde. Aus der Bestimmung, daß die Begriffe Kraftfahrzeug, Anhänger und behördliches Kennzeichen im Sinn des österreichischen Kraftfahrgesetzes auszulegen seien, ergebe sich klar und eindeutig, was unter Kraftfahrzeug, Anhänger und behördlichem Kennzeichen zu verstehen sei. Da die Versicherungsbedingungen eine gleichlautende Auslegungsregel für das "Tragenmüssen" von Kennzeichen, also die Kennzeichenpflicht, nicht enthielten, sei die entsprechende Vertragsbestimmung e contrario ihrem Wortlaut nach nur so zu verstehen, daß die Kennzeichenpflicht nicht jedenfalls nach dem österreichischen KFG zu beurteilen sei. Wäre die generelle Anwendung des österreichischen KFG für die Beurteilung der Kennzeichenpflicht beabsichtigt gewesen, hätte das deutlicher gesagt werden können. Der Wortlaut des Haftungsausschlusses spreche bereits für die Absicht der Parteien, die Frage der Kennzeichenpflicht nicht ausschließlich nach österreichischem Recht, sondern nach dem am jeweiligen Verwendungsort eines Fahrzeuges geltenden Recht zu definieren.
Der Anwendung der Unklarheitenregel bedürfe es somit nicht. Selbst wenn aber die strittige Bestimmung mehrdeutig wäre, würde gemäß § 915 ABGB jede Unklarheit zu Lasten der Beklagten gehen. Jedenfalls nach § 915 ABGB wäre dann der Haftungsausschluß auf solche Kraftfahrzeuge zu beschränken, die auch am Ort ihrer Verwendung ein Kennzeichen tragen müßten.
Ein Haftungsausschluß aus dem Grund, daß der italienische Haftpflichtversicherer eine Leistung zu erbringen habe, sei nicht gegeben, weil Schadenersatzansprüche mitbeförderter Personen in diesem Versicherungsvertrag ausgeschlossen gewesen seien.
Die Revision der Beklagten ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte vertritt in ihrer Revision die Ansicht, daß der Begriff des "Tragenmüssens" in Art 15.4.3 ABH nicht nach dem am jeweiligen Verwendungsort geltenden nationalen Recht, sondern stets nach österreichischem Recht zu beurteilen sei. Der Umkehrschluß, den das Berufungsgericht gezogen habe, sei unzulässig. Aus der Gesamtheit der Haftpflichtbestimmungen in der Haushaltsversicherung ergebe sich vielmehr, daß nur Gefahren des täglichen Lebens versichert seien. Die - den italienschen Vorschriften widersprechende - Inbetriebnahme eines nur für eine Person zugelassenen Motorfahrrades mit einem Beifahrer gehöre jedenfalls nicht dazu. Zweck des Art 15 ABH sei es, besonders gefahrenträchtige Tätigkeiten von der Haftpflichtversicherung auszuschließen. Gefahren, für die nach österreichischem Recht eine besondere Versicherungspflicht und auch eine Haftung ohne Verschulden bestehe, seien von diesem Versicherungsschutz nicht erfaßt. Es könne nicht unterstellt werden, daß der Versicherer im Rahmen einer Haushaltsversicherung die Deckung von Risken übernehmen hätte wollen, die in den Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung fielen. Daß das beim Unfall verwendete Motorfahrrad nach den örtlichen Bestimmungen nicht kennzeichenpflichtig gewesen sei, sei daher ohne Belang.
Dazu wurde erwogen:
Art 15.4.3. ABH regelt - ungeachtet Art 13 ABH, wonach sich der Versicherungsschutz auf Schadenereignisse erstreckt, die in Europa eingetreten sind - die Frage, welche Bestimmungen auf die hier maßgebenden Begriffe "Kraftfahrzeug" und "behördliches Kennzeichen" sowie die Kennzeichenpflicht anzuwenden sind, wenn der Versicherungsnehmer ein Fahrzeug im Ausland benützt, nicht ausdrücklich. Die Bestimmung, wonach diese Begriffe im Sinne des (österreichischen) Kraftfahrgesetzes auszulegen sind, erfaßt aber nach dem Wortlaut sowohl inländische als auch ausländische Fahrzeuge. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nicht wie Gesetze, sondern wie Verträge auszulegen: Die nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen müssen so ausgelegt werden, wie diese der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehen mußte, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen; zu berücksichtigen ist in allen Fällen der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der AGB (SZ 62/29; SZ 62/168; VR 1990/224; VR 1991/231; VR 1992/284; VR 1992/269; VR 1994/334). Da in der Passivenversicherung, vor allem bei der Haftpflichtversicherung, eine Doppelversicherung möglich ist (Schauer, Versicherungsvertragsrecht3, 181) kann ein verständiger Versicherungsnehmer zunächst nicht annehmen, daß die Vertragsbestimmung bloß deshalb in die ABH aufgenommen wurde, um eine Doppelversicherung zu verhindern. Aus dem Zweck der in die Haushaltsversicherung eingeschlossenen Haftpflichtversicherung, Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den in Art 10 Z 1 bis 11 beispielsweise angeführten, das Halten und Verwenden von Kraftfahrzeugen nicht enthaltenden Gefahren des täglichen Lebens abzudecken, ergibt sich vielmehr für einen verständigen Versicherungsnehmer bei objektiver Betrachtung, daß die erhöhte Gefahr, die mit der Haltung oder Verwendung von Kraftfahrzeugen verbunden ist, schlechthin von der Haftpflichtversicherung in der Haushaltsversicherung ausgeschlossen werden sollte. Daraus ergibt sich aber, ohne daß es auf die Unklarheitenregel ankommt, daß Schadenersatzverpflichtungen aus der Haltung oder Verwendung der nach dem österreichischem KFG kennzeichenpflichtigen Kraftfahrzeuge schlechthin von der Versicherung ausgeschlossen sind, ungeachtet des Umstandes, daß ein Fahrzeug im Ausland benützt wurde, das dort nicht kennzeichenpflichtig war. Das (österreichische) KFG und seine Definitionen für die Begriffe Kraftfahrzeug, behördliches Kennzeichen und Kennzeichenpflicht grenzen demnach den in der Haushaltsversicherung gewährten Versicherungsschutz für Schadenersatzverpflichtungen aus der Benützung von Fahrzeugen ab, ohne daß dabei die entsprechenden Begriffe ausländischer Gesetze anzuwenden wären.
Da das vom Sohn des Klägers beim Unfall benützte einspurige Fahrzeug einen Hubkolbenmotor von nicht mehr als 50 m3 hatte, lag ein Motorfahrrad im Sinn des § 2 Z 14 KFG vor, das gemäß § 49 Abs 6 KFG kennzeichenpflichtig ist. Der genannte Ausschluß von der Versicherung kommt demnach zum Tragen.
Daher war das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Entscheidung über Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)